Prozess Mädchen aus Ukraine stirbt nach Unfall auf A4 - Angeklagter verurteilt
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21. Juni 2023, 16:47 Uhr
Gut ein Jahr nach einem tragischen Unfall in Thüringen ist nun ein Urteil gefallen. Eine Familie war im Mai 2022 bei ihrer Flucht aus der Ukraine auch über die A4 gefahren und hatte wegen gesundheitlicher Probleme auf dem Standstreifen gehalten. Ein Autofahrer fuhr gegen das Fahrzeug, ein sechsjähriges Mädchen verlor bei dem Unfall sein Leben. Im Gerichtssaal äußerten sich nun auch Zeugen zum Hergang.
Nach einem tödlichen Unfall auf der A4 in Thüringen ist der Verursacher zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Bei dem Unfall im vergangenen Jahr war ein sechsjähriges Mädchen aus der Ukraine gestorben, Eltern und Bruder wurden verletzt.
Wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen soll der 62-Jährige nun 180 Tagessätze zu je 60 Euro zahlen, so die Richterin im Urteil am Amtsgericht Erfurt am Mittwoch. Damit ging sie über die Forderung von Staatsanwältin und Nebenklägervertretung hinaus. Die hatten 100 Tagessätzen à 60 Euro gefordert.
Kein Strafverfahren der Welt könne das Geschehen auch nur annähernd richten, hieß es in der Urteilsbegründung. Es handle sich um eine menschliche Tragödie, an der auch der Angeklagte sein Leben lang schwer zu tragen habe. "Das Mädchen, das durch den Unfall getötet wurde, hatte das Leben noch vor sich", sagte die Vorsitzende Richterin.
Ich versuche, meinen Alltag zu meistern, spüre aber ständig eine Leere.
Die Verteidigerin hatte in ihrem Plädoyer gesagt, dass ein Urteil wegen fahrlässiger Tötung allein schon Strafe genug für ihren Mandanten sei. Sie hatte daher gefordert, von einer juristischen Strafe abzusehen. Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägervertretung signalisierten aber, keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.
Ukrainische Familie schwer getroffen
Bei dem Unfall war vor einem Jahr auf der A4 ein sechsjähriges Mädchen getötet worden. "Ich versuche, meinen Alltag zu meistern, spüre aber ständig eine Leere", übersetzte eine Dolmetscherin für den aus der Ukraine stammenden Vater. "Es ist sehr schwer für uns", sagte der 39-Jährige weiter. Seine Frau kämpfe mit Depressionen. Das Auto der Familie hatte auf dem Standstreifen der A4 bei Erfurt gestanden, als der Unfall geschah.
Vorwurf der fahrlässigen Tötung
Angeklagt war ein heute 62-Jähriger. Der Mann aus dem sächsischen Meerane war im Mai 2022 auf das Fahrzeug der ukrainischen Familie geprallt.
Zum Prozessauftakt hatte er gesagt, dass er vermutlich kurz vor dem Aufprall von der Sonne geblendet worden sei. Er sagte aus, dass er zuvor ohne Spurwechsel auf der rechten Spur unterwegs gewesen sei. An das eigentliche Unfallgeschehen könne er sich nicht mehr erinnern.
Weiter gab er an, dass er seit 1990 wöchentlich von Meerane nach Ludwigshafen pendle. Dabei fahre er immer mit Tempo 110 und Tempomat, um Sprit zu sparen. Er sei kein Raser. Seit dem Unfall ist er in psychologischer Betreuung und arbeitsunfähig.
Zeugin widerspricht der Darstellung
Zeugen widersprachen dieser Darstellung. Eine Zeugin gab an, sie sei vom Unfallverursacher überholt worden, obwohl sie selbst schon 140 km/h schnell gewesen sei. Eine Frau, die ebenfalls zum Unfallzeitpunkt mit ihrem Auto auf der Autobahn unterwegs gewesen war, sagte aus, dass sie den Unfallwagen beobachtet hatte. Dieser sei nach einem Überholmanöver so weit auf die rechte Spur gefahren, dass er mit dem abgestellten Auto der Familie des getöteten Mädchens zusammenstieß.
Es tut mir alles so fürchterlich leid.
Ein Gutachter, der ebenfalls als Zeuge aussagte, schloss einen technischen Defekt als Unfallursache aus. Am Auto des Unfallverursachers habe er keine Mängel feststellen können, sagte er vor Gericht. Kurz vor dem Aufprall habe es eine Gefahrenbremsung gegeben, das zeige die kurze aber kräftige Bremsspur.
Angeklagter bedauert das Geschehen
Zuvor war im Gerichtssaal der Kondolenzbrief des Angeklagten an die ukrainische Familie verlesen worden. Darin bedauerte der 62-Jährige das Geschehen und sprach sein "tiefstes Mitgefühl" aus. An den Vater gerichtet, entschuldigte er sich: "Es tut mir alles so fürchterlich leid", sagte der Angeklagte.
Familie war auf der Flucht aus der Ukraine
Bei dem Unfall war die Familie des Mädchens auf der A4 bei Erfurt auf der Flucht aus der Ukraine. Laut Anklage hatte die Mutter das Auto auf dem Standstreifen mit blinkenden Warnlichtern abgestellt, da der jüngere Bruder des Mädchen Atemprobleme bekommen hatte.
Bei dem Zusammenstoß wurde das Auto der Familie gegen die Schutzplanke geschleudert. Dabei erlitt die sechsjährige Tochter ein Schädelhirntrauma und starb später im Krankenhaus. Die Mutter wurde schwer verletzt, der Vater und der jüngere Bruder leicht.
MDR (kir/co)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 21. Juni 2023 | 11:00 Uhr