Justiz Vorwurf des Betrugs in 5.500 Fällen: Fünf Anwälte angeklagt
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09. April 2024, 19:08 Uhr
Mehrere Anwälte aus Berlin und Thüringen sollen bei bereits geprellten Anlegern mit falschen Erfolgsaussichten kostenpflichtige Mandate erschlichen haben. Es geht um Tausende Fälle bundesweit. Nun stehen die Anwälte in Mühlhausen selbst vor Gericht.
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Vor dem Landgericht Mühlhausen müssen sich seit Dienstag fünf Anwälte wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Betrugs in fast 5.500 Fällen verantworten. Die Staatsanwaltschaft Gera legt den vier Männern und einer Frau zur Last, geschädigten Kapitalanleger neue Verfahren empfohlen und sich dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle verschafft zu haben.
Laut Anklageschrift haben die Rechtsanwälte zwischen 2012 und 2016 fast vier Millionen Euro Schaden verursacht. Sie sollen den Mandanten auch zu Haftungsklagen geraten haben, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Auch ist den Mandanten ein Vergleichsverfahren gegen die Insolvenzverwalter empfohlen worden. Dass diese zustimmen müssen, sei den Geschädigten verheimlicht worden.
Drei Angeklagte waren für eine Kanzlei in Jena tätig, die beiden anderen standen in engem Kontakt zu dieser Kanzlei. Diese warb mit "Anlegerschutz-Kanzlei" und "Kapitalmarkt-Experten".
Vermittlungen über "Verbraucherschutzvereine"
Die Angeklagten im Alter von 43 bis 63 Jahren aus Berlin und Thüringen sollen laut Anklage systematisch vorgegangen sein. Die Verlesung der Anklageschrift dauerte mehr als zwei Stunden bis zum Fall 5.492.
Mithilfe vermeintlich unabhängiger Verbraucherschutzvereine seien geschädigte Anleger von insolventen Banken oder Gesellschaften angeschrieben und so an die Angeklagten vermittelt worden. Die Vereine selbst sollen auf Veranlassung des heute 63-jährigen Hauptangeklagten gegründet worden sein. Unter den Vereinsanschriften sollen sich etwa die Wohnsitze der Eltern und Schwiegereltern des Mannes finden. Auch am Jenaer Kanzleisitz war ein Verein gemeldet.
Mit Ansprüchen auf Schadenersatz gelockt
Die serienmäßigen Schreiben seien bewusst irreführend und manipulativ gewesen und hätten nicht vergleichbare Sachverhalte vermengt, so die Anklage. So sei in manchen Fällen der Eindruck vermittelt worden, dass die geschädigten Anleger Ansprüche auf Schadenersatz hätten. Dem sei aber nicht so gewesen.
Die Geschädigten sollen so unter anderem zur Einleitung von Güteverfahren und verwaltungsrechtlichen Verfahren gebracht worden sein. Auch der Staat sollte angeblich haften, ist aber tatsächlich gar nicht zuständig.
Angeklagten wollten "laufende Einnahmequelle"
Die Angeklagten sollen gewusst haben, dass die angebotenen anwaltlichen Dienstleistungen wirtschaftlich wertlos waren, da keine oder nahezu keine Erfolgsaussichten bestanden. Den Angeklagten sei es lediglich darum gegangen, Honorare und Gebührenforderungen bei den bereits geschädigten Anlegern zu erschleichen und sich so "laufende Einnahmequellen" zu sichern.
Der vorgeworfene Gesamtschaden liegt laut Anklageschrift bei rund 3,9 Millionen Euro. Es gehe um rund 5.500 Mandate. Zu den Taten soll es im Zeitraum von 2012 bis 2016 gekommen sein.
Zusätzlich werden den Angeklagten in einer zweiten Anklageschrift auch Datenschutzverstöße zur Last gelegt. Dabei geht es wieder um geschädigte Anleger. Insgesamt 66.000 Schreiben sind demnach an insgesamt 55.100 Gläubiger gesendet worden. Die Adressen stammten aus einer Akteneinsicht, mit der Belange eines Mandanten nachgegangen werden sollte. Laut Anklage entwickelten sich daraus 400 Mandate von Geschädigten.
Durchsuchungen in mehreren Bundesländern
2017 gab es bereits Durchsuchungen in Zusammenhang mit den Vorwürfen: In 15 Büros und Wohnungen in Thüringen, Sachsen, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg wurden nach damaligen Angaben vier Terabyte Daten und 1.600 Mandantenakten in Papierform sichergestellt. Die Anzeige hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) gestellt.
Die Angeklagten wollen sich gar nicht oder später einlassen, kündigten sie zum Prozessauftakt in Mühlhausen an. Alle Angeklagte beantragten am Dienstag, das Verfahren wegen Verjährung einzustellen. Außerdem beantragte ein Angeklagter, das Verfahren wegen unklarer Aktenlage auszusetzen. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.
MDR (cg/mm), dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. April 2024 | 19:00 Uhr