Vier Lichtbögen auf einem Regal.
Mit der Lichtbogenmanufaktor hat sich Stefan Beerhold einen Traum erfüllt. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Kunsthandwerk Lichtbogenmanufaktur: Wie ein Ex-Vitesco-Mitarbeiter sein Glück in der Selbstständigkeit findet

28. Januar 2022, 20:43 Uhr

Das Aus des Automobilzulieferers Vitesco am Standort Mühlhausen ist besiegelt. Für mindestens 88 der aktuell 143 Mitarbeiter bedeutet das, sich bis Ende 2024 einen neuen Job suchen zu müssen. Techniker Stefan Beerhold hat sich bereits zum Jahreswechsel aus dem Unternehmen verabschiedet. Mit der Abfindung hat der 49-Jährige seine Selbstständigkeit auf sichere Füße gestellt.

Die neue Werkstatt in Grabe im Unstrut-Hainich-Kreis macht Stefan Beerhold glücklich. Auf 100 Quadratmetern kann der 49-Jährige seinen Traum erfüllen: Aus Birkenholz produziert er Licht- und andere Themenbögen sowie Wunschartikel aus Nussbaum.

Bis Jahresende war er Mitarbeiter bei Vitesco am Standort Mühlhausen. Zwei Jahre hat er gemeinsam mit den Kollegen für den Erhalt des Mühlhäuser Standortes gekämpft. Während dieser Zeit ist die Schließung zwei Mal verschoben worden, inzwischen auf Ende 2024.

Einst elf und zuletzt nur noch zwei Anlagen in Betrieb

Stefan Beerhold hat neun Jahre im Mühlhäuser Betrieb gearbeitet. Erst hieß sein Arbeitergeber "Continental", später "Vitesco" . Als er dort als Techniker angefangen hat, gab es noch elf Produktionsanlagen. Zuletzt liefen noch zwei. 2017 hat er ein neues Hobby gefunden. Weil sich seine Frau einen Schwibbogen wünschte, hat er ihr einen gebaut und dabei Spaß an der Holzarbeit gefunden. Ab da verbrachte er zwischen seinen Schichten bei "Continental" viel Zeit im Hobbykeller. Aus rechtlichen Gründen heißen seine Kunstwerke "Lichtbogen".

Blick durch Regel auf Werkstatt.
Inzwischen hat Stefan Beerhold eine richtige Werkstatt. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Nachfrage nach Lichtbögen stieg

Bei diesem ersten Lichtbogen blieb es aber nicht. Er probierte verschiedene Motive aus. Das Mühlhausen-Motiv mit Stadtmauer und Rabenturm bescherte ihm viele Nachfragen. Es folgten weitere Stadtmotive unter anderem von Erfurt, Eisenach und Hannover. 34 verschiedene sind es mittlerweile. Später kamen Themenbögen für Trucker, Fußballer oder andere Vereine hinzu. Beerhold meldete sein Hobby in der "Lichtbogenmanufaktur" als Nebenerwerb an.

Die neue Situation bei Vitesco habe Beerhold erstmals über eine Selbstständigkeit nachdenken lassen. "Die Sicherheit eines Gehaltes hat mich bisher davon abgehalten", blickt er zurück. Man schaut auf den Kalender und weiß, dass man immer älter wird, seien seine Überlegungen gewesen. Trotzdem sei der Entschluss im November recht spontan gefasst worden.

Stefan Beerhold zeigt zwei Lichtbögen.
Die Worte "Gera" und "Erfurt" zieren inzwischen Beerholds Lichtbögen. Die Städte sind nur zwei von einer Vielzahl von Motiven. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

"Es fühlt sich verdammt gut an"

Die Selbstständigkeit fühlt sich verdammt gut an, sagt Beerhold. Ohne die jahrelange Arbeit bei Vitesco wäre die jetzige Selbstständigkeit nicht möglich gewesen. Mit der von ihm und seinen Ex-Kollegen im Arbeitskampf erstrittenen Abfindung hat er sein Firmenfahrzeug und die neuen Laser- sowie Fräsmaschinen bezahlt.

Die Selbstständigkeit fühlt sich verdammt gut an.

Stefan Beerhold

Den Schritt in die Selbstständigkeit habe er nur gehen können, weil er viel Jahre bei "Vitesco" gut verdient habe. Dafür sei er sehr dankbar. Freilich falle jetzt ein Gehalt weg. Aber: Er habe nun ganz viel Zeit für seine Lichtbogenmanufaktur und die Kunden. Viele seiner Ex-Kollegen haben ihn schon in seiner Werkstatt im Mühlhäuser Ortsteil Grabe besucht.

Stefan Beerhold mit Lichtbogen in der Hand.
Für die Herstellung der Lichtbögen werden verschiedene Maschinen und Werkzeuge benötigt. Bildrechte: MDR/Claudia Götze

Knapp 140 Mitarbeiter sind es noch

Bei Vitesco arbeiten im Moment noch 143 Mitarbeiter. Fast die Hälfte kann nach Informationen des Betriebsrates in Altersteilzeit gehen. Übrig bleiben bis Jahresende 88 Kollegen, die das Unternehmen in den nächsten zwei Jahren schrittweise verlassen müssen: Ende 2023 sind es noch 65 und im September 2024 noch 62. Das steht so im Sozialplan, sagt Oliver Walther vom Betriebsrat. Den hatten sich die Vitesco-Leute fast zwei Jahre lang erkämpft, mit Streiks und Demonstrationen.

Vor wenigen Wochen gab es noch einen Hoffnungsschimmer: Ein Investor aus Bayern wollte den Standort in Mühlhausen über das Jahr 2024 hinaus erhalten. Das wollte die Belegschaft nicht. Mehr als 70 Prozent der 88 Befragten stimmte dagegen. Die Belegschaft hatte wohl Angst um die erkämpften Abfindungen. Für sie war mit dem Zukunftsmodell zu viel Ungewissheit verbunden. Am Standort Mühlhausen werden sämtliche operativen Aktivitäten auslaufen beziehungsweise sukzessive bis zum 31. Dezember 2024 nach Bebra in Hessen transferiert, sagte eine Firmensprecherin.

Quelle: MDR

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