Obermayer Award 2024 Christoph Mauny aus Weimar für Erinnerungsprojekt geehrt
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29. Januar 2024, 19:00 Uhr
Der Weimarer Christoph Mauny kämpft kreativ gegen Erinnerungslücken. Für sein Engagement ist er am Montagabend in Berlin mit dem Obermayer Award ausgezeichnet worden. Was Mauny so besonders macht: Er beteiligt Kinder und Jugendliche aktiv und mit zeitgemäßen Mitteln - etwa beim digitalen Denkmal für die von den Nazis zerstörte Synagoge in Gotha oder mit dem Schulprojekt zum KZ-Außenlager Ohrdruf.
- Seine besonderen Erinnerungsprojekte startete der Weimarer Christoph Mauny mit der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha.
- Dass er junge Leute aktiv beteiligt und mit zeitgemäßen Mitteln arbeitet, zeichnet sein Engagement aus.
- Der Obermayer Award wird alljährlich von einer gleichnamigen US-Stiftung in Berlin vergeben.
Der Name Christoph Mauny aus Weimar hat es bis in die USA geschafft. Genauer gesagt: bis in die Region von Boston. Joel Obermayer ist begeistert von der Arbeit des 40-Jährigen. Mauny sei der perfekte Preisträger, weil er "echte Erinnerungsarbeit" leiste und die Geschichte jüdischer Gemeinden in Deutschland verknüpfe mit den Problemen von heute, mit "Vorurteilen und Antisemitismus".
Bevor Christoph Mauny vom Anne Frank Zentrum in Berlin für den Preis vorgeschlagen wurde, hatte Joel Obermayer bereits von dem außergewöhnlichen Ansatz und den innovativen Erinnerungsprojekten des Thüringers gehört. Dass die Wahl auf Mauny fiel, begründet Obermayer außerdem so: "Es gibt viele Arten über diese Themen zu sprechen, die sich aus gutem Grund schwer und schrecklich anfühlen. Aber für diese Auszeichnung ist uns jemand wie Christoph wichtig: Denn man kann nicht seine Arbeit sehen und nicht voller Hoffnung sein!"
Erinnerungsarbeit auf Schloss Friedenstein
Zwischen Goethe-Nationalmuseum und Anna Amalia Bibliothek arbeitet Christoph Mauny als Bildungsreferent an der Weimarer Mal- und Zeichenschule. Geboren in Sömmerda, wuchs er auf dem Dorf auf, sein Großvater war Landwirt. Mauny studierte und promovierte in Tübingen, kehrte dann zurück nach Thüringen.
Ausgerechnet durch seine Arbeit im barocken Schloss Friedenstein in Gotha und für die zugehörige Stiftung kam Mauny zur Erinnerungskultur. Die Sammlungen gingen weit über die im Rampenlicht stehenden Schätze hinaus, betont er: "Es gibt zum Beispiel die größte regionalgeschichtliche Sammlung Thüringens, es gibt die Stadtgeschichtliche Sammlung Gothas. Mir war es wichtig, Themen aus dem Schatten zu holen."
Digitales Denkmal für Synagoge von Gotha
Ein Beispiel für seine Arbeit handelt von der Zerstörung der Synagoge in Gotha durch die Nationalsozialisten. Ein Denkmal und eine Fassadenprojektion erinnern an das Gotteshaus. Heute steht ein Einkaufszentrum an Ort und Stelle. Gemeinsam mit Jugendlichen hat Christoph Mauny zusätzlich ein 360-Grad-Video gedreht und der Synagoge somit auch ein digitales Denkmal gesetzt, unter dem Titel "Die Gothaer Synagoge lebt".
Seine Arbeit kam nicht immer gut an: "Es war auf jeden Fall ambivalent", erzählt er. "Es gab Unterstützende und es gab Skeptiker und auch Gegner. Und zwar überall." Doch die Begeisterung der Lehrkräfte und Jugendlichen überwiege eigentlich immer, erklärt er weiter. Und genau das zeichnet seine Arbeit aus, dass er eben diese Begeisterung für Erinnerungskultur und jüdisches Leben entfachen kann – und Nähe herstellt. Mauny selbst spricht von dem Versuch, die Jugendlichen "abzuholen, in ihren Themen, in ihren Lebenswelten wo sie gerade sind".
Mit diesen und weiteren Projekten ermutigt und befähigt er junge Menschen, sich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus zu engagieren.
Beim Projekt "Die Gothaer Synagoge lebt" ging das über Sprache. Schulen in der gesamten Region suchten hebräische oder jiddische Vokabeln heraus, die wir auch heute noch im Alltag benutzen - Begriffe wie Schmusen, Kaff, Zocken, Großkotz, Macker. Das Wissen darum sei wichtig, weil die Vernichtung jüdischen Lebens bis heute leider wirkungsmächtig sei, so Mauny. Durch derartige Projekte bekomme Geschichte einen anderen Twist: "Es war dann plötzlich nicht mehr fremd", schildert Mauny den Aha-Effekt: " Wow, dann ist es doch nicht tot zu kriegen zum Glück! Also die Nazis waren nicht erfolgreich.“
Schulprojekt zum KZ Ohrdruf: "Das verpufft nicht"
Maunys Arbeit ist gewissermaßen das Gegengift zum Faschismus und den Nationalsozialisten, die Andersdenkende entmenschlichen wollen. Seine Erinnerungsarbeit stellt Menschlichkeit wieder her. 2022 startete er das Projekt "Deutsche Erinnerungslücke KZ Ohrdruf", es war eines von 140 Außenlagern des KZ Buchenwald. Von dessen Existenz erfuhr Mauny selbst erst 2019.
Im Entstehen ist dazu ein besonderes Denkmal als multimediales Projekt konzipiert bis ins Jahr 2100. Schulklassen recherchieren und digitalisieren die Namen und Biografien der Opfer. Wichtig sei immer, dass den Jugendlichen etwas von der Auseinandersetzung mit dem Thema bleibe, so Mauny. Angesichts von 300 Listen und 20.000 Häftlingen aus ganz Europa die konkreten Namen und Informationen einzutippen, "das verpufft nicht, sondern das bleibt", ist sich Mauny sicher.
Obermayer Award als Auftrag
Aus seiner Sicht ist es notwendig, Geschichtsunterricht und Kunst zu verbinden – und in die Öffentlichkeit zu gehen. So entstehen auch diesmal kleine Kunstwerke, die dann an öffentlichen Orten gezeigt werden sollen. Eine Gesellschaft baut an diesem Denkmal gedanklich, so formuliert es Christoph Mauny. Öffentlichkeit herstellen, sei dabei das A und O. Demokratie müsse man eben groß denken. Joel Obermayer betont mit Blick auf die Auszeichnung, Mauny engagiere sich "an Orten, in Gemeinden, in denen die extreme Rechte sehr stark ist und wo Erinnerung oft verpönt ist, wo es ein politischer Akt ist: zu erinnern. In dieser Hinsicht ist seine Arbeit sehr wirkungsvoll."
Es ist notwendig, Geschichtsunterricht und Kunst zu verbinden (...) und Öffentlichkeit herzustellen!
Für Christoph Mauny aus Weimar ist der Obermayer Award eine wichtige Bestätigung seiner Arbeit und ein klarer Auftrag: Weiter so!
Mehr über den Obermayer Award
Die Obermayer-Stiftung und Widen the Circle (USA) verleihen jedes Jahr im Januar die Obermayer Awards an Bürgerinnen und Bürger, die einen herausragenden Beitrag zur Wahrung des Gedenkens an die jüdische Vergangenheit leisten.
Die Auszeichnung wurde 2000 von Dr. Arthur S. Obermayer (1931-2016) und seiner Frau Dr. Judith H. Obermayer ins Leben gerufen.
Quelle: MDR KULTUR (Linda Schildbach)
Redaktionelle Bearbeitung: ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. Januar 2024 | 17:10 Uhr