Bürgerservice Verwaltung online: Wie weit ist Thüringen mit der Digitalisierung?
Hauptinhalt
08. Juli 2023, 05:00 Uhr
Das Onlinezugangsgesetz verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen über Verwaltungsportale auch digital anzubieten. Doch laut dem Deutschland-Index der Digitalisierung der Länder 2023 hat kein Bundesland diese Frist einhalten können. Thüringen weise immerhin einen "überdurchschnittlichen Wert" bei der Bereitstellung von Onlinediensten der Verwaltung auf. Welche Gründe hat die Verzögerung? Wir haben beim Finanzministerium und in Kommunen nachgefragt.
Eigentlich sollten kommunale Verwaltungsleistungen wie Baugenehmigungen, Gewerbeanmeldungen, Wohngeldanträge oder Kfz-Zulassungen längst online angeboten werden. Schließlich sah das Onlinezugangsgesetz (OZG) vor, bis Ende 2022 575 Verwaltungsleistungen bundesweit online verfügbar zu machen. Doch konnte, so steht es im Deutschland-Index der Digitalisierung der Länder 2023, "dieses ambitionierte Ziel nicht fristgerecht erreicht werden", und zwar in keinem Bundesland.
Auch Thüringen reiht sich hier mit ein. Immerhin gehört der Freistaat zu den Bundesländern, die in der aktuellen Erhebung des Deutschland-Index "überdurchschnittliche Werte" bei der Bereitstellung von Online-Diensten der Verwaltung aufweisen. So können Thüringer Bürgerinnen und Bürger durchschnittlich 5,3 von zehn untersuchten Verwaltungsleistungen online in Anspruch nehmen.
Spitzenreiter sind Hamburg mit neun von zehn und Berlin mit acht von zehn online zur Verfügung stehenden Leistungen. Weit unter dem Durchschnitt liegt Sachsen-Anhalt. Hier können Einwohner im Durchschnitt nur 1,5 von zehn untersuchten Dienstleistungen am PC oder am Handy erledigen.
Jede Kommune macht das letztendlich für sich.
Die Gründe für die Verzögerung bei der Digitalisierung der Verwaltung lägen vor allem im Föderalismus, sagte Frank Rapp, Leiter der IT-Abteilung der Stadt Greiz, MDR THÜRINGEN. "Bei Verwaltungsvorgängen gibt es einen Föderalismus, also eine Zuständigkeit der Länder und dann gibt es die Selbstverwaltung der Kommunen." Am Ende müssten die Kommunen alles umsetzen. "Man bekommt Unterstützung vom Land, aber letztendlich macht das jede Kommune für sich, das wird nicht zentral gemacht."
Wir können nicht vorschreiben, was die Kommune nutzen soll, wir können nur Angebote machen.
Das bestätigt eine Sprecherin des zuständigen Thüringer Finanzministeriums. Es gebe zwar zentrale landes- und bundesweite Lösungen und die Bereitstellung dieser Angebote würden vom Land bezahlt. Doch: "Wir können nicht vorschreiben, was die Kommune nutzen soll, wir können nur Angebote machen. Die Kommunen entscheiden selbst".
Fehlende Ressourcen
Frank Rapp aus Greiz sagt, den Kommunen mangele es aber ganz grundsätzlich an Ressourcen, an Geld und Personal, "Die Verwaltung zu digitalisieren ist ein sehr komplexer Vorgang, auch wegen der IT-Sicherheit. Es ist so gut wie unmöglich für eine Kommune, das eigenverantwortlich aufzustellen."
Dass es dennoch zu schaffen ist, zeigt das Beispiel von Neustadt/Orla (Saale-Orla-Kreis). "Wir haben tatsächlich 102 Behördengänge digitalisiert", sagte ein Sprecher der Stadt MDR THÜRINGEN. "Uns war es wichtig, dass wir uns frühzeitig mit der Digitalisierung beschäftigen." Doch auch er erklärt: "Wir arbeiten in Thüringen sehr dezentral."
Heißt, jede Kommune macht ihrs. Die Selbstverwaltung ist wichtig, führt aber dazu, dass Themen nicht nur von der Finanzierbarkeit, sondern auch vom politischen Willen und dem zuständigen Personal abhängig sind. Und die Digitalisierung der Verwaltung ist ein großes Thema.
Datenschutz als Herausforderung
Doch auch viele andere Aspekte spielen hier eine Rolle. Beispielsweise sei die Datenschutzrichtlinie in Deutschland "eine Herausforderung", sagt der Sprecher aus Neustadt/Orla. "Es ist nicht ohne weiteres möglich, beispielsweise Daten aus dem Standesamtswesen mit den Einwohnermeldewesen und dem Liegenschaftswesen zu verknüpfen."
Die Umstellung der Verwaltung sei ohne Frage sehr komplex, sagt denn auch die Sprecherin des Finanzministeriums. "Wir haben rund 250 Kommunen, die sehr unterschiedlich aufgestellt sind und wir haben eine große Zahl an Leistungen, die bereitgestellt werden sollen."
Wir stehen wie alle anderen immer noch am Anfang und das seit vielen Jahren.
All das führt dazu, dass bis heute die meisten Verwaltungsleistungen in vielen Thüringer Kommunen nicht online verfügbar sind. Auch Greiz reiht sich da ein. "Wir stehen wie alle anderen immer noch am Anfang und das seit vielen Jahren", sagt Frank Rapp. "Da sind wir nicht besser aufgestellt als viele andere Kommunen in Thüringen."
Dabei spielen für die große Mehrheit der Internetnutzenden Onlineangebote ihrer Stadt oder Gemeinde eine Rolle. Auch das geht aus dem Deutschland-Index zur Digitalisierung hervor. "Auf Gesamtdeutschland bezogen geben 73 Prozent an, mindestens eines der abgefragten Angebote schon einmal genutzt zu haben." Die Angebote sollten schnell und einfach auffindbar und nutzerfreundlich sein.
Erfurt hat eigenen Formularserver
Dafür gibt es in Thüringen ein webbasiertes Antragssystem, mit dem Kommunen Verwaltungsleistungen online anbieten können: Das Thüringer Onlineantrags-Managementsystem (Thavel). Kommunen können dieses vom Land bereitgestellte Portal nutzen, müssen das aber nicht. Deshalb finden sich hier nicht alle Städte und Gemeinden.
Erfurt zum Beispiel sucht man hier vergebens. Ein Sprecher der Stadt begründete das gegenüber MDR THÜRINGEN so: "Die Nutzung von Thavel-Anträgen ist derzeit schwierig." Die aktuelle Version von Thavel erlaube keine Entwicklung oder Anpassung von (bestehenden) Thavel-Diensten durch die Kommunen. Deshalb betreibe Erfurt einen stadteigenen Formularserver.
Es lässt sich feststellen: Die Bereitstellung von Online-Diensten der Verwaltung in Thüringen ist auf dem Weg, wenn auch deutlich langsamer als im Onlinezugangsgesetz vereinbart. Laut Thüringer Finanzministerium werden derzeit in über 100 Kommunen die Anbindungen der Online-Anträge für Straßennutzung, Kita-Anmeldung, Sepa-Lastschrift, Hundehaltung-Anmeldung und ein universeller Onlineantrag umgesetzt.
"Am Ende des Tages ist das Ziel, dass man schaut, ob und wie man Verwaltungsprozesse effektiver gestalten kann", sagt die Ministeriumssprecherin. Letztendlich sei die Digitalisierung eine Daueraufgabe. "Die wird die Verwaltung weiter begleiten." Und eines bleibt vorerst auch unstrittig: "Ich muss für die Bürger, die Verwaltungsdienste nicht online in Anspruch nehmen können, weiter analog zur Verfügung stehen", sagt der IT-Leiter in Greiz.
MDR (caf)
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/755530cb-ad14-4a80-8424-a09c5f68870a was not found on this server.