Thüringer in der Krise Energiekrise: Warum bei Annett F. die Heizung kalt bleibt
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24. November 2022, 15:25 Uhr
Nach einer Zwangsräumung und gesundheitlichen Problemen hat Annett F. endlich einen neuen Mietvertrag unterschrieben. Jetzt wollte sie einfach in Ruhe leben. Doch dann kam die Energiekrise.
Ihr größter Wunsch für Weihnachten, sagt Annett F., ist, dass es möglichst schnell vorbei geht. Das sei für sie die schlimmste Zeit des Jahres und in diesem Jahr ganz besonders. Für einen Baum hat sie kein Geld und ist ganz allein. Und die Nachrichten im Fernsehen machen ihr Angst. "Immer wieder Krieg, Inflation, Preiserhöhung. Und bei den Hilfspaketen blickt doch niemand mehr durch."
Neustart nach Zwangsräumung
Annett F. wohnt in einem Neubaugebiet am Rand von Weimar, vor einem Monat hat sie ihren Mietvertrag unterschrieben. Und bis dahin war es ein langer Weg. Denn ihre letzte Wohnung hat die 42-jährige durch eine Zwangsräumung verloren. "Wegen Mietschulden", erzählt sie. "Aber inzwischen habe ich alles bezahlt. 1.200 Euro waren das."
Das Problem: Annett F. ist aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, mit Mahnbriefen klarzukommen, sich Informationen aus dem Internet zu holen, Anträge zu stellen oder ihr Geld zu verwalten. Sie hat damals vor allem die Augen verschlossen und stand nach der Zwangsräumung vor den Trümmern ihres Lebens. "Ein paar Sachen konnte ich noch aus der Wohnung rausholen, aber ich wusste einfach nicht, wohin. Das war schrecklich."
Probleme, nach Hilfe zu fragen
Eine Bekannte erzählte ihr von der Wohnungslosen-Hilfe der Caritas, aber für Annett F. war es absolut unmöglich, dort hinzugehen: "Ich bin im Heim aufgewachsen, war immer wieder in verschiedenen Pflegefamilien. Nach allem, was ich da erlebt habe, habe ich ein riesiges Vertrauensproblem."
Schließlich nahm sich die Bekannte die Zeit, mit Annett gemeinsam die Beratungsstelle aufzusuchen. "Die haben viel mit mir geredet. Was alles schief gelaufen ist, wie es weitergehen soll. Das hat mir sehr geholfen." Die Caritas hat dann mit der Weimarer Wohnstätte einen Mietvertrag abgeschlossen und die kleine Wohnung an Annett F. untervermietet.
"Die sah schlimm aus am Anfang", erinnert die sich. "Aber ich hab dann alles frisch tapeziert, Möbel von der Tafel bekommen und jetzt fühle ich mich hier wohl. Und bin auch stolz darauf, was ich geschafft habe."
Sorgen trotz Unterstützung
Unterstützt wird sie inzwischen von einem Betreuer, die Wohnstätte und die Caritas kommen regelmäßig vorbei und weil alles gut läuft, konnte der Mietvertrag jetzt auf Annett F. übertragen werden. Jetzt macht sie sich aber Sorgen, ob alles weiter so gut läuft. "Als es in den letzten Tagen so kalt war, habe ich mich nicht getraut, die Heizung anzumachen. Ich saß dann lieber mit zwei Pullis und einer Decke beim Puzzeln."
Und auch das Einkaufen macht Probleme. 70 Euro kann Annett F. in der Woche ausgeben, bisher hat das auch immer gereicht. "Inzwischen muss ich schon ziemlich aufpassen, dass ich bis Freitag hinkomme."
Als es in den letzten Tagen so kalt war, habe ich mich nicht getraut, die Heizung anzumachen.
Bisher kaum größere Probleme bei Mietern
Barbara Hermle von der Caritas stellt auch fest, dass bei ihren Klientinnen und Klienten Ängste bestehen aufgrund der Situation. Echte Schwierigkeiten sind aber noch nicht aufgetaucht. "Wir rechnen erst im nächsten Jahr damit, wenn die Abrechnungen und Nachforderungen kommen."
Im Moment geht es vor allem darum zu beraten, sagt sie. Zumal ja immer wieder neue Informationen kommen. Aber sie ist stolz auf Menschen wie Annett F., die trotz einer schwierigen Geschichte ihr Leben und ihr Zuhause wieder so gut in den Griff kriegen.
Mitwirken und gemeinsam nach Lösungen suchen
Geholfen hat dabei, erzählt Annett F., dass man ihr zugehört hat. Und dass immer, wenn es wieder einen Rückschlag gab, gemeinsam nach Lösungen gesucht wurde. "Da musste ich nämlich von Anfang an mitwirken. Nichts mit Zurücklehnen und Däumchendrehen und 'die machen das schon'. Man muss da richtig mitarbeiten."
Und das hat am Ende dazu geführt, dass Annett F. wirklich stolz auf sich ist und auf alles, was sie in den vergangenen drei Jahren erreicht hat. Und diese Fähigkeiten und ihr neues Netzwerk werden ihr auch durch die schwierigen nächsten Monate helfen, davon ist sie absolut überzeugt.
Wie kommen Thüringerinnen und Thüringer durch die Energiekrise? MDR THÜRINGEN hat dazu mehrere Menschen, die einen Einblick in ihre aktuelle Lebenssituation geben wollen, befragt und besucht. Weitere Artikel unserer Serie können Sie in den nächsten Tagen auf mdr-thueringen.de lesen.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 24. November 2022 | 16:00 Uhr