Eine junge Frau (Khrystyna Zhuk) sitzt auf einer Parkbank. Sie trägt ein olivgrünes Sommerkleid. Sie blickt auf den roten Hefter mit Zeugnissen, den sie in ihren Händen hält.
Seit zwei Jahren lebt Khrystyna Zhuk in Jena und seit zwei Jahren darf die Augenärztin nicht ihrer Arbeit nachgehen. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Approbation Im Wartezimmer der Behörden: Ukrainische Ärztinnen warten auf Arbeitserlaubnis

18. August 2024, 11:39 Uhr

Monatelanges Warten auf einen Facharzttermin - das kennen auch viele Thüringer. Auf der anderen Seite warten derzeit mehr als 1.400 ukrainische Ärztinnen und Ärzte auf ihre Zulassung in Deutschland. 43 von ihnen haben seit März 2022 in Thüringen ihre Approbation beantragt. Bisher hat nur eine ihre Arbeitserlaubnis erhalten.

Ich treffe Khrystyna Zhuk in Jena. Die 29-Jährige lebt seit zwei Jahren in der Lichtstadt. Es gefällt ihr hier, weil sie die Stadt an ihren Heimatort in der Westukraine erinnert. Aber sie würde endlich gern arbeiten, sich einbringen - statt Leistungen vom Staat zu beziehen.

Erfahrungen in der Augenheilkunde

Zhuk hat in der Ukraine sechs Jahre Medizin studiert und danach als Fachärztin für Ophthalmologie - also Augenheilkunde - gearbeitet. Und viele Erfahrungen im OP und in der Notaufnahme gesammelt.

Auch in Thüringen werden qualifizierte Augenärzte dringend gesucht, denn durch die zunehmende Überalterung der Gesellschaft gibt es mehr damit verbundene Augenkrankheiten. Gerade im ländlichen Bereich finden Patienten kaum noch eine Praxis, geschweige denn zeitnahe Termine. Die Kassenärztliche Vereinigung bemüht sich, den Mangel auszugleichen, bietet Anreize für die Schaffung neuer oder die Weiterführung bestehender Praxen. Etwa ein Drittel aller ambulanten Ärztinnen und Ärzte ist 65 Jahre oder älter.

Eine Frau in einem Park. Sie schaut ernst in die Kamera. Sie trägt ein olivgrünes Sommerkleid und hat die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
Um möglichst schnell die Voraussetzung für ihre Approbiation zu schaffen, hat Khrystyna Zhuk ihren B2-Sprachkurs aus eigener Tasche bezahlt. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Jeder ausländische Arzt muss - wenn er hier arbeiten möchte - nachweisen, dass seine Qualifikation dem deutschen Medizinstandard entspricht. Das ist selbstverständlich und unabdingbar für die Sicherheit der Patienten. Dafür gibt es umfangreiche Kenntnisprüfungen und natürlich werden auch Zeugnisse, ein bestandener Sprachtest und Studiennachweise gefordert.

Zwei Wege für Ärzte ins Thüringer Gesundheitsweisen

Der Weg zur Anerkennung von Medizinern aus Drittstaaten führt über zwei Wege: Der erste ist die Approbation, die eine vollständige Anerkennung aller Unterlagen, Nachweise und Kenntnisprüfungen umfasst. Der zweite ist die - auf zwei Jahre befristete - Berufserlaubnis, in der die Mediziner unter Aufsicht eines approbierten Kollegen ihre Qualifikation nachweisen und auch Defizite ausgleichen können. Danach können sie die Zulassung beantragen.

Khrystyna Zhuk hat in Thüringen ihren Sprachkurs B2 (höheres Sprachniveau) erfolgreich absolviert. Die Grundlage, um ihre Zulassung überhaupt zu beantragen, und natürlich auch wichtig für die Integration. Die 500 Euro dafür musste sie aus eigener Tasche bezahlen, was der Mutter eines Kindes nicht leicht gefallen ist. Derzeit macht sie den Kurs C1 für Akademische Heilberufe. Im Dezember wird sie ihn abschließen.

Für ihre Zulassung als Ärztin in Thüringen braucht sie die beglaubigte Übersetzung ihres Curriculums - der Dokumentation der Inhalte, Methoden und Zielen ihres Medizinstudiums. Das sind bei ihr mehr als 300 Seiten. Die beglaubigte Übersetzung durch einen qualifizierten Übersetzer würde laut Khrystyna 12.000 Euro kosten. Geld, das sie derzeit einfach nicht hat.

Bundesregierung plant Hürden-Abbau

Das Bundesgesundheitsministerium kennt diese Probleme. Die Bundesregierung plane, angehenden Ärztinnen und Ärzten aus der Ukraine den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Derzeit arbeite man daran, Ukrainern mit nicht abgeschlossener Ausbildung eine Fortsetzung ihres Studiums in Deutschland zu ermöglichen.

Pressekonferenz im Bundesgesundheitsministerium - Karl Lauterbach
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sein Ministerium arbeiten daran, den Zugang ukrainischer Ärzte zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Bildrechte: IMAGO/Chris Emil Janssen

Im Rahmen einer Änderung der Bundesärzteordnung werde derzeit auch geprüft, welche Erleichterungen für die Erteilung von temporären Berufserlaubnissen an ukrainische Ärzte und Ärztinnen möglich seien, schreibt das Ministerium auf Anfrage von MDR THÜRINGEN.

Thüringer Ärztekammer registriert keine Beschwerden

Der Bundesrat hatte Anfang Juli das Bundesgesundheitsministerium in einer Entschließung aufgefordert, die Verfahren zu beschleunigen. Der zunehmende Fachkräftemangel sei eine der größten Herausforderungen unserer Zeit für das Gesundheitswesen. Vor diesem Hintergrund müsse die geltende Rechtslage dahingehend geändert werden, dass Anerkennungsverfahren zügiger als bisher durchzuführen seien.

Dazu bedürfe es Anpassungen in der Bundesärzteordnung. Die medizinische Kenntnisprüfung solle der Regelfall werden und so die Verfahren erheblich beschleunigt werden. Außerdem solle möglichst zukünftig auf die Einreichung von Originalen oder amtlich beglaubigten Kopien zugunsten elektronischer Dokumente und eidesstattlicher Versicherungen verzichtet werden. Ob und wann das so kommt, ist allerdings offen.

Die Thüringer Landesärztekammer schreibt, unter den derzeitigen rechtlichen Rahmenbedingungen laufe die Integration ukrainischer Ärzte in Thüringen nicht zu langsam. Derzeit lägen keine Beschwerden über ein zu langsames Verfahren aus Kliniken, Praxen oder von Ärzten vor. Man habe auch schon zahlreiche Fortschritte in Zusammenarbeit mit der Landesregierung und dem Landesverwaltungsamt erzielt. Man begrüße aber angesichts des Ärztemangels den Vorschlag des Bundesrates.

43 Anträge in Thüringen seit 2022 - bisher eine Approbation erteilt

Von 43 Anträgen ukrainischer Ärzte seit März 2022 in Thüringen befinden sich 31 noch in Bearbeitung, drei Verfahren wurden durch Antragsrücknahme oder Ablehnung beendet, fünf Verfahren ruhen, weil über einen Zeitraum von einem Jahr keine Unterlagen mehr eingereicht wurden. Nur in einem Fall wurde eine Approbation erteilt, teilte das Landesverwaltungsamt mit.

Eine sächsische Approbationsurkunde
Magere Bilanz: Erst eine vollständige Approbation gab es in Thüringen seit März 2022. (Symbolbild) Bildrechte: MDR / Rainer Erices

Bei den Pflegeberufen sieht es ähnlich aus: 42 Anträge auf Anerkennung einer ausländischen Berufsqualifikation von ukrainischen Staatsangehörigen sind seit März 2022 in Thüringen gestellt worden. Diese umfassen 26 Anträge als Gesundheits- und Krankenpfleger, 14 Anträge als Pflegefachkraft, einen Antrag als Gesundheits- und Krankenpflegehelfer. Vier sind bewilligt worden, 29 sind in Bearbeitung.

Bearbeitungszeit hängt von Vollständigkeit der Unterlagen ab

Durchschnittlich dauere die Bearbeitungszeit für eine Approbation von Medizinern aus Drittstaaten in Thüringen 270 Tage. Für eine vorübergehende, auf zwei Jahre beschränkte Berufserlaubnis sind es 117 Tage.

Man habe bei der Dauer der Bearbeitung Fortschritte gemacht, schreibt das Thüringer Landesveraltungsamt, das für die Anträge zuständig ist. Oftmals lägen die Probleme aber bei der Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen - besonders bei der Übersetzung der ausländischen Studienabschlüsse. So wie bei Khrystyna Zhuk, die sich diese Übersetzung nicht leisten kann.

Auch koste die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Prüfung auf Gleichwertigkeit der Abschlüsse einfach viel Zeit. Denn wenn kein Vergleichsgutachten vorliege, müssen die Unterlagen zur Prüfung der Gleichwertigkeit an die "Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen" (ZAB) weitergeleitet werden.

Die ZAB benötigt aktuell für die Überprüfung circa zwölf Monate. Sofern eine Gleichwertigkeit nicht festgestellt werden kann, muss der Antragsteller über eine Kenntnisprüfung nachweisen, dass er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die zur Berufsausübung als Arzt erforderlich sind.

Befristete Berufserlaubnis als Chance auf Weg zur Approbation

Für Victoria Pavlovska, die 18 Jahre Berufserfahrung als Neurologin in der Ukraine hat und seit zwei Jahren in Erfurt lebt, war der vergangene Montag ein glücklicher Tag.

Eine rothaarige Frau mittleren Alters (Victoria Pavlovska) schaut ernst in die Kamera. Sie trägt eine schwarze Bluse und eine schwarze Brille.
Das lange Warten hat ein Ende: Vor Kurzem hat die Neurologin Victoria Pavlovska ihre befristete Arbeitserlaubnis erhalten. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Sie darf jetzt befristet für zwei Jahre in einem Thüringer Krankenhaus arbeiten. Unter der Aufsicht eines approbierten Mediziners und nur in nichtleitenden Funktionen. In dieser Zeit kann sie noch Kenntnisprüfungen ablegen und danach ihre vollständige Approbation beantragen.

Für die 46-jährige gestandene Medizinerin nicht ganz einfach, noch einmal neu anzufangen - aber eine gute Chance für sie und ihren Arbeitgeber. Und auch für die vielen Patienten, die auf einen Facharzttermin warten.

Selbst Praktikumsplatz nur schwer zu finden

Vielen ukrainischen Medizinern würde es schon helfen, wenn sie erst einmal ein Praktikum im medizinischen Bereich machen könnten, um so Erfahrungen zu sammeln. Doch auch das sei sehr schwer, berichtet Yaroslawa, die in der Ukraine sieben Jahre als Allgemeinmedizinerin gearbeitet hat und ihren Nachnamen aus Sorge vor russicher Verfolgung nicht nennen will.

Zwei Frauen stehen sich beim Gespräch gegenüber. Links im Bild steht eine rothaarige Frau mittleren Alters (Victoria Pavlovska). Sie trägt eine schwarze Bluse und eine schwarze Brille. Rechts im Bild ist eine junge Frau mit brünettem Haar zu sehe (Yaroslawa). Sie trägt eine lila-weiß gestreifte Bluse.
Victoria Pavlovska im Gespräch mit Yaroslawa, die gern ihre Arbeit als Allgemeinmedizinerin in Thüringen wieder aufnehmen möchte. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Viele Arbeitgeber würden dafür die gleichen Anforderungen stellen, die auch für sie eine Herausforderung sind: die vollständige Anerkennung der Gleichwertigkeit ihres Studiums. Viele Absagen hat sie deshalb schon bekommen. So vergeht viel Zeit - Zeit, die auch den Steuerzahler Geld kostet. Zeit, die nicht nur Yaroslawa lieber mit Qualifizierungen verbringen würde, als zu warten.

Auch Khrystyna Zhuk wollte nicht untätig warten. Sie hat Bewerbungen als medizinische Fachangestellte, als Arzthelferin, als chirurgische Assistenz abgeschickt - alles weit unter ihrer Qualifikation, aber auch für sie eine Chance, endlich zu arbeiten.

Bekommen hat sie 15 Ablehnungen, die meisten ohne Angaben von Gründen. Aufgeben kommt für sie nicht infrage. Aber ob sie in Thüringen bleibt, das weiß sie noch nicht. In anderen Bundesländern und anderen europäischen Staaten seien die Verfahren zu Anerkennung deutlich einfacher.

Ukrainer auf Arbeitssuche

MDR (mm,ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 17. August 2024 | 19:00 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/aa6859e5-eaae-443a-8c35-96951274e838 was not found on this server.

Mehr aus der Region Jena - Apolda - Naumburg

Mehr aus Thüringen