Lost Place Stadion - Arnstädter Kampfbahn
Jahrelang war die Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn sich selbst überlassen, nun soll hier wieder Fußball gespielt werden. Bildrechte: Nick Rösler/MDR

Fußball Zwischen Ruine und Revival: Neues Leben für die Arnstädter Kampfbahn

16. April 2025, 10:00 Uhr

Wer in den vergangenen Jahren das alte Stadion des ehemaligen Zweitligisten BSG Motor Ichtershausen-Rudisleben besuchte, sah vor allem: nichts. Kein Spiel, keine Spieler, nur gähnende Leere, verwildertes Gras und ein paar Katzen, die im Schatten der alten Holztribüne dösen. Doch mit der Ruhe könnte es bald vorbei sein – die Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn soll wiederauferstehen. Zumindest für ein Spiel.

Eine Gruppe Männer steht an einem sonnigen Samstagvormittag im April auf einem Sportplatz im Norden Arnstadts. Einige sind mit Spaten und Rechen ausgerüstet und besprechen die künftigen, richtungsweisenden Spiele in der Kreisliga, ein anderer wirft lautstark den Rasentraktor an.

Szenen, die sich jedes Wochenende auf tausenden Sportplätzen in Deutschland abspielen. Mit einer kleinen Besonderheit: Die Männer in Arnstadt stecken mitten in einem Mammutprojekt und werden zumindest an diesem Tag nicht auf dem Platz kicken.

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Zum Anhören: Die alte Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn war lange Zeit eine vergessene Ruine. Jetzt wird das Stadion in Arnstadt für ein besonderes Spiel wiederbelebt. Bildrechte: Nick Rösler/MDR
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Die alte Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn war lange Zeit eine vergessene Ruine. Jetzt wird das Stadion in Arnstadt für ein besonderes Spiel wiederbelebt, berichtet Nick Rösler.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Di 15.04.2025 16:10Uhr 02:04 min

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Vom Zweitliga-Stadion zur verlassenen Ruine

Wäre die Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn ein Mensch, würde er sich irgendwo zwischen Palliativstation und dem Schließen des Sargdeckels befinden. Früher war sie der Stolz von Rudisleben, einem Ort im Ilm-Kreis, der seit 1999 zu Arnstadt gehört.

Doch seit knapp 15 Jahren finden hier keine Spiele mehr statt, die Pflege des Geländes wurde schon Jahre zuvor eingestellt. Die imposante Holztribüne, einst das Herzstück des Stadions, ist mittlerweile von Sträuchern umringt.

Eisenzäune und Spanplatten sollen verhindern, dass neugierige Besucher die morschen Treppenstufen betreten, dennoch haben sich auf den Wänden des Gebäudes mehrere Nachwuchs-Graffitikünstler verewigt, deren Werke den Verfall eher unterstreichen als übermalen.

Auch der Platz selbst lädt nicht unbedingt zum Kicken ein, Unkraut hatte jahrelang Zeit und Raum, freudig zu gedeihen.

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In und um die alte Holztribüne befinden sich zahlreiche Graffiti. Bildrechte: Nick Rösler/MDR

Dabei war die Kampfbahn einst ein Ort voller Leben und Schauplatz großer Spiele. 1954 wurde das nach dem Rennfahrer Manfred von Brauchitsch benannte Stadion feierlich vor 3.000 Zuschauern mit einem Freundschaftsspiel gegen den damaligen Erstligisten Motor Zwickau eröffnet.

In den Jahren danach waren die Fußballer von Ichtershausen-Rudisleben meistens Teil der Bezirksliga Erfurt, 1964 gelang der Aufstieg in die zweitklassige DDR-Liga. Hier konnte man unter anderem vor 8.000 Zuschauern Turbine Erfurt, heute als FC Rot-Weiß bekannt, ein 2:2 abringen.

Doch diese Zeiten sind lange vorbei, der Verein fusionierte 2009 mit dem BC 07 Arnstadt zum SV 09 Arnstadt und zog ins Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion und auf die Sportanlage am Obertunk. Die alte Kampfbahn in Rudisleben – vergessen, zugewachsen, abgeschrieben. Und dann kam Jan Massarczyk mit einer Idee.

Groundhopper aus Sachsen trifft Stadion in Thüringen

Der 43-jährige Massarczyk kommt aus dem sächsischen Meerane, ist einer der Männer mit den Gartengeräten in der Hand und "Groundhopper". Das ist die Leidenschaft, unbekannte Stadien zu besuchen und dabei die Vielfalt des Fußballs immer wieder neu kennenzulernen. Fans, die diesem Hobby nachgehen, sammeln dabei Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten – sei es ein Spiel in der vierten rumänischen Liga oder in der fünften Liga der vom Krieg gezeichneten Ukraine. Hauptsache, der Ball rollt.

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Grafitti an den Wänden, Unkraut auf dem Platz: Die Manfred-von-Brauchitsch-Kampfbahn in Arnstadt lag jahrelang brach. Doch nun wird das alte Stadion wiederbelebt. Jan Massarczyk ist einer der Initiatoren.

MDR THÜRINGEN - Das Radio Di 15.04.2025 15:04Uhr 00:32 min

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Für Jan Massarczyk begann die Fußball-Leidenschaft in den 1990er-Jahren als Fan des FSV Zwickau. Nach einem Umzug in den Dresdner Raum führten ihn seine Wege mit der SG Dynamo durch die Stadien der Republik. Doch irgendwann reichte das nicht mehr aus: "Mit der Zeit wurden aus einem Spiel am Wochenende fünf."

So nahm das Hobby einen nicht unbedeutenden Teil von Massarczyks Leben ein. Bis Corona kam und in den Stadien der Welt entweder gar kein Fußball mehr gespielt wurde oder nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. "Nach einigen Monaten dachte ich mir: Junge, du musst jetzt irgendwas machen."

Organisieren ist vielleicht das Einzige, was ich wirklich gut kann.

Jan Massarczyk

Also absolvierte der frühere Mannschaftsleiter der dritten Mannschaft von Dynamo Dresden den C-Lizenz-Lehrgang zum Vereinsmanager beim Sächsischen Fußballverband und begann damit, Fußballspiele auf Sportplätzen zu planen, auf denen zuvor jahrelang niemand mehr gespielt hatte.

2023 ließ er als "Lost Ground Hop" den Sportplatz "Roter Hügel" in Meerane wiederauferstehen, ein Jahr später erweckte er gemeinsam mit weiteren Helfern das Ernst-Grube-Stadion in Riesa aus seinem Dornröschenschlaf. "Organisieren ist vielleicht das Einzige, was ich wirklich gut kann", sagt Massarczyk, halb ernst, halb im Scherz, und blickt über das Stadion in Rudisleben. Das Gelände ist sein neues Projekt.

Auferstehung aus Ruinen?

Schon 2021 hat er hier zum ersten Mal angefragt, ohne Erfolg. Doch jetzt soll es klappen, über sein Netzwerk von Fußballbegeisterten ist er mit Nick Schumacher, Mitglied im Vorstand des SV Arnstadt, in Kontakt gekommen. Der 36-Jährige ist derjenige, der an diesem Tag mit dem Rasentraktor über den Platz jagt. Er selbst hat auf dem Platz das Fußballspielen gelernt.

"Wir haben den Rasen zunächst gemäht, dann abgeschleppt. Zwar hatten wir dafür eine Schleppe da, aber der Großteil ist mit Handarbeit verbunden", erklärt Schumacher, der für den SV Arnstadt früher in der Landesliga gespielt hat und nun seine Karriere bei der zweiten Mannschaft ausklingen lässt. "Es ist schon viel passiert, aber der Großteil kommt erst noch."

Noch immer liegt auf dem Platz einiges rum, was beim Fußball eher stören würde, zudem muss Mutterboden her, um den zerfurchten Platz zu ebnen. Und dann müssen auch noch Stadt und Fußball-Kreisverband eine Nutzung für ein offizielles Spiel erlauben.

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Die Wirtin der ehemaligen Vereinsgaststätte "Feuchter Elfmeter" hat bereits zugesagt, bei dem geplanten Spiel hinter dem Tresen eines Bierstandes zu stehen. Bildrechte: Nick Rösler/MDR

Prominente Unterstützung

Auch wenn noch viel zu tun ist, weht beim Arbeitseinsatz ein Hauch von Euphorie über den Platz. Die Männer erzählen sich gegenseitig, dass sich nach anfänglicher Skepsis immer mehr Menschen aus der Region für das Projekt begeistern. Und sogar eine echte Fußball-Legende haben sie als Fürsprecher gewonnen: Jürgen Heun, Rekordspieler und Rekordtorschütze des FC Rot-Weiß Erfurt.

Der ehemalige DDR-Nationalspieler, den hier alle nur "Kimme" nennen, war sechs Jahre lang Trainer in Arnstadt. Während die anderen den Rasen pflegen, hält er sein "Arbeitsgerät" ans Ohr: das Handy. Über seine thüringenweiten Kontakte sollen Geräte, Maschinen und Arbeitskräfte herangezogen werden. Vor allem an letzterem fehlt es noch.

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Nick Schumacher, Jan Massarczyk und Jürgen Heun (v.l.n.r.) wollen der Kampfbahn neues Leben einhauchen. Bildrechte: Nick Rösler/MDR

Das Hauptaugenmerk der Arbeiten liegt dabei auf dem Platz, auf die Holztribüne dürften mit hoher Wahrscheinlichkeit ohnehin keine Zuschauer. Zu hoch das Risiko, dass etwas passiert.

Dennoch rechnet Massarczyk mit einem hohen Zuschaueraufkommen: "In Riesa hatten wir 999 Zuschauer, das sollte hier auch möglich sein. Mehr lässt die Versammlungsstättenverordnung eh nicht zu." Ein entsprechender Entwurf für ein Sicherheitskonzept stehe auch bereits, nun will man nur noch die Auflagen der Stadt abwarten.

Der Plan ist, Mitte Mai hier zu spielen, noch vor der Sommerpause und den Ferien.

Nick Schumacher, Spieler und Vorstandsmitglied des SV Arnstadt

Viel Zeit bleibt dem zusammengewürfelten Team nicht mehr, zumindest wenn ihr ehrgeiziger Plan noch in dieser Saison in Erfüllung gehen soll. Doch Schumacher zeigt sich entschlossen: "Der Plan ist, Mitte Mai hier zu spielen, noch vor der Sommerpause und den Ferien. Wenn das nicht funktioniert, finden wir einen neuen Termin. Aber ich will hier spielen."

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Noch gibt es viel zu tun auf und um die Kampfbahn. Bildrechte: Nick Rösler/MDR

Ein genaues Datum wollen die Männer noch nicht bekanntgeben, erst müssen wirklich alle Entscheidungsträger ihre Bestätigung geben. Spielen soll die Reservemannschaft des SV Arnstadt, aktuell Tabellenführer der Kreisliga Nord in Mittelthüringen. Am besten ein Punktspiel, der mögliche Gegner hat laut Schumacher bereits zugesagt.

Für beide Teams wäre es wohl das zuschauerstärkste Spiel aller Zeiten. Und für Jan Massarczyk ein weiteres, abgeschlossenes Projekt.

MDR (nir)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 15. April 2025 | 16:10 Uhr

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