Podiumsdiskussion Nordhausen: Hitzige Debatten bei Schaulaufen der OB-Kandidaten

31. August 2023, 09:55 Uhr

Eine Frau und fünf Männer stehen auf dem Wahlzettel zur Oberbürgermeisterwahl Nordhausens. Bei einer Podiumsdiskussion an der Hochschule Nordhausens trafen sie das erste Mal gemeinsam aufeinander. Wegen eines Kandidaten heizte sich die Stimmung immer wieder auf.

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Nordhausen hat vor der Wahl des neuen Oberbürgermeisters am 10. September eine große Kandidatendebatte nötig. Das zeigt der Andrang im Hörsaal 1 der Hochschule Nordhausen am Dienstagabend: Die Sitzplätze sind voller Zuschauer, die Menschen stehen auf den Treppen oder am Rand. Hochschulpräsident Jörg Wagner lässt sogar einen zweiten Hörsaal öffnen. Ton und Bild der Debatte wird live nach nebenan gestreamt.

Schon die Anreise auf den Campus verspricht eine hitzige Atmosphäre. Am Studentenclub hängt ein Transparent mit der Aufschrift: "Keine falschen Propheten - Nordhausen nazifrei". Am Eingang zum Hörsaalgebäude verteilen Aktivisten kurze Schriften, wie "Das AfD-Paradox", und im Hörsaal klemmen Flugblätter mit der Überschrift "6 gute Gründe, den falschen Propheten zum Teufel zu jagen". Die Anspielungen auf einen Propheten sind kein Zufall. Als Jörg Prophet von der AfD den Raum betritt, murmelt es zwischen den Sitzreihen.

AfD-Kandidat eröffnet Debatte

Die fünf Kandidaten und eine Kandidatin nehmen nacheinander auf den Stühlen Platz. Moderator Thomas Müller bittet alle Teilnehmer, ihre "Vision" für Nordhausen vorzustellen. Zwei Minuten hat jeder Zeit.

Die Reihenfolge ist bestimmt durch den Platz auf dem Wahlzettel. In Nordhausen steht Jörg Prophet von der AfD ganz oben. Erst danach kommen CDU, SPD, Grüne und FDP. Die Parteilosen stehen ganz unten.

Grund ist das Thüringer Kommunalwahlgesetz. Dieses sieht vor, dass sich der Wahlzettel nach den Partei-Ergebnissen der jüngsten Landtagswahl richtet. Bedeutet, eigentlich müsste ein Kandidat der Linken auf Platz 1 stehen. Die Linke hatte bei der Landtagswahl 2019 das beste Ergebnis. Doch in Nordhausen hat die Linke niemanden nominiert. Die zweiterfolgreichste Thüringer Partei rutscht auf Platz 1: die Alternative für Deutschland. Die Debatte eröffnen darf damit Prophet.

Die Kandidaten stellen sich vor

Prophet ist 61 Jahre alt, Unternehmer und Chef der AfD-Fraktion im Stadtrat. Er wolle das Verhältnis von Stadtrat und Rathaus verbessern, sagt er, und fordert einen besseren Bürgerservice. Außerdem müsse sich die Beziehung zwischen Stadt und Landkreis verbessern. "Der Bürgerwillen muss sich im Rathaus widerspiegeln", erklärt er dem Publikum.

Danach folgt Andreas Trump. Der 57-Jährige ist parteilos, tritt aber für die CDU an, deren Stadtratsfraktion er auch angehört. Trump ist Schulleiter eines Nordhäuser Gymnasiums. Er will eine saubere und sichere Stadt. Besonders sorgt er sich um das Image Nordhausens. Trumps Vision: Nordhausen solle wieder als optimistisch wahrgenommen werden. "Wir müssen Wohnraum anbieten und für Zuzug in die Stadt sorgen", sagt er.

Alexandra Rieger (44) ist bereits amtierende Bürgermeisterin und will als Oberbürgermeisterin das Miteinander stärken. Die Sozialdemokratin will nach eigenen Angaben mit "Kompetenz und Herz" die Stadt regieren. Rieger will die Region stärken und in der Verwaltung wieder mehr auf die Kompetenz der Mitarbeiter vertrauen. Sie will auch mit Erfahrung punkten. "Ich habe selbst Verwaltungswissenschaften an der Hochschule Nordhausen studiert und war eine der ersten Absolventinnen hier", sagt sie.

Für die Grünen tritt Carsten Meyer an. Der 60-jährige setzt sich für Tempo-30-Zonen ein, möchte den Gipsabbau im Südharz beenden und eine Ehrenamtsstrategie entwickeln. Außerdem soll Nordhausen besser per Bahn mit Göttingen, Halle und Erfurt verbunden werden. Meyer war bis 2014 Landtagsabgeordneter.

Mit Stefan Marx schickt die FDP einen bekannten Arbeitsrichter ins Rennen. Marx war bis 2022 Leiter des Nordhäuser Arbeitsgerichts. Dann wechselte er an das Landesarbeitsgericht in Erfurt. Der 62-Jährige will ein Industriegebiet und mindestens ein neuen Baugebiet für Nordhausen. Seine Vision sei eine Stadt, in der man sich wohlfühle. "Ich wünsche mir mehr junge Familien hier und Zuzug von Fachkräften", sagt Marx.

Als letzter darf der amtierende Oberbürgermeister ans Mikrofon. Kai Buchmann, parteilos, ist seit 2017 im Amt. Er ist studierter Betriebswirt und arbeitete zuvor im Südharz-Klinikum. Im März wurde er wegen Mobbingvorwürfen suspendiert, konnte nach einer Gerichtsentscheidung im August wieder ins Amt zurückkehren. Er betont, dass Nordhausen vor dem Jahr 2020 pleite war. Sein Ziel sei, dass Nordhausen finanziell handlungsfähig bleibe. Er will marode Straßen sanieren, Verwaltung und Feuerwehr modernisieren.

Prophet weicht kritischen Fragen aus

Nach den "Visionen" übernimmt das Publikum. Nun sollen Fragen direkt an die Kandidaten gestellt werden. Doch kommunale Themen bleiben an diesem Abend hinter einem Thema zurück: der AfD. Studenten und Hochschulmitarbeiter stellen wiederholt kritische Fragen an Jörg Prophet. Einige seiner Antworten werden mit Buh-Rufen kommentiert. Doch auch seine Anhänger sitzen im Hörsaal und spenden Applaus.

Die Kritik an der AfD sorgt für einen überproportional großen Redeanteil von Prophet. Was er von erwiesen rechtsextremen Politikern seiner Partei halte? Prophet: Eine Oberbürgermeister-Wahl sei eine Personenwahl. Bei strittigen Aussagen müsse man die Politiker selbst fragen. Er selbst bezeichnet sich als "weltoffen, wertkonservativ und mittelstandsorientiert". Aussagen, die jedes Mal für Unruhe im Publikum sorgen.

Auch Prophets Besuch beim Sommerfest des rechtsextremen Compact-Magazins wird hinterfragt. Prophet hatte dafür eine Gesprächsrunde im Nordhäuser Stadtteil Stempeda sausen lassen. Trotz mehrerer Nachfragen begründet der AfD-Mann den Besuch nicht. Er habe sich beim Ortsteilbürgermeister entschuldigen lassen.

Das bewegt Nordhausen am meisten

Leere Plätze in der Innenstadt werden in Nordhausen heiß diskutiert. Deshalb bewegt auch der Blasii-Platz vor der gleichnamigen Kirche die Menschen. CDU-Kandidat Andreas Trump will aus der Brache ein grünes Zentrum machen. Amtsinhaber Buchmann dagegen will auf eine Bürgerbefragung setzen.

Nordhausen ist zwar eine Hochschulstadt, doch die Stadt fühle sich nicht studentisch an. Alexandra Rieger will die Fachkräfte auch in der Verwaltung nutzen. Sie fordert ein Trainee-Programm im Rathaus. Stefan Marx kritisiert, dass die Digitalisierung an den Schulen nicht flächendeckend umgesetzt worden sei. Carsten Meyer wünscht sich eine Bahnverbindung des Ortsteiles Bielen mit Halle. Dann könnten die Hallenser an den Kiesseen baden. Ein Vorschlag, der für Raunen im Publikum sorgt.

Oberbürgermeister sind keine Alleinherrscher

Worin sich alle Kandidaten an diesem Abend einig sind: Oberbürgermeistern sind oft die Hände gebunden. Eine Stadt wie Nordhausen ist oftmals auf Fördermittel angewiesen. Ohne die Zustimmung des Stadtrats könne ein Amtsinhaber sowieso keine Ideen umsetzen.

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MDR (cfr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 30. August 2023 | 19:00 Uhr

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