Bettensteuer in Erfurt Zehntausende Seiten Papier: Wenn Hotels Steuern eintreiben müssen
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04. Juni 2023, 05:00 Uhr
Steuern sind wenig beliebt, vor allem bei denen, die sie zahlen müssen. Doch auch Steuereintreiber sind nicht zu beneiden. Das gilt insbesondere für Hotels, die in fünf Thüringer Kommunen eine Bettensteuer kassieren müssen. Das bedeutet nicht nur Mehrarbeit, sondern auch unzufriedene Gäste. Besonders deutlich zeigt sich das in Erfurt.
"Ich habe die Seiten nie gezählt, aber wir haben sie mal gewogen: Es waren 2,8 Kilogramm." Wenke Schniegler ist seit zwei Jahren Rezeptionschefin im Hotel "Das Kehrs" auf dem Erfurter Petersberg. Täglich ärgert sie sich über die Erfurter Bettensteuer, durch die der Hotelfachfrau jede Menge Papierkram entsteht - nämlich etwa 2,8 Kilogramm pro Quartal (das entspricht ca. 600 Seiten Papier). Dabei ist "Das Kehrs" mit nur 34 Zimmern ein eher kleines Hotel in der Thüringer Landeshauptstadt.
Papierkram ohne Ende
Zum Vergleich: Das "Radisson Blue" am Juri-Gagarin-Ring ist das größte Hotel am Platz, hat 284 Zimmer und liefert laut der Verkaufschefin jährlich mehrere Gigabyte eingescannte Papierdokumente bei der Erfurter Stadtkämmerei ab. Ja, richtig gelesen: Die Dokumente werden zwar als digitaler Scan eingereicht, müssen aber vorher auf Papier gedruckt und handschriftlich ausgefüllt werden, weil es die Stadt, seit der der Einführung der Bettensteuer 2011, nicht geschafft hat, den Vorgang vollständig zu digitalisieren.
Dass auf diese Weise jährlich Zehntausende Seiten Papiermüll entstehen, ist wenig verwunderlich, denn Erfurt zählt etwa eine halbe Million Übernachtungsgäste pro Jahr (472.377 waren es 2022). Jeder Tourist zahlt die Bettensteuer, die in Erfurt "Kulturförderabgabe" (KFA) genannt wird, mit der Hotelrechnung. Ausgenommen sind Geschäftsreisende, die aber eben schriftlich erklären müssen, dass sie für berufliche Zwecke in Erfurt sind.
Die Bettensteuer ist ein Zeitfresser
Die aufwendige Dokumentation und die stichprobenartigen Kontrollanrufe der Stadt bei Gästen sind nur zwei Ärgernisse, die die Bettensteuer mit sich bringt. "Es ist ein erhebliche Aufwand - allein durch das fortwährende Erklären", klagt Uta Kehr, die Geschäftsführerin des Hotels auf dem Petersberg. "Es gibt immer Rückfragen und wir müssen den Gästen erklären, was die Kulturförderabgabe ist." Ihre Rezeptionschefin Wenke Schniegler nickt eifrig: "Wir haben in guten Wochen 15 bis 25 Check-Ins jeden Tag. Da hält dieses Formular auf. Das ist am Tag mindestens eine bis anderthalb Stunden, die wir mit Erklären oder dem Ausdrucken, Abheften und teilweise Vorausfüllen der Formulare für regelmäßige Geschäftsreisende verplempern", so Schniegler.
Größere Hotels in Erfurt sprechen sogar von mehr als zwei Arbeitsstunden, die sie täglich für die Bettensteuer aufbringen müssten. Wohlgemerkt in einer Branche, die seit Corona einen beispiellosen Arbeitskräftemangel erlebt. Mehrere Erfurter Hotels hat MDR THÜRINGEN zur Bettensteuer befragt. Alle waren spürbar entnervt von der "KFA", wie sie die Hoteliers nennen. Dirk Ellinger, der Vorstandsvorsitzender des Gastgewerbeverbandes Dehoga Thüringen, beschreibt eine flächendeckende Unzufriedenheit mit der Steuer und spricht von einem "bürokratischen Monstrum".
Von der Mövenpick- zur Bettensteuer
Bundesweit erstmals eingeführt wurde die Kulturförderabgabe 2005 in Weimar. "Die Hoteliers und Gäste haben dafür Verständnis gehabt, weil diese Kulturdichte, die Weimar zu bieten hat, deutschlandweit einmalig ist", erinnert sich Dirk Ellinger. Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten hätte sich die Zahlung an der Hotelrezeption etabliert. Alles war gut.
Doch dann kam die FDP und ihre 2009 beschlossene Mehrwertsteuersenkung für Hotels (auch "Mövenpick-Steuer" genannt), wodurch den Kommunen Einnahmen entfielen. Norbert Walter-Borjans (SPD), der damals noch Stadtkämmerer in Köln war, führte daraufhin die Kulturförderabgabe auch in der Rheinmetropole ein. Das war die Geburtsstunde der Bettensteuer, die plötzlich überall Nachahmer fand und spätestens seitdem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts 2022 auch rechtlich kaum mehr zurückzudrehen ist.
Warum in Thüringen drei Übernachtungsabgaben möglich sind
In Thüringen haben nach Angaben des Dehoga Thüringen fünf Kommunen die Bettensteuer eingeführt: Weimar, Erfurt, Gera, Eisenach und Saalburg-Ebersdorf. Viele andere hätten darauf verzichtet, weil sie einen Standortnachteil für den Tourismus befürchten würden, meint Dirk Ellinger. Darüber hinaus gibt es in Thüringen 23 Gemeinden, die auf die beiden anderen Übernachtungsabgaben setzen, die das Thüringer Kommunalabgabengesetz (ThürKAG) ermöglicht: der Kur- oder der Fremdenverkehrsbeitrag.
Diese drei Übernachtungssteuern (die sogar gleichzeitig erhoben werden können) sind für den Gast nur schwer voneinander zu unterscheiden. Für die Kommunen macht es aber einen großen Unterschied: Während die Einnahmen aus Kur- und Fremdenverkehrsbeiträgen zweckgebunden sind und für den Erhalt des Kurort-Status oder für touristische Zwecke aufgewendet werden müssen, fließt die Bettensteuer in den kommunalen Haushalt. Wenn Städte in Anlehnung an Weimar von einer "Kulturförderabgabe" sprechen, das Geld aber für alles mögliche ausgeben können, ist das am Ende ein Widerspruch, die die Hoteliers vor ihren Gästen rechtfertigen müssen.
Fünf Prozent Kulturförderabgabe - wofür eigentlich?
"Viele Gäste fragen, für was sie mit der Kulturförderabgabe bezahlen würden", sagt Hotel-Geschäftsführerin Uta Kehr, "und ich muss dann immer wieder sagen, dass ich nicht weiß, was Erfurt mit diesem Geld macht." Ein weiteres Problem: Die Bettensteuer bietet den Gästen keinen Gegenwert. Während Kur- oder Fremdenverkehrsbeiträgen häufig mit Rabattheften oder anderen Annehmlichkeiten einhergehen, gibt es in Erfurt nichts. Auch deshalb monieren viele Gäste, dass die Bettensteuer in Erfurt außergewöhnlich hoch sei, meint Wenke Schniegler. "Bei den fünf Prozent kommen für die Gäste an einem Wochenende schnell mal 20 oder 30 Euro zusammen, mit denen sie nicht gerechnet haben."
Die Thüringer Verbraucherzentrale will sich zwar nicht grundsätzlich zur Bettensteuer äußern, erklärte aber: "Solange diese Bettensteuer klar und transparent ausgewiesen ist, die Übernachtungsgäste also nicht von zuvor nicht kommunizierten zusätzlichen Kosten überrascht werden, spricht aus unserer Sicht nichts dagegen." In der Praxis passiert in Erfurt aber genau das. Die Gäste realisieren oft erst bei der Abreise, wie viel sie draufzahlen müssen.
Hotelgäste mit Mehrfachbesteuerung belastet
Das liegt auch daran, dass es in Deutschland nicht oft vorkommt, dass Dienstleistungen mehrfach besteuert werden und sich diese Steuern dann auch noch potenzieren. Die Bettensteuer wird nämlich auf den Nettobetrag erhoben. Aus einem Zimmerpreis von 100 Euro pro Nacht, werden dann also erst 107 Euro inklusive Mehrwertsteuer (7 Prozent) und am Ende 112,35 Euro zuzüglich der Bettensteuer (5 Prozent). Die fünf Prozent erschweren also nicht nur das berechnen der Steuer, sondern lassen die Stadtkasse in besucherstarken Monaten umso lauter klingeln, weil die Bettenpreise aufgrund der hohen Nachfrage dann ebenfalls höher liegen. In Eisenach und Weimar wird die Kulturförderabgabe pauschal erhoben und liegt bei maximal zwei, beziehungsweise drei Euro pro Nacht.
Stadt Erfurt verteidigt die Bettensteuer
Für all diese Einwände zeigt Steffen Linnert, Erfurts Finanzdezernent, wenig Verständnis. "Das rechne ich Ihnen im Kopf aus", sagt er im Interview mit MDR THÜRINGEN und bezweifelt auch, dass viele Gäste überrascht oder verärgert wären. Auch den Anwurf, dass die Kulturförderabgabe Augenwischerei wäre, lässt er nicht gelten: "100 Prozent der Einnahmen gehen in die Kulturförderung", sagt er. Auch wenn das Geld nicht zweckgebunden sei, sondern in den Haushalt fließe, ändere das nichts daran, dass die Stadt kräftig in die Kultur investiert: "Fakt ist, das wir in Erfurt jedes Jahr über 20 Millionen Euro für die Kultur ausgeben." Auch dieses Geld müsse irgendwo erst eingenommen werden, so Linnert.
Mit der Kulturförderabgabe hat Erfurt rund 1,4 Millionen Euro im Jahr 2022 eingenommen. Eine Summe, die in Anbetracht der großen kulturellen Herausforderungen der Stadt beinahe bescheiden wirkt. Das städtische Theater ließe sich mit diesem Geld gerade mal für 26 Tage pro Jahr betreiben. "Unsere Museen, Theater und sämtliche Kultureinrichtungen sind hoch subventioniert", sagt Linnert und findet es nur gerecht, dass auch Touristen dazu beitragen müssten, sie zu erhalten. Dass die Hotels die Steuer eintreiben müssten, sei der Tatsache geschuldet, dass nun mal dort die Informationen zu den Gästen gesammelt würden. Es sei daher eine klassische Aufgabe der Hotels, eine solche Abgabe einzutreiben.
Hoteliers fordern vereinfachte Abrechnung
"Ich habe gar nichts dagegen, dass Touristen einen kleinen Beitrag leisten für das, was die Stadt bietet", sagt Uta Kehr. Wenn der Beitrag aber in den Hotels erhoben werden soll, dann müsste die Stadt den Prozess erleichtern. Drei Vorschläge haben die Hoteliers dafür.
Zum einen sollte Erfurt auf einen niedrigen Pauschalbetrag bei der Kulturförderabgabe umschwenken, wie ihn auch alle anderen Städte in Thüringen haben. Auch wenn Finanzdezernent Steffen Linnert meint, dass "Prozentrechnung kein Hexenwerk ist", so ist Uta Kehr doch überzeugt, dass das die Abrechnung erleichtern und den Gästen helfen würde, ihre Kosten zu kalkulieren. Es gebe dann weniger böse Überraschungen.
Touristenkarten gegen Kulturförderabgabe?
Der zweite Wunsch der Hoteliers an die Stadt: "Einen Mehrwert für den Gast. Das kann ein ermäßigter Eintritt in die Museen oder ein Straßenbahnticket sein", meint Schniegler. Das würde Akzeptanz bei den Gästen schaffen. Ein passendes Angebot gibt es in Erfurt sogar schon: die Touristenkarte. Diese kostet derzeit 14,90 Euro pro Person und beinhaltet sowohl den kostenlosen Nahverkehr als auch Rabatte in Kultureinrichtungen.
Doch Steffen Linnert will davon nichts wissen: "Die Kulturförderabgabe ist eine steuerähnliche Einnahme, wo es eine solche Zweckbindung nicht gibt. Das ist das Wesen einer Steuer, das sie ohne konkrete Gegenleistung auskommt." Alles andere wäre zwar denkbar, aber: "Wenn ich 500.000 Euro von der Kulturförderabgabe wegnehme, für eine konkrete Gegenleistung, dann fehlt das Geld woanders."
Digitalisierung, die immerwährende Herkulesaufgabe
"Darüber hinaus muss es doch möglich sein, dass die Stadt eine App zur Verfügung stellt, die den unnötigen Papierkram ersetzt", meint Wenke Schniegler und macht einen dritten Vorschlag: In Ihrer Vorstellung könnten die Gäste ihre KFA-Befreiung via App digital - beispielsweise auf einem Tablet an der Rezeption - ausfüllen und unterzeichnen. Hier hat selbst Linnert ein Einsehen: "Das ist ein berechtigter Kritikpunkt, den wir aufnehmen und wo wir dran arbeiten müssen." Dann wirbt er aber um Verständnis, dass sich das nicht so einfach ändern lässt: Digitalisierung sei eine Herkulesaufgabe, die Hürden beim Datenschutz, die Kosten, etc. - die Argumente sind bekannt und haben sich seit Jahren kaum verändert.
Bettensteuer bald auch für Geschäftsreisende?
Was sich hingegen verändern könnte, ist die Bettensteuer selbst. Derzeit prüfen die fünf Thüringer Kommunen, ob sie künftig auch Geschäftsreisende zur Kasse bitten sollen. Nach der Grundsatzentscheidung des Verfassungsgerichts im März 2022 scheint das denkbar. Wenn es so weit kommt, würde Erfurt mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Der Papierkram und die mühsame Digitalisierung hätten sich von selbst erledigt und die Bettensteuer würde dann auch deutlich mehr Geld einbringen. So könnte beispielsweise auch eine kostenlose Touristenkarte finanziert werden.
Für die Hotels wäre das jedoch ein Pyrrhussieg, denn sie sind auf Geschäftsreisende angewiesen. Genaue Zahlen gibt er nicht, aber gut und gern ein Drittel aller Übernachtungen in Erfurt sind beruflich bedingt. Kommt die Bettensteuer für Geschäftsreisende, so könnten viele Firmen auf den Gedanken kommen, ihre Tagungen und Meetings woanders abzuhalten. Im Umland soll es schließlich auch schöne Hotels geben und dort gibt es keine "Kulturförderabgabe".
MDR (ask)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 08. April 2023 | 15:00 Uhr
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