Starke Frauen Ute Dörfler - Bewährungshelferin mit Leidenschaft
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08. März 2020, 05:00 Uhr
Jährlich werden etwa 5200 Menschen durch die Justizsozialarbeiter in Thüringer betreut. Eine dieser Bewährungshelferinnen ist Ute Dörfler. Und das seit fast 16 Jahren. Wie viele Menschen sie in dieser Zeit betreut hat, kann sie nicht sagen. Man muss Menschen mögen, um eine gute Bewährungshelferin zu sein, findet Ute Dörfler. Aber, welche Qualifikation braucht man noch? Was sind eigentlich ihre Aufgaben?
Seit fast 16 Jahren arbeitet Ute Dörfler jetzt in der Bewährungshilfe. Oder, wie es offiziell heißt: Bei den Sozialen Diensten in der Justiz. Kennengelernt hatte sie diese Arbeit schon während ihres Studiums in Jena. Und war sofort begeistert.
Weil es aber nach ihrem Abschluss zunächst keine freien Stellen gab, fing sie erstmal als Familienhelferin an. Und auch wenn das eine sehr spannende Aufgabe war, blieb das Interesse an der Bewährungshilfe. Und nach Stationen in Erfurt, Apolda und Sömmerda konnte Ute Dörfler dann 2013 in Weimar anfangen.
Um diesen Job zu machen, musst du vor allem Menschen mögen.
Um Resozialisierung geht es den Bewährungshelfern. Die ihnen anvertrauten Menschen werden übrigens als Probanden bezeichnet, das ist ein Fachbegriff aus der Rechtssprache.
Betreuungsschlüssel viel zu hoch
Im Durchschnitt werden jährlich etwa 5200 Menschen durch die Justizsozialarbeiter in Thüringer betreut. Bei Ute Dörfler sind das zwischen 80 und 90. Fachleute halten das für viel zu viele. Der zuständige Sachgebietsleiter Thomas Jakob sagt dazu: "Nach meiner persönlichen und fachlichen Einschätzung sollte aufgrund der Entwicklung des Klientel und dessen Problemlagen die Belastung pro Justizsozialarbeiter im Durchschnitt bei 65 Probanden liegen."
Viele Aufgaben, viele Vorurteile
Im Gegensatz zu gängigen Vorstellungen weiß Ute Dörfler nicht immer, wo sich ihre Probanden aufhalten. In der Regel gibt es einmal im Monat ein Gespräch. In Notfällen natürlich öfter.
Ihre Arbeit besteht im Grunde aus zwei Teilen: Kontrolle und Hilfe. Und diese beiden Teile sind manchmel schwer unter einen Hut zu bekommen. Auch die Angehörigen überschätzen die Möglichkeiten der Bewährungshilfe oft, wenn sie fordern, den Betreffenden hier "in die Spur zu bringen". Ute Dörfler sagt dazu: "Ich kann ja niemandem etwas vorschreiben. Die Leute müssen schon selber ihre Schlüsse ziehen. Erst dann kann ich helfen."
Am Anfang der Zusammenarbeit steht immer ein Gespräch. Ute Dörfler versucht zunächst, den Menschen kennenzulernen, der ihr da gegenübersitzt. "Wie ist er in diese Situation gekommen, wie müsste sein Leben sein, damit sich etwas ändert?" Aber da die Probanden ja auf Weisung des Gerichts hier sein müssen, ist es nicht immer leicht, an sie ranzukommen. "Die Erfahrung hilft da sehr", stellt Ute Dörfler fest.
"Hilfe zur Selbsthilfe" oft erschwert
Etwa 30 Prozent ihrer Probanden kommen aus der Haft. Da würde sie sehr gerne schon länger die Entlassung vorbereiten, öfter ins Gefängnis fahren. Aber es fehlt die Zeit. Denn sie macht Hausbesuche, begleitet die Menschen zu Gerichtsverhandlungen, zu Anhörungen oder zum Jobcenter.
Auch bei der Wohnungssuche versucht sie zu helfen. "Aber auch da kann ich bestenfalls vermitteln und beraten. Auch mal mit im Internet suchen. Aber eine aktive Begleitung bei der Wohnungssuche ist nicht möglich." Und das ist etwas, was sie sich sehr wünschen würde: Übergangswohnungen für aus der Haft Entlassene, damit die in Ruhe suchen könnten und nicht von Kumpels abhängig sind.
Als "Zwangskontext" bezeichnet Ute Dörfler das Kennenlernen ihrer Probanden. Denn die kommen ja nie freiwillig. Allerdings wird die Bewährungshilfe schon vorrangig als unterstützend wahrgenommen. "Aber es gehört eben auch dazu, deeskalierend zu wirken, wenn jemand mit großem Frust hier ankommt", sagt sie. Und sie kann diesen Frust ziemlich oft verstehen: "Oft werden die Menschen nur als Knackis gesehen, aber das ist eben lediglich ein Aspekt ihrer Biografie, das ist nicht der ganze Mensch." Die Vorurteile der Leute sieht sie als großes Problem. Schließlich möchte niemand von vornherein abgestempelt werden.
Ehrenamtliches Engagement
Neben ihrer Arbeit engagiert sich Ute Dörfler intensiv in der Arbeitsgemeinschaft der Thüringer Bewährungs- und Gerichtshelferinnen. (ATB e.V.). Sie ist Vorsitzende und Landessprecherin. Vor allem geht es um den Austausch , um Weiterbildungen und auch darum, ohne den Dienstweg zu beachten, Forderungen und Fragen ans Ministerium richten zu können.
Traumberuf trotz Schwierigkeiten
Eigentlich hat Ute Dörfler sich immer gewundert, dass manche Kollegen mehr als 20 Jahre als Bewährungshelfer arbeiten. So lange in einem Beruf? Noch dazu in einem so anstrengenden? Inzwischen kann sie das total nachvollziehen. Und ihr geht es selber nicht anders.
Die Komplexität der Aufgaben sorgt dafür, dass es nie langweilig wird. Und sie freut sich über Erfolge ihrer Probanden: "70 Prozent oder mehr beenden das Ganze positiv, machen eine wirklich gute Entwicklung durch." Manchmal kommen sogar Leute nach Abschluss der Bewährungszeit, um sie nach einem Rat zu fragen. Es gibt sogar welche, die nach Jahren anrufen oder vorbeischauen um zu erzählen, wie ihr Leben läuft. Das sind irgendwie die Höhepunkte ihrer Arbeit. Aber manchmal gibt es auch ein leises Bedauern, denn bei manchen würde sie gern wissen, was aus ihnen geworden ist.
Partner für Anwälte und Gerichte
Die Bewährungshilfe ist oft bei Verhandlungen dabei und wird auch angehört. Ute Dörfler kann dann berichten, was sie beobachtet. Sie spekuliert nicht und kann auch nichts schönreden. Ob sie dabei immer 100 Prozent neutral ist, weiß Ute Dörfler nicht: "Ich sehe den Probanden aus einer ganz anderen Perspektive. Nehme Entwicklungen wahr, die das Gericht manchmal nicht sehen kann. Aber es gibt auch Fälle, die sind mit den Mitteln der Bewährungshilfe nicht zu erreichen."
Das ist ein richtig schwieriger Job. Ich hab große Hochachtung vor den Bewährungshelfern. Die sind häufig die einzigen, die versuchen, etwas Positives für den Angeklagten zu finden. Selbst wenn Freunde und Familie sich schon abgewandt haben.
Inwieweit die Meinung der Bewährungshelfer in die Urteile eingeht, ist sehr abhängig vom Richter, sagt Ute Dörfler. "Manche legen großen Wert auf die Einbindung der Bewährungshilfe, andere sind nicht so interessiert daran."
Ute Dörfler jedenfalls kann sich keinen anderen Beruf mehr vorstellen. Natürlich muss sie sich immer wieder selber gut beobachten. Es ist schwierig, auf der einen Seite Vertrauen zu den Probanden aufzubauen und auf der anderen Seite immer die Grenzen im Blick zu behalten.
Du musst halt wirklich gut auf dich aufpassen. Aber das lernst du mit jedem Berufsjahr besser.
Zahlen und Fakten zur Bewährungshilfe in Thüringen
In Thüringen sind derzeit 66 Justizsozialarbeiter (Bewährungshelfer) und 25 Mitarbeiter der Serviceeinheiten (Geschäftsstellen) tätig. Die arbeiten in 16 Außen- und 8 Zweigstellen. Grundsätzlich kann man sagen, überall dort, wo in Thüringen ein Amts- oder Landgericht ist, ist auch eine Außen- bzw. Zweigstelle der Sozialen Dienste in der Justiz.
Die rechtliche Grundlage für die Arbeit der Justizsozialarbeiter findet sich im Strafgesetzbuch (StGB) und der Strafprozessordnung (StPO). Die oberste Dienstbehörde für die Sozialen Dienste in der Justiz ist das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Durch das TMMJV wurde die Dienst- und Fachaufsicht an das Thüringer Oberlandesgericht übertragen.
Bereits seit 1999 sind die Sozialen Dienste in der Justiz beim Thüringer Oberlandesgericht angesiedelt. Hier gibt es ein eigenes Sachgebiet, das sich um die Belange der Bediensteten kümmert. Die Sozialen Dienste in der Justiz sind in drei Regionalbezirke (Mitte, Ost, West) aufgeteilt. Jedem Regionalbezirk steht ein Regionalleiter vor, der die Fachaufsicht ausübt. Das heißt, in den einzelnen Außenstellen arbeiten die Mitarbeiter gleichberechtigt.
Ein Justizsozialarbeiter arbeitet auftragsbezogen. Das bedeutet, er arbeitet in der Regel auf Grundlage eines Beschlusses eines Gerichts oder einer Staatsanwaltschaft. Das beschlussgebende Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft ist dem Justizsozialarbeiter (bezogen auf den Auftrag) weisungsberichtigt.
Aufgaben und Ziele der Bewährungshilfe
Eine Freiheitsstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, ebenso wie eine bereits teilweise verbüßte Gefängnisstrafe, kann vom Gericht zur Bewährung ausgesetzt werden. Für die Dauer der Strafaussetzung zur Bewährung unterstellt das Gericht den Verurteilten häufig der Aufsicht und Leitung eines durch richterlichen Beschluss bestellten Bewährungshelfers. Die Inanspruchnahme einer Bewährungshilfe wirkt sich im Regelfall so aus, dass ein vorzeitiger Straferlass begünstigt wird.
Bei Jugendstrafen gilt dieses Instrument grundsätzlich.
Ziel der Bewährungshilfe ist es, die Integration in die Gesellschaft zu unterstützen und weiteren Straftaten vorzubeugen. Gelingt das, wird dem Verurteilten die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.
Die zweite Hauptaufgabe ist die Überwachung der vom Gericht den Probanden auferlegten Auflagen und Weisungen. Bei Verstößen gegen Auflagen oder bei neuen Straftaten kann die gewährte Aussetzung der Freiheitsstrafe widerrufen werden.
Was leistet die Gerichtshilfe?
Die Gerichtshilfe erforscht die Persönlichkeit und das Umfeld des Täters, die Ursachen und Beweggründe für die Tat sowie die Aussichten und Ansatzpunkte für eine künftige geordnete Lebensführung. Ihre Beteiligung kommt in Betracht, wo der Einsatz von Mitteln der Sozialarbeit besondere Erkenntnisse verspricht und in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des Falles steht.
Justizsozialarbeiter unterstützen die Staatsanwaltschaft und das Gericht insbesondere bei der Ermittlung der Umstände, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen einer Tat von Bedeutung sind. Des Weiteren werden sie bei der Vorbereitung von Entscheidungen im Zusammenhang mit der Strafvollstreckung, in Gnadensachen sowie Täter-Opfer-Ausgleichen herangezogen. Die Unterstützung bei der Ableistung gemeinnütziger Arbeit stellt ein zusätzliches Arbeitsgebiet dar.
Was bedeutet Führungsaufsicht?
Die Führungsaufsicht greift, wenn jemand länger als zwei Jahre in Haft war und nicht vorzeitig entlassen wurde. Sie hat den Zweck, gefährliche und rückfallgefährdete Täter in ihrer Lebensführung in der Freiheit über kritische Zeiträume hinweg durch Auflagen und Weisungen mit Hilfe des Justizsozialarbeiters zu unterstützen und zu überwachen.
Das heißt, sowohl der Besserungs- als auch der Sicherungsgedanke kommen hier zum Tragen. Der gefährliche und rückfallgefährdete Täter erhält zum einen professionelle Unterstützung durch den Justizsozialarbeiter auf seinem Resozialisierungsweg und zum anderen soll die Allgemeinheit vor weiteren möglichen Straftaten geschützt werden.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt | 31. Juli 2019 | 20:15 Uhr