Soziales Weimarer Tafel wieder eröffnet - mit neuen Böden, Kisten und Preisen

05. Dezember 2023, 12:04 Uhr

Die Tafel Weimar war seit 20. November geschlossen, um das Gebäude reparieren und sanieren zu können. Seit Dienstagmittag ist wieder geöffnet, auch wenn noch nicht alles fertig ist. Allerdings wird es ein völlig neues System zur Verteilung der Lebensmittel geben - und die Preise steigen.

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Kaputte Fußböden, ein undichtes Dach, der Aufenthaltsraum und die Toiletten für die Mitarbeiterinnen verschlissen - seit Langem war die Tafel Weimar renovierungsbedürftig. Zumindest die dringendsten Baustellen konnten jetzt in Angriff genommen werden.

In allen Räumen wurde gefliest und gestrichen, das Gebäude ist eingerüstet, der Kran steht auf dem Hof, um das Dach zu reparieren. Wegen des Schnees der vergangenen Tage konnte damit allerdings noch nicht begonnen werden.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: "Während der Fußboden und die Renovierung in den Innenräumen durch Förderung finanziert wurde, klafft bei der Dachreparatur ein großes Finanzloch", sagt Bettina Schmidt, Geschäftsführerin des Betreibers Diakonie Landgut Holzdorf.

"Es entstehen Kosten von etwa 60.000 Euro und wir wissen noch nicht, wie diese Summe bezahlt werden soll", ergänzt Tafel-Teamleiter Marco Modrow. Er bittet um Unterstützung und hofft auf Spender und Sponsoren.

Neues Verteilsystem für Lebensmittel

Auch ein ganz anderes Problem soll mit der Wiedereröffnung angepackt werden: Wie die Verteilung der gespendeten Waren organisiert wird. Denn bei der Tafel legt man schon immer großen Wert auf Gerechtigkeit. Das heißt, dass nicht die ersten zehn Kunden freie Wahl haben und wer zuletzt an der Reihe ist, muss nehmen, was übrig bleibt.

In Weimar wurde bisher mit einem Nummernsystem gearbeitet. Die Tafelgäste zogen Nummern, die die Reihenfolge festlegten, in der die Kunden bedient wurden.

Pro Tag kommen etwa 80 Menschen her. Wer also eine höhere Nummer gezogen hat, konnte später wiederkommen oder da bleiben und warten. In jedem Fall sollte so gesichert werden, dass alle etwas bekommen, die an dem Tag die Tafel aufgesucht haben.

Immer wieder Kritik am Nummern-System

Entsprechend der Nummern konnten die Kunden die Räume betreten und Lebensmitteln in den Regalen aussuchen. Allerdings sorgte das für viel Unruhe, da der Hof immer voll war. Nicht alle waren mit ihrer Nummer zufrieden. Auch an der Ausgabe gab es immer wieder Diskussionen.

Wenn beispielsweise nur zehn Ananas da waren und die Mitarbeiterinnen diese an Familien mit Kindern ausgeben wollten, konnten viele Kunden nicht verstehen, warum ihnen die Früchte vorenthalten wurden.

Darüber hinaus sorgte die steigende Zahl der Tafelgäste für immer mehr Aufwand für die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen an der Ausgabe.

Unzufriedenheit an der Lebensmittel-Ausgabe

Die Mitarbeiterinnen mussten auch im Auge behalten, wie viele Lebensmittel vorhanden sind, welche Tafelgäste da sind und dann die Lebensmittel dementsprechend zuteilen. "Wenn es wenig Joghurt gibt, kriegen den die Familien. Ein Alleinstehender, der dann dasteht, versteht das nicht, warum er den Joghurt, der dasteht, nicht bekommen kann", erzählt Tafel-Leiter Marco Modrow. Den Ärger darüber bekamen die Mitarbeiterinnen ab. Dazu kamen oft noch die Sprachbarrieren. "Das ging einfach nicht mehr so weiter".

Neues System in Ilmenau "abgeschaut"

Lange hatte das Tafel-Team nach einer besseren Lösung gesucht und hatte dann bei einem Besuch der Tafel Ilmenau ein System mit Kisten gesehen, das überzeugte.

Künftig werden vor Öffnung der Ausgabe Kisten gepackt, in denen jeweils ungefähr das Gleiche enthalten ist. Der Wert des Inhalts liegt zwischen 50 und 80 Euro, sagt Bettina Schmidt, "aber meist näher an den 80 Euro".

Eine Kiste mit Lebensmitteln auf einem Tisch, dahinter mehrere Boxen.
Bis zur letzten Minute wurde gestrichen, geputzt und wieder eingeräumt, damit am Dienstag wieder geöffnet werden konnte. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Wer einen Tafel-Pass hat, bekam in Weimar bisher, je nach Familiengröße, ein- bis dreimal pro Woche Lebensmittel. Auch das mussten die Mitarbeiterinnen an der Ausgabe berücksichtigen. "Die Kisten sind jetzt unabhängig von der Personenzahl", so Schmidt.

Alleinstehende können einmal pro Woche eine Kiste bekommen und Familien zweimal pro Woche. Die Kisten selbst bleiben im Haus. Der Inhalt wird in die mitgebrachten Taschen umgepackt.

"Und es soll eine Art Tausch-Tisch eingerichtet werden", erzählt Schmidt. Falls jemand also keinen Rosenkohl mag und den gegen den Wirsing von jemand anderem tauschen möchte. Das passierte bisher oft hinter dem Haus und soll künftig etwas geregelter ablaufen.    

"Und wenn man irgendetwas überhaupt nicht mag oder verträgt, kann man das einfach in der Kiste liegen lassen und es wird weniger weggeworfen", ist Schmidt überzeugt.

Sogar einen Namen hätten die Kisten, erzählt sie: "Else. Das steht für essen, leben, stärken, ermutigen. Und vielleicht ist es für manche Menschen auch einfacher, zu sagen, ich hole mir heute meine Else, als zu sagen, ich gehe heute zur Tafel".

Besonders intensive Kommunikation in den ersten Wochen

Dem Tafel-Team ist durchaus bewusst, dass das neue System weniger individuell ist. Für Bettina Schmidt geht das aber nicht anders in einer Zeit mit immer mehr Tafelgästen und weniger Ehrenamtlichen. "Die Umstellung wird dauern. Und da bitten wir natürlich auch alle Tafelgäste um etwas Geduld. Wir sind eine lernende Organisation, wir müssen uns allen gemeinsam diese Zeit geben."

Mehr Unterstützung braucht die Tafel in Weimar aber trotz des neuen Systems. Es fehlen ehrenamtliche Mitarbeiter, sagt Bettina Schmidt. "Zum einen für das alltägliche Geschäft, zum anderen aber auch Ehrenamtliche, die in der Lage sind, auch mal ein Team anzuleiten oder eine organisatorische, strukturelle Aufgabe zu übernehmen."

Preise steigen deutlich an

In der Umstellungsphase auf das neue Verteilsystem sehen Schmidt und Modrow ihre Mitarbeiterinnen noch einmal besonders gefordert. "Wir müssen den Leuten ja erstmal alles erklären. Und wir rechnen auch mit Diskussionen wegen der neuen Preise".

Denn die Kisten werden zum Preis von acht Euro ausgegeben. Bisher konnte mit einem Tafelpass für zwei Euro bei der Tafel eingekauft werden.

Blumensträuße liegen auf einem Tisch.
Während die frische Farbe noch trocknet, waren am Montag schon die ersten Spenden eingetroffen. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Bettina Schmidt: "Es wird da sicherlich Kritik geben. Wir haben uns aber viele Gedanken gemacht zum Preis. Aber die Kiste ist sehr groß und die Preise sind überall gestiegen. Und wenn ich dann hochrechne, was ich gespart habe, ist es immer noch sehr günstig." Außerdem sind auch für die Tafel die Kosten höher geworden - Benzin, Nebenkosten, Energie.  

Die Tafel soll es so lange wie möglich geben, das ist klar.

Bettina Schmidt

"Unser Defizit in der Tafel ist größer geworden aufgrund der vielen Ausgaben. Wir machen ja mit der Tafel keinen Gewinn. Aber das Defizit ein Stück geringer zu halten, ist unser Ansatz, denn die Tafel soll es so lange wie möglich geben, das ist klar."

Tafel ist mehr als nur Lebensmittel-Ausgabe

Und anders als bei anderen Tafeln seien in Weimar auch Mitarbeiter eingestellt worden, sagt sie. "Weil wir ganz deutlich gesagt haben, nur mit sozialpädagogischer Betreuung können die Ehrenamtlichen gute Arbeit machen und den Stress bewältigen."

Tafel in Weimar.
Die Adventszeit ist für viele Tafel-Gäste eine besondere Herausforderung. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Und auch die Gäste der Tafel brauchen oft weit mehr als einfach nur Lebensmittel. Ende November wurden allein bei der Weimarer Tafel 900 Kinder und 1.600 Erwachsene betreut. Und das Team befürchtet, dass es bis Weihnachten noch einige mehr werden könnten.

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 05. Dezember 2023 | 12:30 Uhr

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