Mehrere bunte Regenschirme wurden einzeln mit Draht umwickelt und nebeneinander gelegt.
Die Ausstellung "Multiples" in Jena zeigt auch Werke von Claus Otto Paeffgen, der aus Ironie regelmäßig Gegenstände mit Draht umwickelte. Bildrechte: VG Bild-Kunst

"Kunst für alle!" Ausstellung in Jena: So entstand große Kunst fürs kleine Geld

15. Dezember 2023, 16:09 Uhr

Nach langer Pause eröffnet die Kunstsammlung Jena wieder ihre Räume – unter anderem mit einer Ausstellung mit "Multiples". Unter dem Motto "Kunst für alle!" schufen berühmte Künstler und Künstlerinnen Arbeiten zu kleinen Preisen. Das funktionierte über "Auflagenobjekte" oder eben "Multiples". Dank einer Schenkung besitzt die Kunstsammlung Jena hunderte solcher Objekte, die sie nun in einer Sonderausstellung präsentiert, darunter auch Werke von Joseph Beuys, Rosemarie Trockel und A.R. Penck.

Einem der bekanntesten "Multiples" begegnet man in der Kunstsammlung Jena gleich zum Auftakt der Schau in einer Vitrine mit Filz-, Holz- und Schwefelpostkarten: einer länglichen, flachen, offenen Holzkiste. Auf ihren Boden kritzelte Joseph Beuys 1968 mit Bleistift das Wort "Intuition".

Ausstellung mit rund 150 "Multiples"

Rund 8000-mal soll er das Wort geschrieben haben, was seine "Intuitionsbox" zum Objekt mit der wahrscheinlich höchsten Auflage ihrer Zeit machte. "Beuys hat viele Multiples gemacht, wir haben hier einen Bruchteil davon", erklärt Kuratorin Manuela Dix von der Kunstsammlung Jena. "Bei Beuys geht es nicht nur darum, dass man ein Objekt kreiert. Er hat auch die soziale Plastik erfunden und hinter der steckt das Handeln des denkenden Menschen."

Ein heller, rechteckiger Holzkasten vor einer schlichten Wand.
Tausende Male hat Joseph Beuys "Intuition" ein eine Holzbox geschrieben. Bildrechte: VG Bild-Kunst

Beuys' "Intuitionsbox" kostete im Entstehungsjahr übrigens 8 Mark, heute kostet sie um die 1000 Euro – das 250-Fache ihres Anfangspreises. Materielle Wertsteigerung bedeutete Joseph Beuys wenig. Anfang der 60er-Jahre rebellierte er vielmehr im Zuge der Fluxus-Bewegung gegen den Warencharakter der Kunst. Diese sollte nicht länger eine Sache elitärer Zirkel sein. "Kunst für alle" lautete die Maxime – die "Multiples", auf Deutsch Auflagenobjekte, entstanden. 150 solche Kunstwerke sind in der Ausstellung in Jena zu sehen, die Beuys' Maxime als Titel wählte.

Sammlung Opitz-Hoffmann in Jena

Als mit der Schenkung der Sammlung Opitz-Hoffmann im Jahr 2014 mehr als 1000 Kunstwerke in die Kunstsammlung Jena kamen, waren auch hunderte Multiples darunter. Aus ihnen speist sich nun die neue Schau. Eric Stephan, Leiter der Kunstsammlung Jena, gibt zu bedenken: "Das ist keine Sammlung, die aus der Portokasse bezahlt wurde. Das ist eine Sammlung, die in einer relativ normalen Familie entstand. Das waren keine Industriellen, die hatten ein ganz normales Einkommen. Frau Opitz-Hoffman hat mir erzählt, in frühen Jahren hat sie die auch manchmal in Raten abgezahlt."

Dorothee Opitz-Hoffmann, 2023 im April verstorben, stammte aus Meiningen und sammelte ganze Werkkomplexe namhafter Künstler wie Rosemarie Trockel, Sigmar Polke, Anna und Bernhard Blume oder Felix Droese. Sie alle fertigten auch Multiples.

Feministische Kunst von Rosemarie Trockel

So gibt es von der Düsseldorfer Künstlerin Rosemarie Trockel – stark beeinflusst von Joseph Beuys, bekannt für ihre Strickbilder und feministischen Themen – in der Ausstellung unter anderem eine groteske orangefarbene Tischdecke mit roten Siebdruckmotiven.

Eine orange Stoffdecke mit Muster: mehrere rote Ovale mit einem kleinen Haken.
Rosemarie Trockel arbeitete immer wieder auch Textil. Bildrechte: VG Bild-Kunst

"Auf der Tischdecke sehen wir Frauen, die die Sichel erheben und das hat Trockel hergenommen von einem alten Plakat, da ging es um Lenin, der gefordert hat, dass die Frauen, indem sie Zuhause am Herd stehen, den Staat regieren sollen", erläutert Kuratorin Manuela Dix. "Rosemarie Trockel kehrt das um und sagt: Die Frauen sollen den Staat regieren – ohne Herd."

Ausstellung mit Humor

Humor spielt in der Schau ohnehin eine stärkere Rolle, Von Bernhard Blume, der skurrile Fotogeschichten schuf, zeigt die Ausstellung so genannte "Heilsgebilde": weiße Pappteller, verfremdet mit schwarzen Aufschriften wie "Heil" oder "Gott".

Ein weißer Teller, auf dem mit schwarzer Schrift Gott geschrieben wurde.
Mit seinen "Heilsgebilden" hinterfragt Bernhard Blume mit viel Humor Religion. Bildrechte: VG Bild-Kunst

Der Kölner Claus Otto Paeffgen, bekannt für seine Draht-Umwicklungen, ironisiert auf diese Weise Regenschirme (Titelbild). Und auch preiswerte Pencks gab es einst als Multiples, in Form von Telefonkarten.

Auf eine silber glänzenden Karte steht "erste autorisierte Telefonkarte von a.r.penck"
Auch A.R.Penck schuf mehrere Multiples. Bildrechte: VG Bild-Kunst

Zwei Skulpturen von Kunststar Stephan Balkenhol stehen zudem in der Ausstellung: ein Mann im Anzug und eine Frau, etwa 30 Zentimeter hoch in silbern schimmerndem Bleiguss. Ein Multiple, das 2006 für 320 Euro erworben werden konnte und heute für einen mittleren vierstelligen Bereich bei Ebay zu finden ist. So ist es mit den Multiples, der "Kunst für alle!": Es können auch alle damit handeln (und keiner schaut richtig hin).

Die graue Skulptur eines Mannes in schlichter Kleidung, der den Kopf nach rechts dreht.
Preislich umstritten: der "Mann" von Kunststar Stephan Balkenhol. Bildrechte: Edition Griffelkunst-Vereinigung, 2005, Foto: Dirk Masbaum

Über die Ausstellung (zum Aufklappen)

"Multiples"
Sammlung Opitz-Hoffmann
vom 16. Dezember 2023 bis 17. März 2024

Adresse:
Kunstsammlung Jena
Markt 7
07743 Jena

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr
Montag geschlossen

Redaktionelle Bearbeitung: tmk, tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 15. Dezember 2023 | 07:40 Uhr

Mehr aus der Region Jena - Apolda - Naumburg

Mehr aus Thüringen

Modelleisenbahn 3 min
Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk