"Thüringer Zustände" Demokratie-Initiativen schlagen Alarm
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17. Juni 2024, 20:12 Uhr
Demokratieprojekte warnen vor einem zunehmenden Einfluss antidemokratischer Kräfte in Thüringen. Proteste würden zwar kleiner, aber die Teilnehmer radikaler. Zudem drohten Kürzungen bei der Demokratiearbeit.
Vertreter von Wissenschaft, Beratungsstellen und Zivilgesellschaft warnen vor Kürzungen bei der Demokratiearbeit. Thüringen bewege sich auf eine Krise der Demokratie zu, sagte Romy Arnold von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus bei der Vorstellung der Aufsatzsammlung "Thüringer Zustände 2023" am Montag in Erfurt.
Die Publikation wird seit 2020 von Thüringer Wissenschaftlern und Beratungsstellen herausgegeben und dokumentiert demokratiegefährdende Entwicklungen. Derzeit drohe den Thüringer Demokratieprojekten eine massive Kürzung der Bundesmittel, sagte Arnold weiter.
Axel Sahlheiser vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena sagte, Antidiskriminierungsarbeit dürfe nicht dem Ehrenamt überlassen werden. Das Beratungsangebot müsse vielmehr ausgebaut und für die nächsten Jahre abgesichert werden.
Ezra: Zahl rechtsextremer Vorfälle im Wahlkampf gestiegen
Franz Zobel von der Thüringer Opferberatung Ezra warnte vor einer weiteren Eskalation rechter Gewalt und Terror. Die Zahl rechtsextremer Übergriffe und Vorfälle sei im Zuge der vergangenen Wahlkämpfe noch einmal deutlich gestiegen.
Ein wesentlicher Treiber für das Erstarken von rechtsextremen, rechtspopulistischen, rassistischen und antisemitischen Tendenzen in Thüringen sei die AfD, wie Autoren von "Thüringer Zustände" deutlich machten.
Mobit: Proteste werden in Thüringen kleiner, aber radikaler
Mit Sorge beobachteten die Autoren eine Radikalisierung von Teilnehmern regelmäßiger Demonstrationen. Die Proteste gegen die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland seien im vergangenen Jahr kleiner, aber auch radikaler geworden. "Wir hatten in der Vergangenheit sehr viel größere Aufmärsche", sagte Arnold vom Demokratieberatungsprojekt Mobit. Diejenigen, die noch immer regelmäßig auf die Straße gingen, täten das heute vor allem aus einer allgemeinen Unzufriedenheit über die politische und gesellschaftliche Lage in Deutschland.
Dabei würden diese Menschen allerdings immer offener Verschwörungserzählungen anhängen, die im "Reichsbürger"-Milieu verbreitet seien. Viele dieser Demonstranten hätten sich zuletzt radikalisiert, sagte Arnold. Es sei deshalb zu beobachten, dass die "Reichsbürger"-Szene gewachsen sei "und jetzt auch deutlich selbstbewusster auftritt als in der Vergangenheit".
Zum Aufklappen: Wer wird als "Reichsbürger" bezeichnet?
Als "Reichsbürger" werden Menschen bezeichnet, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnen. Das Milieu ist vielschichtig, es gibt mehrere Menschen, die sich als Anführer innerhalb der Szene sehen und Anhänger um sich scharen. Sie alle eint aber unter anderem die Ablehnung der demokratischen Ordnung in Deutschland und der Glaube daran, dass die Bundesrepublik "besetzt" sei.
In der aktuellen, 80-seitigen Ausgabe der "Thüringer Zustände" beschreiben die Autoren schließlich, wie sehr der Antisemitismus im Freistaat seit dem Hamas-Terroranschlag auf Israel am 7. Oktober 2023 weitere gesellschaftliche Schichten erreicht hat. Gerade israelbezogener Antisemitismus sei laut Zobel von der Opferberatung Ezra milieuübergreifend seit dem vergangenen Jahr auch in Thüringen explodiert.
MDR (hem/rom)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 17. Juni 2024 | 18:00 Uhr