Ein Gemälde in goldenem Rahmen: Es zeigt einen Strand mit Meer, an dem eine Person mit Stock von hinten zu sehen ist. 8 min
Das Bild "Fischer am Meer" ist nicht von Caspar David Friedrich. Hören Sie Annette Ludwig, Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar, im Gespräch mit Stefan Blattner. Bildrechte: Klassik Stiftung Weimar
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Untersuchungen der Klassik Stiftung Weimar haben ergeben, dass das Gemälde "Fischer am Meer" nicht von Caspar David Friedrich ist. Ein Gespräch mit Annette Ludwig, Leiterin der Klassik Stiftung.

MDR KULTUR - Das Radio Mi 20.11.2024 17:10Uhr 07:59 min

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Enthüllung Gemälde "Fischer am Meer" ist nicht von Caspar David Friedrich

20. November 2024, 19:05 Uhr

Zum Abschluss des Caspar-David-Friedrich-Jubiläums wird in Weimar ab Freitag die Schau "Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar" gezeigt. Doch noch vor ihrer Eröffnung sorgt die Ausstellung für einen Paukenschlag. Denn ein Gemälde, das bislang dem Romantiker zugeschrieben wurde, soll laut Auskunft der Klassikstiftung gar nicht von ihm stammen. Annette Ludwig, Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar, gibt im Interview mit MDR KULTUR Auskunft.

MDR KULTUR: Frau Ludwig, bislang galt das Gemälde "Fischer am Meer" als ein Original von Caspar David Friedrich. Jetzt aber sind Sie zu dem Schluss gekommen, dass ein anderer Künstler das Bild gemalt haben muss. Was sind die Gründe?

Annette Ludwig, Direktorin der Museen der Klassik Stiftung Weimar: Es gab schon lange Zweifel an diesem Bild. Die Geschichte dahinter ist folgendermaßen: Als Gunstbeweis für den sogenannten Führer haben Reichsstatthalter und wichtige Akteure der NS-Diktatur Geschenke gesucht – für Adolf Hitler zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 1939. Und man hat gewusst, dass Hitler sich besonders für die Kunst des 19. Jahrhunderts interessiert. Caspar David Friedrich war nach seiner Neuentdeckung schon nicht mehr auf dem Markt.

Drei Frauen sehen auf eine Buch
Annette Ludwig von der Klassik Stiftung Weimar, Dagmar Korbacher vom Berliner Kupferstichkabinett und Stefanie Buck vom Dresdner Kupferstich-Kabinett betrachten das "Karlsruher Skizzenbuch" von Caspar David Friedrich. Bildrechte: SPK/Liesa Johannssen/photothek.de

Doch wie es sicherlich auch heute noch der Fall ist: Wenn man an etwas glaubt und es unbedingt so haben möchte, dann verschließt man auch die Augen. Kurz und gut: Über eine Berliner Galerie ist dieser "Fischer am Meer" angeboten worden. Es ist aber dann, weil es länger gedauert hat, nicht dazu gekommen, dass Hitler dieses Werk in Besitz genommen hat. Es verblieb in der Reichsstatthalterei in Weimar, kam dann gegen Kriegsende ins Depot und später in die Kunstsammlungen. Und dort ist es inventarisiert worden.

Wenn man an etwas glaubt und es unbedingt so haben möchte, dann verschließt man auch die Augen.

Annette Ludwig Museen der Klassik Stiftung Weimar

Wir haben jetzt im Zuge unserer Ausstellung dieses Gemälde untersucht und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die lange bezweifelte Zuschreibung tatsächlich zu einer Abschreibung führt. Denn: Es ist eine abweichende Maltechnik. Für Caspar David Friedrich ist ganz symptomatisch, dass er eigentlich mit Unter-Zeichnungen gearbeitet hat, die auch durchscheinen – das fehlt komplett.

Ein helles, historisches Gebäude mit einem Turm
Gestrandet in der Klassik-Stadt: Das Gemälde "Der Fischer" sollte für Adolf Hitler in Berlin angekauft werden und verblieb in Weimar. Bildrechte: Klassik Stiftung

Dann ist auch der Bildträger für Friedrich recht ungewöhnlich: Es handelt sich bei unserem Bild um Pappe. Und auch die Komposition ist nicht typisch. Und dann schaut man sich in der Forschung auch die Rückseiten von Werken mal ganz genau an. Es gab einen Nachlassvermerk, der aber Wischspuren aufweist, so dass man vermuten kann, dass vielleicht in fälschender Absicht Spuren verwischt worden sind.

Wie kam es denn dann dazu, dass das Gemälde so lange Caspar David Friedrich zugeschrieben wurde, wenn es so viele Anhaltspunkte gibt, dass es nicht von ihm stammt?

Die Anhaltspunkte sind eigentlich jetzt erst durch die Anwendung kunsttechnologischer Expertise gemeinsam mit kunstwissenschaftlicher Expertise dingfest zu machen. Man hat es damals vermutet, aber konnte es noch nicht beweisen. Jetzt kann man praktisch durch Infrarotreflektogramme und so weiter Dinge sichtbar machen, da hat man damals noch gar nicht dran gedacht.

Bei dem NS-Kontext liegt die Vermutung nahe, dass es sich um Raubkunst handeln könnte. Wissen Sie etwas über den wahren Urheber des Bildes?

Nein, das haben wir noch nicht herausgefunden. Es sind auch weitere Forschungen über diese Berliner Galerie notwendig. Es ist aber nicht sicher, ob man das jemals erforschen kann. Deshalb ist Provenienzforschung in den Museen auch ein so wichtiges Thema.

Schillermuseum in Weimar
Die Ausstellung im Schiller-Museum Weimar zeigt bewusst auch den "falschen" Caspar David Friedrich. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Die Schau "Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik" zeigt nun diesen falschen Caspar David Friedrich. Warum haben Sie das Bild eigentlich nicht aussortiert?

Weil es ganz wichtig ist, eben auch Museumsarbeit abzubilden. Wir zeigen auch eine Neuentdeckung und begründen, warum wir jetzt eine Zuschreibung vornehmen konnten. Vor dem Hintergrund, dass durch die AfD wieder eine Instrumentalisierung Caspar David Friedrichs erfolgt, ist es ganz, ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass Friedrich schon in der NS-Zeit instrumentalisiert worden ist – als sogenannter deutscher Künstler, der das angebliche deutsche Wesen so einfühlsam dargestellt hat. Es ist sehr wichtig, dass wir dieses Bild zeigen und wirklich akribisch darlegen, wie man eine solche detektivische Arbeit macht und welche Erkenntnisse daraus resultieren.

Vor dem Hintergrund, dass durch die AfD wieder eine Instrumentalisierung Caspar David Friedrichs erfolgt, ist es ganz wichtig, darauf hinzuweisen, dass Friedrich schon in der NS-Zeit instrumentalisiert worden ist.

Annette Ludwig Klassik Stiftung Weimar

Abgesehen vom falschen Caspar David Friedrich: Was macht die Schau in Weimar bemerkenswert?

Wir sind der Höhepunkt und der Schlusspunkt dieses 250. Geburtstags. Wir haben eine ganz eigene Ausstellungsthese, eine spezifisch Weimarer Fragestellung.

Eine Büste des Dichters und Denkers Johann Wolfgang von Goethe
Das Verhältnis von Friedrich und Goethe muss neu bewertet werden – so zeigt es die Ausstellung in Weimar. Bildrechte: picture alliance / dpa | Uwe Zucchi

Wir untersuchen das Verhältnis zwischen Friedrich und Goethe. Und wir kommen durch Werke und auch durch Archivarien zu dem Schluss, dass man die oft kolportierte Brüchigkeit der Beziehung relativieren muss. Dass Goethe sehr wohl informiert war über das, was Caspar David Friedrich gemacht hat. Dass Weimar ein authentischer Friedrichort ist und dass Friedrich im ersten Jahrzehnt seines Schaffens durch die Protektion auch von Goethe einen wirklichen Karriereschub erfahren hat. Man kann vielleicht auch plakativ sagen: "Wo alles begann." So ist ja der Titel der großen Ausstellung in Dresden. Das muss man relativieren. In Weimar hat die Karriere einen entscheidenden Schub bekommen.

Die Ausstellung ist vom 21. November bis zum 2. März 2025 im Weimarer Schiller-Museum zu sehen.

Weitere Informationen zur Ausstellung:

"Caspar David Friedrich, Goethe und die Romantik in Weimar"
Zu sehen vom 21. November bis zum 2. März 2025
Schiller-Museum, Weimar
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von  9.30 – 18 Uhr
Ticketpreise für die Sonderausstellung:
Erwachsene 6€, ermäßigt 4€, Schüler (16–20 Jahre) 2€
Website hier

Quelle: MDR KULTUR (Stefan Blattner), Redaktionelle Bearbeitung: lm

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 20. November 2024 | 17:10 Uhr

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