Thüringen Bezahlkarte für Flüchtlinge in weiteren Landkreisen - auch skeptische Töne
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22. Februar 2024, 15:32 Uhr
Seit Monaten wird über den flächendeckenden Einsatz von Bezahlkarten für Flüchtlinge diskutiert. In Thüringen wollen drei weitere Kreise die Karte einführen. - Der Gothaer Landrat zweifelt ein Argument an, das häufig für den Einsatz der Karten vorgebracht wird. Und Thüringens Migrationsministerin Doreen Denstädt spricht sich gegen eingeschränkte Funktionen aus.
Drei weitere Landkreise in Thüringen wollen zum 1. März die Bezahlkarte für Flüchtlinge einführen - der Landkreis Schmalkalden-Meiningen, der Kyffhäuserkreis und der Saale-Orla-Kreis.
Im Landkreis Schmalkalden-Meiningen erhielten mit dem Monatswechsel die ersten 30 Flüchtlinge eine Karte, sagte ein Sprecher des Landratsamtes. Bis zum 1. April sollen dann alle Flüchtlinge im neuen System sein. Der Kreistag hatte sich bei seiner Sitzung Ende Januar für die Umstellung ausgesprochen.
Mit der Bezahlkarte anstelle von Bargeld soll nach den Worten von Landrätin Peggy Greiser (parteilos) verhindert werden, dass Geld in die Herkunftsländer überwiesen wird. Die Karte sei nur im regionalen Postleitzahlenbereich einsetzbar, hieß es. Damit will der Kreis sicherstellen, dass das Geld in der Region ausgegeben wird und die regionale Wirtschaft profitiert. Greiser geht nach eigenen Angaben auch davon aus, dass durch die Bezahlkarte Schlepperkriminalität reduziert wird.
Im Kyffhäuserkreis erhalten etwa 300 Flüchtlinge die Karte
Im Kyffhäuserkreis sollen 306 Asylbewerber die Bezahlkarte erhalten. Die Betroffenen leben nach Angaben von Kreissprecher Martin Pollack in 213 Familien oder Bedarfsgemeinschaften. Kinder erhalten keine eigene Karte. Die Bezahlkarte wird ab dem 1. März ausgegeben. Damit sollen die Leistungen, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht ausgezahlt werden müssen, bargeldlos bereitgestellt werden.
Saale-Orla-Kreis hat Einführung auf März geschoben
Der Saale-Orla-Kreis wollte eine Bezahlkarte ursprünglich schon im Februar einführen. Doch wegen technischer Probleme wurde der Start nach Angaben des Landratsamtes auf März verschoben. Um erste Erfahrungen zu sammeln, sollen die Karten zunächst an Flüchtlinge ausgegeben werden, die nach einem abgelehnten Asylantrag erneut eingereist sind. Im Saale-Orla-Kreis betrifft das rund 60 Menschen inklusive Kinder. Laut Landratsamt können die Kartennutzer ab März auch eine limitierte Summe Bargeld abheben, die ansonsten weiter in Schleiz als "Taschengeld" ausgezahlt werden müsste.
Wie funktioniert eine Bezahlkarte?
Mit einer Bezahlkarten können Flüchtlinge in der jeweiligen Region einkaufen, ob im Einzelhandel oder an Automaten.
- Bargeld kann nicht abgehoben werden. Auch eine Überziehung ist nicht möglich.
- Geben Asylbewerber gekaufte Produkte zurück, bekommen sie die Kaufsumme gutgeschrieben.
- Auslandsüberweisungen sind nicht möglich.
- Der Landkreis kann nach eigenen Angaben ein Guthaben-Limit setzen. Ist das Limit erreicht, könnte auf die Karte kein zusätzliches Guthaben gebucht werden.
- Unabhängig von der Bezahlkarte erhalten Asylbewerber altersabhängig weiter ein monatliches Taschengeld von 100 bis 180 Euro.
- Im Kreis Greiz hat die Einführung laut Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) zwischen 10.000 und 15.000 Euro gekostet. Eine Karte kostet den Kreis zwischen drei und sechs Euro. Jede Aufladung kostet einen Euro.
Weitere Kreise prüfen Einführung - positives Zwischenfazit
Nachdem der Landkreis Greiz und der Eichsfeld-Kreis zum 1. Dezember 2023 mit dem Pilotversuch gestartet waren, haben weitere Landkreise in Thüringen angekündigt nachzuziehen. Dazu gehören unter anderem der Wartburgkreis, das Weimarer Land und der Kreis Nordhausen. Auch der Ilm-Kreis, der Saale-Holzland-Kreis und der Kreis Sonneberg prüfen eine Einführung. Die kreisfreien Thüringer Städte wollten dagegen eine einheitliche Lösung abwarten.
Der Eichsfelder Landrat Werner Henning hatte ebenso wie die Greizer Amtskollegin Martina Schweinsburg (beide CDU) ein erstes positives Fazit nach der Einführung gezogen und beide auch Zahlen vorgelegt.
Termin für Einführung im Kreis Gotha noch ungewiss
Dagegen will sich der Landkreis Gotha einer bundeseinheitlichen Regelung anschließen, hieß es aus dem Landratsamt. Derzeit sei man mit verschiedenen Dienstleistern im Gespräch, um eine vorübergehende Lösung zu finden. Ein Termin für die Einführung stehe aber noch nicht fest, hieß es. Die Bezahlkarte sei gut, wenn Prozesse in der Verwaltung vereinfacht können.
Dass damit aber Überweisungen in Herkunftsländer verhindert werden können, bezweifelt Landrat Onno Eckert (SPD). Es gebe viele, auch legale Möglichkeiten, aus Dingen, die mit der Bezahlkarte gekauft werden können, Bargeld zu machen und diese ins Ausland zu schicken, sagte er der "Thüringer Allgemeine".
Ministerin gegen eingeschränkte Gültigkeit der Karten
Thüringens Migrationsministerin Doreen Denstädt (Grüne) warnt bei der flächendeckenden Einführung von Bezahlkarten für Geflüchtete vor diskriminierenden Sonderregelungen und Funktionseinschränkungen. Es gehe um eine gleichberechtigte Teilhabe, erklärte sie. Denstädt sprach sich gegen Einschränkungen in der Funktion im Vergleich zu EC-Karten aus. Wenn der Zugang zu Bargeld mit der Karte unterbunden würde, könnte das "als Ausdruck einer geringeren Vertrauenswürdigkeit verstanden werden", erklärte die Ministerin. Auch eine Geltung der Karten nur in bestimmten Regionen sieht Denstädt kritisch - es komme einer Einschränkung der Freizügigkeit gleich.
In dieser Woche hatten die Oppositionsparteien CDU und FDP eine schnelle Einführung von Bezahlkarten für Flüchtlinge in Thüringen verlangt - unabhängig vom Streit um die Karten in der Berliner Ampel-Koalition. Die CDU-Fraktion will die ausstehende landesweite Einführung der Bezahlkarte zum Thema im Landtag machen. Die rot-rot-grüne Landesregierung hat sich zuvor bereits für eine einheitliche Bezahlkarte ausgesprochen. Im Bundestag blockiert die Partei der Grünen eine bundesweit einheitliche Lösung, weil sie die aktuelle Regelung für ausreichend halten.
MDR (mad/aku/co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 22. Februar 2024 | 08:30 Uhr
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