Beatmung eines Covid-Patient
Das neue Medikament soll besonders Intensivmedizinern dabei helfen, schwerkranke Patienten zu behandeln – und wenn möglich zu retten. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Le Pictorium

Hoffnung für Schwerkranke Medikament aus Jena in den USA gegen Corona zugelassen

05. April 2023, 18:19 Uhr

Das Jenaer Biotech-Unternehmen Inflarx hat mit Gohibic ein Medikament entwickelt, dass die Sterblichkeitsrate von beatmeten Corona-Patienten senkt. In den USA ist es nun zugelassen worden.

Die FDA (amerikanische Zulassungsbehörde für Arzneimittel) hat dem Medikament "Gohibic" des Jenaer Unternehmens Inflarx die Notfallzulassung erteilt. Das Medikament ist für Patienten gedacht, die schwer an Corona erkranken und auf der Intensivstation beatmet werden müssen. Studien hatten gezeigt, dass "Gohibic" die Sterblichkeitsrate um 23,9 Prozent senkt. Durch die Zulassung können nun schwer Erkrankte Hoffnung schöpfen – denn nach wie vor gibt es kaum Medikamente gegen das Virus.

Corona ist nicht vorbei – Variante Arcturus auf dem Vormarsch

Die Corona-Variante Arcturus kommt in Deutschland an, gleichzeitig werden am Freitag (07.04.) bundesweit alle Corona-Maßnahmen eingestellt. Doch das bedeutet nicht, dass das Virus verschwunden ist. Nach wie vor erkranken Menschen schwer, müssen ins Krankenhaus – und nach wie vor sterben auch Menschen an dem Virus.

Schon zu Beginn der Pandemie warnten Experten, sich nicht allein auf die Impfungen zu verlassen und auch in die Erforschung von Medikamenten zu investieren. Laut RKI gab es im Februar 1.600 Covid-19-bedingte Todesfälle. Zum Vergleich: In den USA sterben derzeit ungefähr 2.000 Menschen pro Woche an der Infektion.

Der Geschäftsführer von Inflarx, Prof. Niels Riedemann, betont, dass das neue Medikament besonders schwer Erkrankten Hilfe verspricht: "Trotz der Verfügbarkeit von Impfstoffen und Therapien für frühere Krankheitsstadien von Covid-19 entwickeln viele Patienten noch immer eine virale Sepsis, bei der sich der Zustand der Patienten so weit verschlechtert, dass häufig eine invasive mechanische Beatmung erforderlich wird. ... Die heutige EUA-Erteilung (EUA steht für "Emergency Use Authorization"/Notfallzulassung) gibt solchen Patienten und ihren Angehörigen neue Hoffnung."

Was ist eine Notfallzulassung? Eine Notfall- oder auch bedingte Zulassung für ein Medikament kann dann erfolgen, wenn ein ungedeckter medizinischer Bedarf für ein solches Medikament existiert, aber noch nicht alle notwendigen Daten für eine reguläre Zulassung vorhanden sind. Die Daten müssen allerdings beweisen, dass Vorteile und Nutzen der sofortigen Verfügbarkeit des Medikaments die Risiken für Patienten überwiegen.

Wie funktioniert das neue Medikament?

Patienten, die so schwer an Covid-19 erkranken, dass sie beatmet werden müssen, haben nach wie vor eine Überlebenschance von unter 50 Prozent. Sie versterben häufig an den Folgen einer viralen Sepsis. Das bedeutet: Der Körper kämpft an allen Fronten gegen das Corona-Virus. So entsteht eine überschießende Immunreaktion – eine schädliche Überaktivierung des Immunsystems, insbesondere der weißen Blutkörperchen.

Eine Schlüsselrolle dabei spielt ein Eiweiß mit dem Namen C5A. Dieses sorgt dafür, dass mehr weiße Blutkörperchen aktiv werden, wie ein Dopingmittel fürs Immunsystem. Das Problem: Bei dem Prozess entstehen auch gefährliche Gifte. Außerdem fördert C5A die Blutgerinnung im Körper, sodass die vielfach bei Corona beobachteten Thrombosen entstehen. Die Folgen sind Organversagen und Blutvergiftung. Genau gegen diesen Mechanismus hat die Jenaer Firma einen Antikörper entwickelt, der dieses Szenario verhindert. C5A wird durch den Antikörper gezielt blockiert. Das Immunsystem ist gedämpft, arbeitet aber trotzdem weiter.

Vielversprechende Studienergebnisse

Die Thüringer Firma startete kurz nach Ausbruch von Covid 19 im März 2020 eine erste Studien. Die Entwicklung des Medikaments wurde seit Oktober 2021 vom Bund mit 43,7 Mio. Euro gefördert. Zuletzt durchlief es eine große (globale, randomisierte, placebokontrollierte) Phase III-Studie bei invasiv mechanisch beatmeten, kritisch kranken Covid-19-Patienten. An der Studie haben 369 Patienten teilgenommen. Gegenüber der Placebogruppe konnte bei der mit "Gohibic" behandelten Patientengruppe innerhalb der ersten 28 Tage eine Verringerung der Sterblichkeit um 23,9 Prozent erreicht werden.

Niels Riedemann
Prof. Niels Riedemann ist der Geschäftsführer des Biotech-Unternehmens Inflarx. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Eigene Erfahrung als Oberarzt als Antrieb zur Entwicklung des Medikaments

Auf die Frage nach dem Antrieb für seine Forschung und die Entwicklung des Medikaments antwortet Prof. Riedemann gegenüber dem MDR Magazin "Hauptsache Gesund": "Ich habe das selbst erlebt bei einer Grippe-Pandemie, wenn man als Oberarzt am Bett steht und zugucken muss, wie sich die Organe verabschieden und man nur hoffen kann, dass man mit allen organunterstützenden Maßnahmen den Patienten durchbekommt. Das ist ein ganz furchtbares Gefühl."

Das Medikament soll besonders Intensivmedizinern dabei helfen, schwerkranke Patienten zu behandeln – und wenn möglich zu retten. Die Vorbereitung auf einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) laufen nach Aussage des Unternehmens.

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Hauptsache Gesund | 03. Dezember 2020 | 21:00 Uhr

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