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Ferienwohnungen Kampf ums Wohnen: Wie verschärfen Airbnb und Co. den Wohnungsmangel in Thüringer Städten?

30. März 2024, 06:00 Uhr

Immer mehr Wohnungen werden in Erfurt, Weimar oder Jena an Touristen vermietet. Den Wohnungsmangel in den Innenstädten verschärft das, kritisieren manche. Und fordern strengere Regeln für die Angebote auf Airbnb und Co.

David Straub schaut in die Kamera.
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2023 war kein schlechtes Jahr für Herrn Reimann: Gut 160.000 Euro hat er eingenommen. Mit 17 Wohnungen, die er über Airbnb an Touristen aus dem In- und Ausland vermietet. Die Wohnungen des "privaten Gastgebers" - wie es auf der Plafform offiziell heißt - befinden sich allesamt in einem Erfurter Stadtteil, der auch bei jungen Familien und Studenten beliebt ist.

Die Details über die Einnahmen von Herrn Reimann stammen vom Analyseportal AirDNA. Auf MDR-Anfrage wollte er sich nicht zur Vermietung der Wohnungen äußern - sein Name ist für diesen Artikel daher geändert.

Zuwachs in Weimar, Jena und Erfurt

Über AirDNA kann man sehen, wo sich mit Ferienwohnungen im Schnitt wie viel Geld machen lässt, welche Jahreszeiten welche Preise rechtfertigen oder auch, wie viel ein bestimmtes Angebot abwirft. AirDNA durchforstet dabei die Plattformen Airbnb und Vrbo und zieht dort auf täglicher Basis Daten von Millionen von Angeboten weltweit. Erfurt, Weimar und Jena stellen dabei aufstrebende Märkte dar: Überall stieg die Zahl der Angebote von Ferienunterkünften im vergangenen Jahr.

In Erfurt um sechs Prozent auf aktuell knapp 650 Angebote. In Weimar und Jena jeweils um etwa 20 Prozent auf 246 beziehungsweise 136 Unterkünfte. Auf Nachfrage bestätigen die Städte, dass die Zahl der Angebote auf den Internetseiten der Realität entspricht.

Wohnungen fehlen Wohnungsmarkt

In Herrn Reimanns Portfolio auf Airbnb finden sich einzelne Wohnungen, die ihm 20.000 Euro pro Jahr einbringen. Aber auch solche - Dachgeschosswohnungen, ohne großen Schnickschnack eingerichtet - die nur 7.000 oder 3.000 Euro pro Jahr abwerfen. Und die laut AirDNA teils auch nur zu einem Drittel der Zeit belegt sind.

Was Herr Reimann macht, ist absolut legal. Das einzige Problem: Die Wohnungen wären, auch den Fotos in den Inseraten nach zu urteilen, idealer Wohnraum für Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Erfurt.

Ein Bildschirm mit Karte drauf.
Über AirDNA finden sich viele, öffentlich einsehbare Daten zu Ferienwohnungen vor Ort. Bildrechte: MDR

Warum sich Erfurt sorgt

"Die Lage ist ziemlich prekär", sagt Tobias Knoblich, Dezernent für Kultur, Stadtentwicklung und Welterbe der Stadt Erfurt und parteilos. Er meint damit: "Wir haben einen sehr angespannten Wohnungsmarkt, von dem man sagen kann, dass er eigentlich über keinen wirklichen Leerstand verfügt." Ende des Jahres hatte die Stadt eine offizielle Belegungsquote bekannt gegeben: 99,5 Prozent der Wohnungen sind demnach aktuell bewohnt.

Wir brauchen ja eigentlich jede Wohnung im Zentrum.

Tobias Knoblich Stadtentwicklungsdezernent in Erfurt

Eine Fehleinschätzung bei der Bevölkerungsentwicklung nach der Wende, so Knoblich, treffe auf eine hohe "touristische Attraktivität" und immer mehr Zuzug. Nicht zuletzt durch Wirtschaftsansiedlungen wie am Erfurter Kreuz brauche Erfurt mehr Wohnraum. Doch das, so der Dezernent, könne das Problem allein nicht lösen: "Wir brauchen ja eigentlich jede Wohnung im Zentrum. Das ist eine Konkurrenzsituation, die entstanden ist." Knoblich und die Stadt Erfurt setzen deshalb darauf, Wohnraum zurückzugewinnen. "Oder verhindern zu können, dass weiterer Wohnraum in Ferienwohnungen umgewandelt wird."

Tobias Knoblich schaut in die Kamera.
Tobias Knoblich, Erfurter Stadtentwicklungsdezernent Bildrechte: MDR/David Straub

Zwar gibt es beispielsweise auch in Gera laut AirDNA einen Zuwachs bei den Ferienwohnungen - das Thüringer Infrastrukturministerium sieht aber insbesondere bei Erfurt, Jena und ein Weimar ein Problem beim Wohnungsmangel. Auf Nachfrage heißt es: "In diesen besteht perspektivisch die Gefahr, dass mehr und mehr Wohnungen dem Markt zu Beherbergungszwecken und anderem vorübergehenden Gebrauch entzogen werden."

Neues Gesetz soll es richten

Zuletzt hatte Erfurt im Landtag Druck gemacht: Die Fraktionen von Linke, SPD und Grüne brachten Ende 2023 daraufhin einen Entwurf für das "Gesetz über die Gewährleistung von Wohnraum in Thüringen" ein. Die "Zweckentfremdung" von Wohnraum könnte damit genehmigungspflichtig werden. Das heißt konkret: Wenn mehr als die Hälfte einer Wohnfläche gewerblich oder beruflich genutzt wird oder auch für mehr als acht Wochen pro Jahr für die "Fremdenbeherbergung" dient, soll eine Stadt das eigenständig einschränken oder verbieten können.

"Werkzeug" für Kommunen

Mit dem Gesetz, so stellt es Ute Lukasch, Abgeordnete der Linken klar, "soll kein Feldzug gegen die Tourismusbranche geführt werden." Es richte sich auch nicht gegen die Anbieterinnen oder Nutzer von Airbnb. Aber, so ergänzt Lutz Liebscher von der SPD: "Das Gesetz ist neben Neubau und Modernisierung ein weiteres Werkzeug, das Kommunen nutzen können, um in angespannten Wohnungsmärkten Wohnraum für Langzeitmietverhältnisse zum Beispiel für Familien bereitzustellen."

Sollte das Gesetz kommen, könnten Kommunen den Markt erst offiziell sondieren und dann begründen können, warum ein Markteingriff erforderlich ist. Dann so Knoblich, könnten insbesondere im Innenstadtbereich Einschränkung bei der Umnutzung zu rechtfertigen sein. Auch bei bestehenden Ferienwohnungen könnte die Genehmigung kassiert werden.

Derzeit findet im Infrastrukturausschuss des Landtags die Anhörung von Eigentümer- und Wohnungsgeberverbänden zum Gesetzentwurf statt. Die CDU, auf deren Stimmen Rot-Rot-Grün angewiesen ist, will das abwarten und äußert sich aktuell noch verhalten zum Vorhaben. Unter anderem gelte zu prüfen, heißt es auf Anfrage, "wie ein solcher Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht zu bewerten ist".

Der Plenarsaal während der Sitzung des Thüringer Landtags
Spätestens im Juni, so hofft es Rot-Rot-Grün, soll über das Gesetz im Landtag abgestimmt werden. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Martin Schutt

Erfurt kontrolliert bislang nicht gezielt

Die genauen Regeln, welche Genehmigungen beispielsweise Airbnb-Vermieter einholen müssen, variieren von Stadt zu Stadt. Generell ist aber für die Umnutzung von Wohnraum in Ferienwohnungen ein Bauantrag erforderlich.

Erfurt und Jena gehen aber davon aus, dass es eine hohe Dunkelziffer an Vermietern gibt, die für ihre Angebote keinen Bauantrag eingeholt haben. "Da vielen Eigentümern diese Antragspflicht nicht bekannt ist", erklärt Tobias Knoblich aus Erfurt.

Wenn Beschwerden von Nachbarn beispielsweise kämen, "oder wir über etwas stolpern", müsse die Stadt aktiv werden. "Aber die Bauaufsicht durchkämmt nicht die Quartiere wie etwa der Stadtordnungsdienst die Parkplätze nach Parksündern."

Mit dem neuen Thüringer Gesetz könnte auf Stadtebene also eine zusätzliche Genehmigungsstufe eingeführt werden. Die ausschließlich prüft, ob die Ferienwohnung zu starke Auswirkungen auf den Wohnungsmangel hat und die Umnutzung reguliert.

Erfurt von oben.
Über 600 Ferienwohnungen gibt es momentan in Erfurt. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Weimar und Jena blicken gelassen auf Airbnb

Während die Initiative für das Gesetz von der Stadt Erfurt ausgeht, reagieren Jena und Weimar deutlich verhaltener. Obwohl auch hier der Wohnungsleerstand verschwindend gering und das Plus an neuen Ferienwohnungen laut AirDNA ordentlich ist.

Eine detaillierte Leerstandsquote gebe es für Weimar zwar nicht, teilt die Stadt mit, aber der Anteil der Ferienwohnungen am gesamten Wohnungsbestand betrage nur 0,6 Prozent. Während Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine (parteilos) noch im Oktober die Landesregierung scharf für die Flüchtlingspolitik kritisierte und erklärte, in Weimar gebe es keinen verfügbaren Wohnraum, blickt man auf die Situation mit den Ferienwohnungen gelassen: "Aus unserer Sicht gibt es in der Stadt Weimar kein Problem der Zweckentfremdung von Wohnraum durch Ferienwohnungen." Die Ferienwohnungen seien eine wichtige Ergänzung zu den Hotels und Pensionen.

Auch die Stadt Jena bezeichnet ihren Wohnungsmarkt selbst als "angespannt": Der Neubau komme immer schleppender voran und der Leerstand betrug 2022 lediglich 2,1 Prozent. Aber auch hier: Der "Bestand und die Entwicklung von Ferienwohnungen im Stadtgebiet sind marginal". Durch Airbnb gebe es keinen nennenswerten Wohnraumverlust.

Auf die Frage, ob in Erfurt die gut 600 Angebote auf Airbnb und Co. wirklich einen Unterschied machen würden, antwortet Stadtentwicklungsdezernent Knoblich entschieden: Die Reserven seien ausgeschöpft, "wir müssen jede Wohnung, die wir haben, sorgsam betrachten. Und da sind 600 Wohnungen für die Innenstadt viel".

So machen es andere Bundesländer

In anderen, vor allem alten Bundesländern gibt es bereits Gesetze mit "Zweckentfremdungsverboten". Baden-Württemberg hat beispielsweise ein Gesetz, das dem möglichen Thüringischen ähnlich sieht. In Sachsen, mit den Touristenstädten Dresden und Leipzig, scheiterte hingegen ein Vorhaben schon 2022.

Vermieter halten nichts von Verboten

Noch ein Blick nach Weimar, wo es laut AirDNA im vergangenen Jahr 20 Prozent mehr Vermietungen von Ferienwohnungen gab. Darunter finden sich beispielhaft Wohnungen, deren Vermieterin laut Airbnb-Profil in Heidelberg lebt.

Auch der Dienstleister Lohospo vermietet gut 50 Wohnungen in Weimar - im Auftrag für Privatpersonen, die die Organisation und Abwicklung nicht selbst stemmen wollen oder können. Lohospo ist selbst auch offizieller Partner der Stadt Weimar und hält von möglichen Verboten laut eigener Aussage auch nicht viel. Zweckentfremdungs-Verbote wie in Freiburg zum Beispiel hätten in der Vergangenheit gezeigt, dass die Verwaltung bei der Prüfung ohnehin nicht wirklich hinterhergekommen sei.

Touristenbüro beobachtet schärfere Konkurrenz

Und auch Martina Scholz kritisiert die Pläne für ein Zweckentfremdungsverbot. Seit zwei Jahrzehnten organisiert sie über ihr Büro Urlaubsreisen und vermietet am idyllischen Herderplatz drei Ferienwohnungen. Mittlerweile nutzt sie dafür auch Airbnb und andere Plattformen. Sie weiß von Privatleuten, die anderswo leben und ihre Wohnungen inoffiziell an Touristen vermieten.

"Tja, wenn es möglich ist - was soll ich sagen? Wenn ich eine Wohnung habe in einer Stadt, die vom Tourismus lebt, würde ich die auch nicht aufgeben und würde versuchen, damit Geld zu verdienen." Zu stören scheint sie die Konkurrenz nicht wirklich: "Wettbewerb", so Scholz, "belebt das Geschäft."

Eine Häuserreihe hinter einem öffentlichen Platz.
Am Herderplatz in Weimar vermietet Martina Scholz Ferienwohnungen und organisiert Reisen. Bildrechte: MDR

Und auch ein Gesetz, das die Zweckentfremdung verbieten könnte, lehnt sie ab. "Das geht gar nicht. Ich bin in der DDR groß geworden. Es ist mein Haus. Ich entscheide, was ich mit meinen Wohnungen mache. Da hat mir keiner reinzureden." So gelassen die Stadt Weimar bei dem Thema klingt, so wenig scheint Martina Scholz sich jedoch sorgen zu müssen.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 30. März 2024 | 18:00 Uhr

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