Corona-Pandemie Seelsorge für Sterbende: Ex-Richterin wegen Rechtsbeugung in Gera angeklagt
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08. April 2024, 12:24 Uhr
Während der Corona-Pandemie soll eine Proberichterin eine Entscheidung zugunsten ihres Vaters getroffen haben. Er wollte als Pfarrer eine Palliativpatientin in einem Pflegeheim besuchen. Wegen der Corona-Vorgaben wurde ihm der Zugang nicht erlaubt. Er wandte sich an das Gericht. Dort verschaffte ihm seine Tochter als Richterin per Beschluss Zutritt. Als enge Familienangehörige hätte sie das nicht gedurft. Nun hat ein Prozess gegen die 37-Jährige vor dem Landgericht Gera begonnen.
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Mit einem Befangenheitsantrag hat in Gera am Montag der Prozess gegen eine ehemalige Richterin wegen Rechtsbeugung begonnen - wegen einer Entscheidung, die die Frau in ihrem Dienst als Bereitschaftsrichterin getroffen hat. Zum Auftakt hat die 37-Jährige geschwiegen. Der Verteidiger beantragte, dass das Landgericht von Amtswegen die zuständigen Richter auf Befangenheit überprüft.
Schon vor dem Prozess hatten sich mehrere Richter für befangen erklärt, weil sie mit der Richterin oder dem Disziplinarverfahren zu tun hatten. Zudem soll der Präsident des Gerichts als Zeuge aussagen. Aus Verteidigersicht wäre es besser gewesen, die Anklage an einem anderen Landgericht zu erheben.
Entscheidung vor vier Jahren
Die umstrittene Entscheidung der früheren Richterin erging vor fast genau vier Jahren. Im April 2020 verfügte die Angeklagte, dass ein Pfarrer eine schwer kranke Bewohnerin eines Jenaer Pflegeheims besuchen darf. Das Pflegeheim hatte den Besuch und damit den seelsorgerischen Beistand untersagt - weil es die geltende Coronaschutzverordnung so vorsah. Mit dem richterlichen Beschluss war der Besuch des Pfarrers möglich.
Ex-Richterin entscheidet zugunsten des Vaters
Das Besondere - und laut Anklage - das Strafbare daran: Die Richterin ist die Tochter des Pfarrers. Sie hatte an jenem Tag ab 16 Uhr Bereitschaftsdienst - und war auch für das Pflegeheim zuständig, das den Besuch verboten hatte. Um 16:06 Uhr rief ihr Vater an, später reichte er den Antrag schriftlich ein. Die Angeklagte entschied zugunsten ihres Vaters. Weil sie das wegen des engen Verwandtschaftsverhältnisses nicht gedurft hätte, hat die Staatsanwaltschaft Erfurt Anklage wegen Rechtsbeugung erhoben. Die Angeklagte hätte sich für befangen erklären müssen, und den Fall einem Kollegen übergeben müssen. Stattdessen soll sie ihren Vater zuvor beraten haben, so die Ermittler.
Bundesverfassungsgericht nimmt Beschwerde nicht an
Gegen die Juristin wurde nach Bekanntwerden der Entscheidung zugunsten ihres Vaters ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Gegen ihre Entlassung aus dem Dienst ging sie gerichtlich vor. Sie ging bis zum Bundesverfassungsgericht, das ihre Beschwerde allerdings nicht annahm.
Dass das Strafverfahren erst jetzt verhandelt wird, liegt daran, dass sich ehemalige Kollegen der Angeklagten für befangen erklärten, eben weil sie die damalige Proberichterin als Kollegin kannten.
Eine Entscheidung zum Befangenheitsantrag wird am kommenden Verhandlungstermin am 24. April erwartet.
MDR (ch/co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 08. April 2024 | 12:00 Uhr