Eine Menschengruppe demonstriert mit Fahnen von ÖDP und Piratenpartei vor dem Thüringer Landtag.
Die ÖPD möchte die politische Vielfalt im Parlament erhöhen. Bildrechte: ÖDP/Martin Truckenbrodt

Landtagswahl 2024 ÖDP reicht Eilantrag gegen Fünf-Prozent-Hürde in Thüringen ein

06. Juli 2024, 15:30 Uhr

Die Stimmen für die Kleinstparteien hatten bei den vergangenen Wahlen in Thüringen keinen Einfluss auf das Parlament. Denn fast alle der rund 20 für die Wahl zugelassenen Parteien scheiterten an der Fünf-Prozent-Klausel. Die ÖDP, die Ökologisch-Demokratische Partei, will jetzt einen Eil-Antrag einreichen, um diese Fünf-Prozent-Hürde in Thüringen abzuschaffen. Damit soll mehr Gerechtigkeit erreicht werden und mehr Vielfalt im Parlament.

ÖDP: Wähler kleiner Parteien werden ausgeschlossen

Martin Truckenbrodt hat viel zu tun in diesen Tagen. Einige Tage Urlaub nutzt der Landesvorsitzende der ÖDP, die letzten nötigen Unterschriften zusammenzubekommen, die er braucht, um den Eilantrag auf Aufhebung der Fünf-Prozent-Klausel abgeben zu können.

Die ÖDP Thüringen schlägt vor, diese Fünf-Prozent-Hürde abzuschaffen. Stattdessen sollen alle Parteien, die eine bestimmte Anzahl von Stimmen erhalten, proportional im Parlament vertreten sein. Ohne die Fünf-Prozent-Klausel könnten mehr Parteien ins Parlament einziehen, was die politische Vielfalt erhöhen würde.

Das würde bedeuten, dass eine größere Bandbreite an Meinungen und Interessen vertreten wäre. Besonders kleinere Parteien, die oft ungewöhnliche und innovative Ideen haben, könnten so mehr Einfluss auf die Politik nehmen. Denn ohne Präsenz im Parlament ist das sehr schwierig.

Ein Mann mit Brille schaut in die Kamera.
Martin Truckenbrodt ist Landesvorsitzender der ÖDP Thüringen. Bildrechte: ÖDP/Martin Truckenbrodt

Fünf-Prozent-Klausel als Folge der Deutschen Geschichte

Die Fünf-Prozent-Klausel ist eine Regelung im deutschen Wahlrecht, die besagt, dass eine Partei mindestens fünf Prozent der Stimmen erhalten muss, um in einen Landtag einziehen oder den Bundestag zu können. Die Regelung wurde als Lehre aus den Entwicklungen in der Weimarer Republik ins Wahlgesetz eingeführt.

Damals hatte eine Vielzahl kleiner Parteien im Reichstag zu einer instabilen politischen Landschaft geführt und erschwerte die Bildung stabiler Regierungen. Die Klausel soll sicherstellen, dass nur Parteien, die eine gewisse Mindestunterstützung in der Bevölkerung haben, auch ins Parlament kommen.

Außerdem sollte die Klausel auch dazu beitragen, extremistische Parteien daran zu hindern, ins Parlament einzuziehen. Dies sollte insbesondere verhindern, dass Parteien, die die demokratische Grundordnung ablehnen, leicht parlamentarischen Einfluss gewinnen können. Der Erfolg der AfD zeigt aber die Grenzen dieses Modells auf.

Warum gerade jetzt der Antrag?

Martin Truckenbrodt und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter der ÖDP sind zwar auch grundsätzlich gegen solche Klauseln. Gerade bei der nächsten Wahl könnte die Sperrklausel dazu führen, dass es mit AfD, CDU, BSW und Linke nur noch vier Parteien ins Parlament schaffen und damit ein erheblicher Teil der abgegebenen Stimmen keine parlamentarische Repräsentanz hat. Im Moment deuten Umfragen allerdings auf fünf Parteien im Landtag hin – neu das BSW, dafür ohne FDP und Grüne.

Laut dem Rechtswissenschaftler Ulrich Battis wurden beispielsweise bei der Bundestagswahl 2013 fast sieben Millionen Stimmen für Parteien abgegeben, die an der Fünf-Prozent-Klausel scheiterten. Das waren 14 Prozent der abgegebenen Stimmen. Diese Stimmen waren nicht, so Battis weiter, wie es gelegentlich heißt "verloren", sondern wurden unter den großen Parteien aufgeteilt, die die Wählerinnen und Wähler gerade nicht wählen wollten.

Weil durch die "verloren gegangenen" Stimmen die Zahl der für die Parlamentsaufteilung zählenden Stimmen kleiner wurde und die übrigen Parteien daher mit weniger Stimmen Mehrheiten im Parlament erreichen konnten.

Ein Wegfall der Hürde stärke das Vertrauen der Bürger in das politische System und fördere die Teilnahme an Wahlen, findet Truckenbrodt. Außerdem brächten kleine Parteien oft frische und unkonventionelle Ideen in die Politik. Das könne zu innovativeren Lösungen für gesellschaftliche Probleme führen.

Gegenstimme aus der Wissenschaft

Der Politikwissenschaftsprofessor André Brodocz von der Uni Erfurt meint dazu:

"Vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat dieser Antrag eher geringe Chancen. Im Thüringer Landtag wird wie im Bundestag die Regierung aus dem Parlament heraus gegründet. Dies hat in der Vergangenheit so schwer gewogen, dass zum Wohle einer Mehrheit für die Regierungsbildung die Fünf-Prozent-Klausel vertretbar erschienen ist.

In Thüringen sehen wir, dass es nicht allein arithmetische Fragen sind, die Mehrheiten wahrscheinlicher machen, sondern auch politische. Wenn eine Partei wie die CDU die Zusammenarbeit mit mehreren anderen Parteien ausschließt, dann lassen sich Mehrheiten nur schwer erreichen.

Mit dem BSW ist eine neue Partei dabei, die neue Mehrheiten möglich macht. Ich sehe dadurch die Chancen auf eine Mehrheitsregierung deutlich höher als ich es noch vor sechs Monaten angenommen habe."

André Brodocz ist Professor für Politische Theorie an der Universität Erfurt.
André Brodocz ist Professor für Politische Theorie an der Universität Erfurt. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Fünf-Prozent-Hürde für Kommunalwahlen schon gekippt

Die ÖDP wird, so sagt Martin Truckenbrodt, es trotzdem versuchen. Immerhin hatte das Landesverfassungsgericht in Weimar vor sechs Jahren bereits die Fünf-Prozent-Klausel für Kommunalwahlen in Thüringen gekippt. Langfristiges Ziel sei natürlich auch die Aufhebung der Sperrklausel auf Bundesebene.

MDR (cfr,dvs)

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