Sanierungsstau Fast jede zweite Brücke in Erfurt ist marode
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13. November 2022, 19:51 Uhr
Erfurt ist eine der brückenreichsten Städte Deutschlands - doch jede zweite Brücke muss dringend saniert oder neu gebaut werden. Weil das Geld dafür fehlt, lässt die Stadt die Brücken engmaschig kontrollieren.
Jede zweite Brücke in Erfurt ist so marode, dass sie dringend saniert oder sogar neu gebaut werden müsste. Das bestätigte der Leiter des Erfurter Tiefbauamts Alexander Reintjes auf Anfrage von MDR THÜRINGEN.
Aus Geldnot nur Kontrollen statt Neubau
Die Thüringer Landeshauptstadt ist mit 262 Brücken eine der brückenreichsten Städte Deutschlands. Die Vielzahl der Brücken wird jedoch zu einem finanziellen Problem: Allein für 29 Brücken bräuchte die Stadt rund 60 Millionen Euro, schätzt Reintjes. Denn diese seien von 1950 bis 1990 mit Spannstahl gebaut worden, der sich nicht so verhält, wie man das von üblichem Stahl erwartet. Mit der Zeit werde dieser Stahl spröde und reiße irgendwann. Weil das Geld für Neubau oder Komplettsanierung fehlt, müssen die Brücken, um eine Lebensgefahr auszuschließen, engmaschig kontrolliert werden. Jeder Riss ist kartografiert.
Dem Problem der Spannungsrisskorrosion kamen die Fachleute erst nach dem 21. Mai 1980 auf die Schliche. Damals brach der Dachkragen der (West-)Berliner Kongresshalle auf ganzer Länge ab. Christian Gräner vom Tiefbau- und Verkehrsamt Erfurt sagte, danach sei das Ganze näher untersucht worden. Es habe sich herausgestellt, dass in bestimmten Stahl-Chargen von bestimmten Bauwerken die Gefahr des vorzeitigen Versagens des Stahls vorkommen kann.
Sperrungen für wichtige Verkehrsadern möglich
Aufgrund solcher Mängel darf über manche Erfurter Brücke schon länger kein Lkw mehr rollen. Andere könnten bald komplett gesperrt werden. Der Zustand der Erfurter Brücken reiche von "geht grad noch so" bis "katastrophal", sagte Tiefbauamtsleiter Reintjes.
"Begegnungsverbot" für Straßenbahnen
Gefährdet sind demnach auch vielbefahrene Brücken und Brücken mit Straßenbahnverkehr. Zwar befürchtet der Tiefbauamtschef nicht, dass Brücken einstürzen. Handlungsbedarf sieht er dennoch. 2024 soll laut Reintjes der Bau der Brücke in der Schwarzburger Straße angegangen werden. Zusätzlich habe die Stadtverwaltung nun auch die drei großen Brücken auf dem Schirm, welche die Straße der Nationen überspannen. Dort sei die Brücke mit Straßenbahnverkehr die kritischste, da diese wohl nie auf derart viel Gewicht ausgelegt war. Die Straßenbahnen seien heute deutlich größer und damit schwerer. Um die Belastung zu verringern, wurde ein "Begegnungsverbot" für die Erfurter Trams ausgesprochen - sie dürfen sich auf der Brücke nicht treffen.
In der Nordhäuserstraße sind es gleich drei Brücken nebeneinander, die bereits Verschleißspuren zeigen. Auch die Brücke am Talknoten, am Urbicher Kreuz, alle Bauwerke über die Hannoversche Straße und einige mehr seien betroffen. Insgesamt schätzt die Behörde den Investitionsbedarf an allen Brücken auf 250 Millionen Euro.
Vorort Vieselbach wartet seit mehr als zehn Jahren auf Brückensanierung
Im Erfurter Ortsteil Vieselbach wartet Ortsteilbürgermeister Christian Poloczek-Becher seit über einem Jahrzehnt darauf, dass die denkmalgeschützte Brücke am Alten Graben saniert wird. Sie sei ein wichtiger Zugang zur Kirche, zum Kindergarten und zum Jugendtreff, ist aber schon seit Jahren baufällig. Das Geländer sei morsch, das Steinwerk brösele, die Traglast sei bereits von 12 auf neun Tonnen herabgesetzt worden. Poloczek-Becher bedauert, leider sei das Thema marode Brücken in Erfurt momentan nur ein Randthema im Stadtrat. Er befürchtet, dass man sich erst dem Problem bewusst wird, sobald die Brücke gar nicht mehr befahrbar ist.
MDR (ask)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. November 2022 | 19:00 Uhr
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