Energieversorgung Hochschule Nordhausen baut klimaneutrales Kraftwerk
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26. November 2022, 17:47 Uhr
Die Hochschule Nordhausen will sich zu großen Teilen selbst mit Energie versorgen. In einem alten Kohleheizhaus auf dem Campus soll vor allem klimaneutrale Wärme entstehen. Ein Pilotprojekt unter den Thüringer Hochschulen.
- Die neue Wärmeversorgung ist auf drei Säulen aufgebaut.
- Heizenergie verbrauchen vor allem die Studentenwohnheime, die Mensa und das Rechenzentrum.
- Das neue Kraftwerk soll in Lehre und Forschung eingebunden werden.
Aus dem alten Schornstein ist seit Jahrzehnten kein Rauch aufgestiegen. Der riesige Schlot steht neben dem ehemaligen Heizhaus der Hochschule Nordhausen. Ein Klinkerbau, der sichtlich in die Jahre gekommen ist. Auf dem roten Ziegelstein ist Graffiti gesprüht, das große Fenster hat kein Glas und schwarzer Teer quillt aus den Fugen. In den alten Kohlebunkern wachsen Bäume aus bröselndem Beton.
Das alte Heizhaus wurde in den 50er-Jahren gebaut. Zu DDR-Zeiten verbrannten zwei Heizkessel Kohle, um Wärme für die Ingenieursschule für Landtechnik zu erzeugen. Mit dem Ende der Bildungseinrichtung hatte Mitte der Neunziger auch das Heizhaus ausgedient.
Doch ausgerechnet die Energiewende soll dem Kohlehaus neues Leben einhauchen. Von hier aus sollen die Heizungen in den Seminarräumen und Hörsälen nahezu klimaneutral versorgt werden. Auch ein Anteil Strom soll damit auf dem Campus erzeugt werden. Ein energietechnisches Großprojekt, das im Thüringer Infrastrukturministerium und im Wissenschaftsministerium entwickelt wurde, sagte Professor Viktor Wesselak. Er begleitet das Projekt für die Hochschule Nordhausen.
Ein grünes, aber komplexes Energiesystem
Damit es in den Studentenwohnheimen warm bleibt, soll die neue Versorgung auf drei Säulen stehen. Zum einen soll Wärme in zwei Biomasse-Heizkesseln produziert werden. Einer für Hackschnitzel, der andere für Pellets. Die zweite Säule bildet nachhaltig-produzierte Fernwärme der Stadtwerke Nordhausen. Die Energieversorgung Nordhausen GmbH (EVN) betreibt eine Biomethananlage am Stadtrand, nur wenige Kilometer entfernt. Die dritte Säule ist ein Blockheizkraftwerk, das Strom und Wärme einspeist. Alle drei Komponenten sollen in dem alten Heizhaus unterkommen. Dabei soll die neue Energieversorgung nur noch einen Bruchteil fossilen Gases benötigen.
Klimaneutrales CO2
In den Biomasse-Heizkesseln sollen sowohl Pellets als auch Hackschnitzel verbrannt werden. Dabei entstehe auch weiterhin das Treibhausgas CO2. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied, sagt Professor Wesselak: "Dieses CO2 ist neutral, weil es aus gewachsenen Pflanzen stammt. Diese sind Teil der derzeitigen Umwelt. Das ist ein Unterschied zu fossilen Brennstoffen, wie Öl oder Kohle. Diese sind nicht Teil unseres Kreislaufs. Treibhausgas aus fossilen Brennstoffen wird nach Jahrmillionen zusätzlich in unsere Atmosphäre gepumpt und fördert den Klimawandel", so Wesselak.
Fernwärme für den Notfall
Die größten Wärmefresser des Campus sind da, wo das Leben stattfindet. Die Studentenwohnheime verbrauchen die meiste Wärme. Auch die Mensa ist ein großer Verbraucher, sowie beim Strom das Rechenzentrum mit seinen Computern und Servern.
Die beiden Biomasse-Heizkessel sollen jeweils 300 Kilowatt Wärmeleistung bringen, das Blockheizkraftwerk 100 Kilowatt Wärme und 70 Kilowatt Strom. Das neue System soll im Notfall abgesichert sein. Sollte das grünes Heizhaus ausfallen, kann klassische Fernwärme die Hochschule mit einem Megawatt Leistung auffangen.
Ein geschlossenes Heizsystem
Der Nordhäuser Campus ist zwar klein, das Wärmenetz aber zweigeteilt. Der Nordcampus und Südcampus haben jeweils ein geschlossenes Heizsystem. Der Norden, mit Studentenwohnheimen und Mensa, hat ein eigenen Gaskessel, wie auch der Süden mit Laboren und Hörsälen. Für beide Netze wird bisher getrennt Gas geliefert. Das soll sich ändern. Mit dem grünen Heizhaus sollen beide Wärmenetze zu einem großen Heizsystem verbunden werden.
Die Kosten lassen sich bisher nur Schätzen. Nicht nur die Energieanlagen gehören dazu, sondern auch die Sanierung des Heizhauses. Das Gebäude sei voll mit Öl und Asbest. Diese müssten noch entfernt werden. "Ein mittlerer, einstelliger Millionenbetrag wird hier sicherlich investiert", so Wesselak.
Studenten sollen im Heizhaus lernen
Selbstständig klimaneutrale Energie produzieren - ein Vorhaben, das wie für die Hochschule Nordhausen gemacht ist. Mitarbeiter und Studenten des Instituts für regenerative Energietechnik (in.RET) beschäftigen sich tagtäglich damit, wie Energiesysteme ohne fossile Stoffe funktionieren können.
Die beiden Biomasse-Heizkessel und das Blockheizkraftwerk sollen deshalb in die Lehre und Forschung eingebunden werden. Mit Biomasse-Kraftwerken hat die Hochschule Erfahrung. Forschungsprojekte haben sich etwa mit alternativen Brennstoffen beschäftigt. "Wir haben schon mit Pferdeäpfeln, Stroh und altem Kaffeesatz experimentiert. Der Kaffeesatz hat erstaunlich gute Brennwerte. Allerdings ist Kaffeesatz als Material nicht sonderlich stabil. Wir haben deshalb schon zur Lagerung und dem Transport geforscht", sagt Wesselak.
Drei Jahre bis Fertigstellung
Die neue Energieversorgung soll 2025 an den Start gehen. Nicht nur das denkmalgeschützte Heizhaus bleibe erhalten, auch einer der alten Kohleheizkessel aus DDR-Zeiten. Dieser soll als Industriedenkmal und zu Bildungszwecken dienen. "Auch alte Kohlebunker muss wohl oder übel bleiben. Er ist einfach zu massiv, um ihn abzureißen."
Wie genau das alte Heizhaus mal aussehen könnte, zeigt das August-Kramer-Instituts direkt gegenüber. Ebenfalls ein alter Ziegelsteinbau, der aufwändig saniert wurde. In Zukunft sollen beide Gebäude ein architektonisches Ensemble bilden.
MDR (cfr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 26. November 2022 | 18:00 Uhr
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