Erfurt: Eine Demonstrantin von Omas gegen Rechts mit Schildern.
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Engagement "Möchte meine Rente nicht im Faschismus verbringen": Deshalb engagieren sich "Omas gegen Rechts" in Thüringen

03. August 2024, 05:00 Uhr

An diesem Wochenende treffen sich "Omas gegen Rechts" aus ganz Deutschland zu ihrem ersten Bundeskongress in Erfurt. Über 10.000 Mitglieder soll die Initative bundesweit haben. Die Gruppen wollen sich beim Kongress besser vernetzen und natürlich auch gemeinsam demonstrieren. Doch was treibt die Frauen an, sich öffentlich gegen Rechtspopulismus und Faschismus einzusetzen?

Am 1. Mai 2019, zur Maikundgebung in Erfurt, ist Renate Wanner-Hopp das erste Mal bei den "Omas gegen Rechts" mitgelaufen. "Ich dachte: Ich bin Oma, ich bin gegen Rechts, da lauf ich mit", erzählt die 63-Jährige. Zwei Jahre später hat sie den Verein der Erfurter "Omas gegen Rechts" mitgegründet, aktuell hat er 44 Mitglieder.

Wanner-Hopp hat mittlerweile vier Enkelkinder - auch für die geht sie auf die Straße. Vor allem, weil sie besorgt ist über den wachsenden Zuspruch der als vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften AfD. Und weil ihr die Erzählungen vom Nationalsozialismus und dem Krieg aus ihrer Kindheit noch sehr präsent sind. "Meine Mutter hat von mir immer sehr vehement verlangt, dass ich jeden Abend meine Kleidung in der Reihenfolge über den Stuhl hänge, dass ich im Dunkeln sie auch wieder in der Reihenfolge anziehen kann. Sie hat immer gesagt, falls es brennt. Aber es war natürlich auch ihre eigene Erfahrung", erinnert sie sich.

Oma gegen Rechts-Mitglied Renate Wanner-Hopp mit kurzem Haar, Brille und roter Bluse
Renate Wanner-Hopp hat vier Enkelkinder und engagiert sich bei den "Omas gegen Rechts". Bildrechte: MDR/Anna Hönig

"Wir können den Ruhestand nicht genießen"

Auch Ulrike Klinzing aus Bad Salzungen ist eine "Oma gegen Rechts". Im Februar hat sie gemeinsam mit Susanne Schaft eine Gruppe für den Wartburgkreis gegründet. Klinzing erinnert sich, dass ihre Mutter von ihren Erlebnissen in Bombenkellern bis zu ihrem Tod Albträume hatte. Susanne Schaft berichtet, dass ihre Oma immer einen gepackten Koffer bereitstehen hatte - falls sie schnell flüchten müsse.

Kinzling und Schaft sorgen sich, dass sich die Geschichte wiederholt: "Die Erstarkung der rechten Kräfte, ohne eine bestimmte Partei zu nennen, da gibt's viele, die hat uns so betroffen gemacht und macht uns große Sorgen. Und deshalb haben wir uns zusammengefunden zu den 'Omas gegen Rechts', um das, was, was wir mit unseren Kräften tun können, dagegen auch zu tun", sagt Ulrike Kinzling. Eigentlich möchte Kinzling ihren Ruhestand genießen, "aber ich möchte meine Rente nicht im Faschismus verbringen", sagt sie.

Oma gegen Rechts-Mitglieder Ulrike Kinzling und Susanne Schaft halten Zettel mit Sprüchen gegen Rechts
Ulrike Kinzling (links) und Susanne Schaft bereitet das Erstarken rechtsextremer Kräfte in der Gesellschaft große Sorgen. Bildrechte: MDR/Anna Hönig

Und auch ihre Mitstreiterin Susanne Schaft hat die Sorge zu den Demonstrationen gezogen: "Ich habe Angst vor der Zukunft, das hat mich angetrieben etwas zu tun. Mein Motto ist: "Mecker' nicht, tu was", sagt Schaft, die im Mehrgenerationenhaus in Bad Salzungen arbeitet. Die Gruppe im Wartburgkreis hat aktuell rund 24 Mitglieder - Tendenz steigend.

Nicht nur Omas engagieren sich in der Initiative

Und nicht nur Omas, sondern auch Opas, Mütter, Enkelkinder und jüngere Frauen sind in den Gruppen aktiv. "Bei uns gibt es keine Altersgrenze", sagt Renate Wanner-Hopp, die außerdem Direktkandidatin der Grünen für den Wahlkreis Erfurt IV bei der Landtagswahl ist. In der Gruppe im Wartburgkreis sind von Anfang 50 bis knapp 90 Jahre alle Gruppen vertreten. Susanne Schaft präsentiert stolz die neuen Buttons der Gruppe mit der Aufschrift "Oma schickt mich". "Die können wir dann den Kindern oder Enkeln geben", sagt sie.

Engagement über Demonstrationen hinaus

Aber nicht nur bei Demonstrationen sind die "Omas" aktiv. In Erfurt sei die Gruppe unter anderem an Schulen zur Demokratiebildung unterwegs, berichtet Wanner-Hopp. Die Gruppe im Wartburgkreis beteilige sich regelmäßig am "Runden Tisch zur Demokratie" und arbeite außerdem an alternativen Protestformen. "Demonstrationen sind hier im ländlichen Raum schwierig, da kommen nicht so viele. Deshalb wollen wir jetzt einen stummen Protest machen und uns mit Schildern mit unseren Forderungen in die Innenstadt stellen, damit die Menschen das im Vorbeigehen lesen", sagt Schaft.

Demonstrantinnen der Bewegung Omas gegen Rechts mit Transparenten
Die "Omas gegen Rechts" sind nicht nur bei Demonstrationen dabei, sondern unterstützten auch die Demokratiebildung in Schulen. Bildrechte: Susanne Schaft

Außerdem würden die Frauen viele persönliche Gespräche führen. "Ich habe deshalb immer das AfD-Wahlprogramm in der Tasche", sagt Ulrike Kinzling, "wenn die Leute das wirklich mal durchlesen würden - das kann doch keiner wollen, dass sich zum Beispiel Frauen wieder den Männern unterwerfen. Für Frauenrechte wurde jahrhundertelang gekämpft".

Zum Ausklappen: Aus dem Grundsatzprogramm der AfD Thüringen

"Die Wertschätzung für die traditionelle Familie geht in Deutschland zunehmend verloren. [...] Die zunehmende Übernahme der Erziehungsaufgabe durch staatliche Institutionen wie Krippen und Ganztagsschulen, die Umsetzung des 'Gender-Mainstreaming'-Projekts und die generelle Betonung der Individualität untergraben die Familie als wertegebende gesellschaftliche Grundeinheit.

Die Wirtschaft will Frauen als Arbeitskraft. Ein falsch verstandener Feminismus schätzt einseitig Frauen im Erwerbsleben, nicht aber Frauen, die 'nur' Mutter und Hausfrau sind. Diese erfahren häufig geringere Anerkennung und werden finanziell benachteiligt. Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur traditionellen Familie als Leitbild."

Furchtlose Frauen

Angst davor, sich öffentlich zu positionieren, hat keine der drei Frauen. "Ich habe bisher keine negativen Erfahrungen gemacht, außer ein paar blöde Sprüche", sagt Wanner-Hopp. "Es hat mal jemand gerufen, dass wir alle auf den Friedhof gehören oder sowas wie, dass wir alten, faltigen Frauen sie nicht aufhalten können", erinnert sich Kinzling.

Sie könne mit sowas gut umgehen, aber sollte es zu viel werden, würde man sich in der Gruppe gegenseitig auffangen und helfen. "Es schwingt aber immer ein bisschen Vorsicht mit, weil wenn man sich aus der Deckung wagt und sich zu erkennen gibt - gerade hier in der Kleinstadt oder auf dem Land, wo einen fast jeder kennt - muss man damit rechnen, dass man vielleicht auch irgendwo angegriffen wird", sagt Kinzling.

Zuwachs erwünscht

Auch in Jena und in Saalfeld-Rudolstadt gibt es aktive Gruppen. Die "Omas" würden sich noch mehr Zuwachs aus der "schweigenden Mitte" oder auch von Frauen mit Migrationshintergrund wünschen. Auf die bevorstehende Landtagswahl schauen sie angesichts der hohen Umfragewerte der AfD mit Sorge, aber fühlen sich dadurch auch angespornt, weiterzumachen. "Wir fühlen uns auch viel wohler damit, dass wir was tun, als wenn wir zu Hause auf dem Sofa weiter sitzen würden - das tut uns nicht gut. Das, was wir jetzt tun, das ist gut für uns und auch ein Ventil für unsere Sorgen und Ängste", sagte Ulrike Kinzling.

Anmerkung der Redaktion: Renate Wanner-Hopp ist auch Direktkandidatin der Grünen für den Wahlkreis Erfurt IV bei der Landtagswahl. Dies haben wir aus Transparenzgründen nachträglich im Artikel ergänzt.

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MDR (uka)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 02. August 2024 | 18:25 Uhr

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