Parteien "Erwiesen extremistisch": Thüringens Verfassungsschutz beobachtet AfD
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12. Mai 2021, 15:58 Uhr
Der Thüringer AfD-Landesverband wird seit Mitte März vom Thüringer Verfassungsschutz beobachtet. Das geht aus einem vertraulichen Kabinettspapier hervor, das MDR THÜRINGEN vorliegt. Demnach kann der Geheimdienst die AfD auch mit nachrichtendienstlichen Methoden überwachen. Dazu gehören der Einsatz von V-Leuten oder das Abhören von Telefonen.
Nur wenige Monate vor der geplanten Bundes- und Thüringer Landtagswahl am 26. September erhöht sich der Druck auf die Thüringer AfD. Denn das Thüringer Innenministerium hat am Dienstag das Kabinett informiert, dass die Thüringer AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das bedeutet konkret, das alle Mittel und Methoden nach dem Verfassungsschutzgesetz eingesetzt werden dürfen.
Dazu gehören auch sogenannte G10-Maßnahmen, die sich nach dem entsprechenden Paragraphen im Verfassungsschutzgesetz richten. Mit diesem ist es dem Geheimdienst möglich auch V-Leute in der AfD als nachrichtendienstliche Quellen anzuwerben. Zudem können die Agenten auch die Telefone von AfD-Mitgliedern abhören.
Die AfD und der Verfassungsschutz:
Im September 2018 hatte der Thüringer Verfassungsschutz den Landesverband der AfD Thüringen zum Prüffall erklärt. In dieser Vorstufe zur Beobachtung wertete der Geheimdienst offen zugängliches Material aus. Anlass waren u.a. mehrere Redebeiträge des AfD-Landeschefs Björn Höcke etwa zur deutschen Erinnerungskultur ("Denkmal der Schande") oder dessen Teilnahme an den fremdenfeindlichen Protesten in Chemnitz im Sommer 2018.
Im März 2020 wurde die Thüringer AfD zum Verdachtsfall hochgestuft. Seitdem konnten eingeschränkt geheimdienstliche Mittel wie die Überwachung von Telefonen eingesetzt werden.
Gleichzeitig wurde die AfD-Parteiströmung "Der Flügel" als "erwiesen extremistische Bestrebung" eingestuft. Daraufhin lösten die damaligen "Flügel"-Anführer, der Thüringer AfD-Chef Höcke sowie dessen Pendant in Brandenburg, Andreas Kalbitz, die Parteiströmung offiziell auf. Dies bezeichnete der Thüringer-Verfassungsschutz-Chef Stephan Kramer damals als "Nebelkerze".
Im März 2021 erklärte der Thüringer Verfassungsschutz den Thüringer AfD-Landesverband schließlich zur "erwiesen rechtsextremistischen" Bestrebung. Seitdem kann das komplette Arsenal nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa V-Leute eingesetzt werden.
AfD will Widerstandsmilieu schaffen
Diesen Entwicklungen liegt eine neue und aktuelle Bewertung der Thüringer AfD durch das Amt für Verfassungsschutz vor. In dem MDR THÜRINGEN vorliegenden internen Kabinettspapier heißt es, dass "Anhaltspunkte für eine Bestrebung gegen die freiheitlich demokratischen Grundordnung" vorliegen. Das wiederum fordere eine Beobachtung der AfD als "erwiesen extremistisches Beobachtungsobjekt", schreibt der Geheimdienst. Unter anderem begründet der Verfassungsschutz das damit, dass "zentrale Funktionsträger des Landesverbandes" Kontakte in die rechtsextremistische Szene hätten.
Diese Kontakte bestehen laut dem Verfassungsschutz auch aktuell. So pflegten Vertreter des Landesverbandes Verbindungen zu Mitgliedern der sogenannten Neuen Rechten. Darunter seien auch Kontakte zur "Identitären Bewegung Deutschland", die laut Verfassungsschutz erwiesen rechtsextremistisch sei und beobachtet werde. Der Geheimdienst kommt in seiner Analyse zu dem Schluss, dass die Thüringer AfD gemeinsam mit anderen Gruppen politische Prozess über "die Straße"beschleunigen wolle, mit dem Ziel ein "Widerstandsmilieu"zu schaffen.
Flügel besteht intern offenbar weiter
Zudem würde in Texten und Reden auf Formen des klassischen Antisemitismus zugegriffen. Vor allem im Sinne einer "Neubetrachtung der deutschen Erinnerungskultur werden revisionistische Positionen vertreten". Der Verfassungsschutz kommt in seiner Bewertung zu dem Schluss, dass Personen des angeblich aufgelösten Flügels im Thüringer Landesverband weiter aktiv seien und deren Programmtik vertreten werde. Der rechtsnationale Flügel, zu dessen Führungsfiguren unter anderem der Thüringer AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke gehörte, hatte sich formal Ende April 2020 aufgelöst. Der Thüringer Verfassungsschutz kommt in seiner Analyse aber zu dem Schluss, das politische Veranstaltungen des AfD-Landesverbandes weiter für Vernetzungstreffen des eigentlich aufgelösten Flügels dienten.
Verstoß gegen Würde des Menschen
Auch inhaltlich und programmatisch will der Verfassungsschutz Hinweise entdeckt haben, die eine Beobachtung der AfD nötig machen. So weise der Landesverband in der Aussage führender Vertreter eine Relativierung des zentralen Würdeanspruches des Menschen auf, wie er in Artikel 1 des Grundgesetzes festgehalten sei. So werde die "deutsche Staatsangehörigkeit mit einer ethnisch-kulturellen Volkszugehörigkeit gleichgesetzt" und die persönliche Freiheit des Menschen einem Konzept der Volksgemeinsachaft untergeordnet, heißt es in dem Papier. Zudem würden Muslime durch führende Vertreter des Landesverbandes "pauschal herabgewürdigt".
Folgen für Beamte im Landesdienst?
In dem vertraulichen Papier wird auch darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Landesdienst über die Beobachtung der Thüringer AfD informiert werden sollten. So wird empfohlen besonders bei der Einstellungen in die Landesverwaltung diese Informationen der "der Belehrung zur Verfassungstreue" hinzuzufügen. Damit könnte besonders der Druck auf Beamtinnen und Beamten steigen, die Mitglieder in der Thüringer AfD sind. Denn durch die Feststellung, dass die Thüringer AfD eine "extremistisches Beobachtungsobjekt" des Verfassungsschutzes ist, könnte ihre Verfassungstreue und Loyalität in Frage stehen.
AfD will in geheime Landtagsgremien
Hinzukommt, dass die AfD im Thüringer Landtag die zweitstärkste Fraktion ist. Ihr stehen deshalb Sitze in den Gremien zur Überwachung des Verfassungsschutzes zu. Dazu zählt die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), die den Geheimdienst kontrollieren soll. Zudem die sogenannte G10-Kommission, die entsprechende Telefonüberwachungen und Einsätze von V-Leuten genehmigen muss. Alles Instrumente, die der Thüringer Verfassungsschutz nun gegen den AfD-Landesverfand einsetzen darf. Seit Monaten versucht die Fraktion ihre Kandidaten in den Wahlen in die beiden Gremien zu bringen. Bisher ist sie aber an der mehrheitlichen Ablehnung der anderen Fraktionen gescheitert.
Bundes-AfD klagt gegen Beobachtung
Der Thüringer Verfassungsschutz hat den AfD-Landesverband schon länger auf dem Schirm. Bereits im März 2020 stufte die Behörde den gesamten Landesverband als Verdachtsfall ein. Auch in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt werden die jeweiligen Landesverbände der AfD inzwischen als Verdachtsfall eingestuft. Auf Bundesebene darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD bis zum Abschluss eines Eilverfahrens vor dem Kölner Verwaltungsgericht nicht als rechtsextremistischen Verdachtsfall einordnen und beobachten. Die AfD hatte sich noch vor einer möglichen Einstufung als Verdachtsfall vorsorglich an das Gericht gewandt, um diese zu verhindern.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 12. Juni 2021 | 19:00 Uhr
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