Soziales Kinder gesucht: Erfurter Kita bietet freie Betreuungsplätze per Kleinanzeige
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05. Juli 2023, 10:28 Uhr
Mindestens ein Jahr im Voraus mussten in Erfurt Eltern ihr Kind für einen Kindergartenplatz anmelden. Das hat sich geändert: Nun suchen erste Kitas Kinder für die Betreuung. Die Kindertagesstätte Spielhaus-Geratal in Stadtteil Bischleben geht dabei einen ungewöhnlichen Weg.
Mindestens ein Jahr im Voraus, am besten schon während der Schwangerschaft sollen Eltern Kindergartenplätze für ihren Nachwuchs anfragen - so die Empfehlung in den vergangenen Jahren. "Bisher mussten wir wirklich viele Kinder ablehnen", sagt Sascha Richter, Erzieher in der Kindertagesstätte Spielhaus-Geratal im Erfurter Stadtteil Bischleben.
Doch in diesem Jahr kam es anders: "Bis zum Stichtag hatten sich so wenige Kinder bei uns angemeldet, dass wir handeln mussten", so Richter. Mitte Juni hatte der Kindergarten eine Anzeige beim beim Internetportal "Kleinanzeigen" eingestellt. Die Idee kam von einer Kollegin, die etwas Ähnliches bei Facebook entdeckt hatte.
Keine Kinder - kein Geld
"Freie Kitaplätze" lautet der Titel des Inserats. In der Beschreibung wirbt der Kindergarten für freie Betreuungsplätze für Kinder ab zwei Jahren ab September dieses Jahres - also vor allem für Kurzentschlossene. "Wir dachten uns, eine Internetanzeige kostet nichts, wir probieren es einfach", sagt der Erzieher.
Sollten sich nicht genügend Kinder für das kommende Kindergartenjahr anmelden, müssten Richter, seine Kolleginnen und Kollegen bei den Stunden um rund 25 Prozent heruntergehen. "Wir müssten dann auf 30 Stunden oder so runter. Oder es müsste jemand entlassen werden. In Zeiten der Inflation kommt das wirklich schlecht", so Richter. Bisher wurde die Anzeige mehr als 170 Mal angesehen. "Gemeldet hat sich darauf bis jetzt noch keiner", sagt Rebecca Mann, Leiterin beim Spielhaus-Geratal.
Für die Kita Werbung zu machen, ist wirklich schwierig. Die Eltern sollten einfach hinkommen, sich das Gelände angucken, die Räume, wie die Erzieher mit den Kindern umgehen und danach eine Entscheidung treffen.
Wie es zu dem Einbruch bei den Anmeldungen kam, können sich Leiterin und Erzieher nicht richtig erklären. Zum einen würden gerade viele Plätze frei werden, weil rund ein Drittel der aktuell betreuten Kinder in die Schule kommt. Aber es gibt noch andere Vermutungen: "Wir haben hier schon eher eine ländliche Lage. Viele Erfurter überschätzen auch den Fahrtweg bis nach Bischleben", sagt Mann. Viele würden eher was in der Nähe suchen und weniger individuell auf die Bedürfnisse der Kinder und die Angebote der Einrichtungen schauen, ergänzt Kollege Sascha Richter.
Außerdem würden auch schneller die Plätze gewechselt, beispielsweise wenn ein Geschwisterkind in einem anderen Stadtteil zur Schule geht. "Sicher haben aber auch die Geburtenrückgänge damit zu tun", sagt Richter. Auch von Kollegen aus anderen Einrichtungen habe er gehört, dass die Nachfrage nach den Plätzen zurückgeht.
Städtische Kitas gut ausgelastet
Insgesamt gibt es in Erfurt 109 Kindertageseinrichtungen - allesamt einsehbar im Kita-Online-Portal der Stadt. Hinzu kommen rund 63 Tagespflegestellen. Damit gibt es in Erfurt rund 10.250 Kindergartenplätze sowie 300 Plätze in der Tagespflege. Die 18 kommunalen Kindergärten sind nach Angaben der Stadt derzeit zu rund 95 Prozent ausgelastet. Demnach sei die Nachfrage in den vergangenen Jahren unverändert hoch geblieben. Doch aufgrund der sinkenden Geburtenrate erwartet auch die Stadt einen leichten Rückgang des Bedarfs an Kindergartenplätzen. Über Schließungen wegen eines Überangebots, wie sie bereits in Weimar diskutiert wurden, denke man in Erfurt aber nicht nach.
Viele Plätze kurzfristig verfügbar
Beim Blick ins städtische Kitaportal zeigt sich allerdings: Nicht nur in Bischleben gibt es kurzfristig freie Plätze. Wenn man testweise für ein im Juli 2021 geborenes Kind einen Platz ab kommenden September sucht, werden für insgesamt 14 Kindergärten freie Plätze angezeigt - darunter auch städtische Einrichtungen. Sind die Zeiten also vorbei, in denen schon Jahre vorher nach Kindergartenplätzen gesucht werden muss? Sascha Richter ist sich unsicher: "Die Geburten sind zwar zurückgegangen, aber ich glaube, es schwankt", sagt er.
Wie will der Kindergarten in Bischleben künftig mit diesen Schwankungen umgehen? "Für die Kita Werbung zu machen, ist wirklich schwierig. Die Eltern sollten einfach hinkommen, sich das Gelände angucken, die Räume, wie die Erzieher mit den Kindern umgehen und danach eine Entscheidung treffen", meint der Erzieher. Von Werbung mit bestimmten Konzepten wie Kneipp oder Montessori hält er nicht viel. "Die sind meistens sehr starr und schränken in der Praxis ein, wenn man sich nur daran orientiert", findet Richter. Er ist selbst Vater.
Arbeit mit dem Therapiehund
Leiterin Rebecca Mann hat aber seit einigen Jahren eine andere Idee für ihren Kindergarten: "Ich habe einen Hund, den ich gerne zum Therapiehund ausbilden lassen möchte", sagt sie. Der würde dann als Teil des pädagogischen Teams mit im Spielhaus-Geratal "arbeiten".
Ansonsten spreche die Einrichtung für sich: Ein familiäres Umfeld, Fokus auf Bewegung und gesunde Ernährung, Förderung von freiem Spielen, Obst- und Gemüseanbau im eigenen Garten der Einrichtung und Weiteres zählen die Leiterin und der Erzieher auf. In einer Internetanzeige sei die Atmosphäre des Kindergartens nur schwer abzubilden - "aber einen Versuch war es wert", meint Erzieher Sascha Richter.
MDR (co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 09. Juli 2023 | 18:05 Uhr
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