Champions League Sieger 2019: RSB Thuringia Bulls
Die RSB Thuringia Bulls nach dem Champions League-Triumph 2019 Bildrechte: MDR/Steffie Wunderl

Rollstuhlbasketball in Elxleben Wider alle Hindernisse: Die Erfolgsgeschichte der Thuringia Bulls

25. Dezember 2019, 05:00 Uhr

Wenn es um Thüringer Spitzensport geht, dann fallen einem Wintersport, Damen-Handball, Tischtennis, Volleyball, Radsport und vielleicht noch Fußball ein. Diese Aufzählung vergisst aber das erfolgreichste Team Thüringens: die RSB Thuringia Bulls. Seit Jahren spielen die Rollstuhlbasketballer aus Elxleben auf nationalem und Weltniveau. Doch die Geschichte ihres Erfolges geht weit über den Sport hinaus: Sie gewährt tiefe Einblicke in unsere Gesellschaft. Und sie ist gespickt mit Anekdoten.

Eine dieser Anekdoten trägt sich im Sommer 2016 zu und beginnt mit einem Telefongespräch: "Hier ist die Kino-Tickethotline, was kann ich für Sie tun?", sagt eine junge Frau in den Hörer. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein gutgelaunter Mann: "Michael Engel mein Name, ich möchte gern zehn Tickets für James Bond am Sonntag reservieren." Engel hat gerade bei den RSB Thuringia Bulls als Trainer angeheuert und plant einen Mannschaftsabend. "Sehr gern, in welcher Reihe möchten Sie sitzen?", fragt die Frau. "Irgendwo mittig wäre gut", sagt Engel, "Hauptsache wir sitzen zusammen. Berechnen Sie acht Tickets bitte für Rollstuhlfahrer."

Trainer Michael Engel
Michael Engel: Trainer, Taktikfuchs und im Alltag eine absolute Frohnatur. Bildrechte: MDR/Franziska Möller

In der Leitung wird es plötzlich ganz still. Dann sagt die Frau zögerlich: "Nein, das geht leider nicht. Im Saal haben wir nur Platz für maximal zwei Gäste im Rollstuhl." Michael Engel bleibt positiv: "Kein Problem, wir kriegen das schon hin." Doch die Frau lässt sich nicht darauf ein. "Nein Sie verstehen nicht, wir haben definitiv kein Platz für acht Rollstühle!" Am Telefon entwickelt sich eine Diskussion, die geprägt ist von Einwänden, die von Brandschutz, besonderen Bedürfnissen behinderter Menschen, bis hin zu Anweisungen vom Geschäftsführer handeln. "Wissen Sie was?", sagt Engel schließlich bestimmt, "Vergessen Sie die Rollstühle. Reservieren Sie mir einfach nur zehn Sitzplätze in einer Reihe." Dann legt er auf.

Eine filmreife Vorstellung

Natürlich war MDR THÜRINGEN bei diesem Gespräch nicht dabei und kennt die Details dieser Anekdote nur aus Erzählungen. Doch sie steht exemplarisch für die RSB Thuringia Bulls und wohl auch für eine Gesellschaft, die nicht nur physische Barrieren für Behinderte bereithält, sondern auch psychische: "Ich habe noch nie in meinem Leben das Wort "Nein" so oft gehört, wie an diesem Sonntag", erinnert sich Spieler Andre Bienek an den Kinobesuch 2016. Der gebürtige Westfale erzählt die Geschichte gern. Anschaulich berichtet er davon, wie acht Rollstuhlfahrer zunächst die Rolltreppe zum Kino lahmlegen, ehe sie vom Kinopersonal fast angefleht werden, die reservierten Tickets nicht abzuholen.

Tatsächlich wird für viele Kinobesucher dieser Sonntag im Sommer 2016 zu einem unvergesslichen Erlebnis. Nicht wegen der Vorführung des neuen James Bond, vielmehr weil sie Zeuge werden, wie acht Gehbehinderte sich zum Teil im Handstand auf ihre Sitzplätze begeben, während zwei Fußgänger damit beschäftigt sind, acht Rollstühle übereinander zu stapeln. Nämlich dort, wo sonst nur "maximal zwei Gäste im Rollstuhl" stehen dürfen. Das begeisterte Publikum johlt und applaudiert, noch ehe der Film angefangen hat.

Das Problem ist, dass wir Behinderten immer als Menschen betrachtet werden, die arm sind, weil wir etwas nicht können. Doch wir sind weder arm, noch brauchen wir Mitleid.

Andre Bienek, Spieler

Andre Bienek (re) im Gespräch mit Hubert Haber.
Andre Bienek (re.) erklärt Nachwuchsspieler Hubert Haber, worauf er als neuer Spieler im Training achten sollte. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Wie Borussia Dortmund gegen Bayern München

Mitleid wäre auch völlig fehl am Platz, denn die RSB Thuringia Bulls sind ein Team von Spitzensportlern, die den Rollstuhlbasketball in Deutschland professionalisiert und verändert haben. Acht Titel, darunter zwei Mal der Gewinn der Champions League, in den vergangenen vier Jahren untermauern das eindrucksvoll. Keines ihrer Spiele im Jahr 2019 haben die Bullen aus Elxleben verloren. Ihre Siegesserie von inzwischen 51 Spielen in Folge (Stand 23.12.2019) ist im Mannschaftssport außergewöhnlich.

Selbst die Fachpresse ist begeistert: "Die Motivation dieser Mannschaft ist einfach unglaublich, sie geben immer Vollgas", sagt Martin Schenk vom Rollt.-Magazin. Der Chefredakteur des Rollstuhlbasketball-Magazins freut sich über den Zweikampf an der Ligaspitze. Denn die RSB Thuringia Bulls haben die jahrelange sportliche Vorherrschaft des RSV Lahn-Dill gebrochen. Es sei ein bisschen wie Borussia Dortmund gegen den FC Bayern München, sagt Schenk. Der Vergleich liegt nahe, denn Lahn-Dill ist als GmbH mit zahlungskräftigen Sponsoren gesegnet und ist mit 13 Meisterschaften in 29 Jahren RBBL (Rollstuhlbasketball-Bundesliga) der mit Abstand erfolgreichste Club.

Trainingspiel Thuringia Bulls
Acht Mal pro Woche trainieren die Thuringia Bulls für den Erfolg. Hinzu kommen zwei Videositzungen und diverse Einzeltrainings. Bildrechte: MDR/Andreas Kehrer

Die RSB Thuringia Bulls sind hingegen der sympathische Underdog, der mit einem Jahresetat von 200.000 EUR nur einen Bruchteil der finanziellen Möglichkeiten hat und diesen Nachteil mit Willen und Leidenschaft wettmacht. "Ausschlaggebend sind für diesen Erfolg zwei Personen", erklärt Schenk, "zum einen Trainer Michael Engel, der einen athletischen und schnellen Rollstuhlbasketball spielen lässt, wie er bis dato unbekannt war und die kontinuierliche Arbeit von Manager Lutz Lessmann."   

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