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Politik Bundestagswahl: So reagieren die Thüringer Parteien und Verbände
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24. Februar 2025, 15:57 Uhr
Die CDU konnte die Bundestagswahl bundesweit für sich entscheiden. Doch in Thüringen holte die AfD mit Abstand die meisten Stimmen. So reagieren Politiker und Verbände auf die Ergebnisse der Wahl.
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Nach der Bundestagswahl am Sonntag haben die Thüringer Parteien die Ergebnisse unterschiedlich eingeschätzt. Die im Freistaat vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte AfD hat die Bundestagswahl in Thüringen mit 38,6 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Das CDU-Ergebnis fiel mit 18,6 Prozent nur etwa halb so hoch aus. Die Linke verbesserte sich im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 von 11,4 auf 15,2 Prozent.
Ministerpräsident Voigt: Wahlergebnis ist "Weckruf für die Politik"
Thüringens CDU-Ministerpräsident Mario Voigt sagte der Nachrichtenagentur dpa, erst wenn sich in Berlin etwas grundlegend ändere, bestehe die Chance, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Zugleich sah er das AfD-Ergebnis als "Weckruf für die Politik". Es sei ein Ansporn, den pragmatischen Politik-Kurs der Thüringer Landesregierung fortzusetzen. Es gehe darum, "sich das Vertrauen der Leute zu erarbeiten". "Die Menschen wollen, dass ihre Alltagssorgen ernst genommen werden", sagte Voigt.
Thüringens CDU-Vize Christian Hirte bezeichnete das hohe AfD-Ergebnis am Sonntagabend als "Warnsignal für das ganze Land. Die Ampel-Regierung in Berlin habe das Ergebnis der AfD verdoppelt, so Hirte. Jetzt seien alle politischen Kräfte in der Verantwortung, eine gute Politik aus der Mitte zu machen.
AfD-Landeschef Höcke sieht Ampel und Brombeere von Thüringern abgewählt
Die Thüringer AfD hat die CDU erneut zu einer engeren Zusammenarbeit aufgefordert. AfD-Co-Landeschef Stefan Möller sagte MDR THÜRINGEN, die CDU müsse sich fragen, wie sie künftig mit der AfD umgehen will. Die Union wolle zwar ihre Brandmauer zur AfD aufrechterhalten. Sie merke aber auch, dass ihr diese Brandmauer letztlich schade. Die AfD sei jetzt in Thüringen in einer laut Möller "bärenstarken Position" und werde das im Landtag auch ausnutzen.
Die AfD ist jetzt in einer bärenstarken Position.
Nach Ansicht von Möller wird es Ministerpräsident Voigt künftig schwerer fallen, für seine Minderheitsregierung Stimmen von der Linken zu bekommen. Die Linke habe sich im Bundestagswahlkampf vor allem gegen CDU und AfD positioniert und damit auch Erfolg gehabt. Es sei fraglich, ob die Linke aus dieser Position heraus überhaupt bereit sei, die Brombeer-Koalition zu unterstützen.
Möller relativierte zudem seine gestrigen Aussagen zu einem möglichen Wechsel an der Spitze der AfD Thüringen. Es gebe zwar schon seit längerem Gespräche innerhalb der AfD, wie der Landesvorstand nach Ablauf der aktuellen Amtszeit im Jahr 2026 neu aufgestellt werden könnte.
Das Ergebnis bei der Bundestagswahl sei aber so gut gewesen, dass es keinen Anlass gebe, zum jetzigen Zeitpunkt über einen Führungswechsel nachzudenken. Wenn, dann müsse ein solcher Wechsel sehr behutsam vorgenommen werden.
Ramelow sieht Mitschuld der CDU an AfD-Ergebnis
Ex-Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht eine Mitschuld der CDU am bisher besten Ergebnis der AfD bei einer Bundestagswahl in Thüringen. Die CDU-geführte Landesregierung habe seit ihrem Amtsantritt vor allem die Diskussion um Abschiebehaftplätze geführt und sie zu einem großen Thema in der öffentlichen Wahrnehmung gemacht. Damit habe so den Eindruck verstärkt, Migranten seien das größte gesellschaftliche Problem in Thüringen, sagte Ramelow.
Natürlich gebe es Probleme durch Migration, sagte Ramelow. Auch er trage in seinem früheren Amt einen Teil Verantwortung, weil die Verwaltung in Thüringen bei der Unterbringung und Betreuung Geflüchteter nicht immer gut agiert habe. Nötig sei jetzt aber ein sachlicher Diskurs, um die Probleme zu lösen.
SPD-Landeschef sieht Landesregierung unter Handlungsdruck
Nach dem Erfolg der AfD in Thüringen bei der Bundestagswahl sieht SPD-Landeschef Georg Maier die Landesregierung unter Handlungsdruck. Die Koalition müsse sich darum bemühen, Wählerinnen und Wähler der AfD zurückzugewinnen. Manche AfD-Wähler wünschten sich zwar einen autoritären Staat. Aber es gebe auch noch viele, die man erreichen könne.
Seinen Angaben nach geht es hier auch um das Thema Migration. Einerseits müsse die Integration besser gefördert werden. Andererseits müssten aber auch diejenigen, die sich nicht an die Gesetze halten, zügig das Land verlassen. Die Menschen müssten sehen, dass der Rechtsstaat funktioniere und die Migration in geordneten Bahnen verlaufe. Das sei die Aufgabe der Politik auf Landes- und auf Bundesebene.
Laut Maier hat die SPD dieses Thema zuletzt nicht so beachtet wie es nötig gewesen wäre. Er bekräftigte, dass der SPD auch die sozialen Themen weiter wichtig seien, wie etwa Löhne, Renten und Pflege.
BSW: Katja Wolf nach Wahl enttäuscht
BSW-Co-Landeschefin Katja Wolf hat auf den verpassten Einzug ihrer Partei in den Bundestag von einer Enttäuschung gesprochen. Das knappe Ergebnis sei bitter, nur ein Jahr nach Gründung der Partei aber auch nicht komplett überraschend. In Thüringen werde die Partei weiterhin ihre Arbeit machen und das Land dabei fest im Blick haben. Die Verantwortung für die Gesamtpartei sei aber mit dem Ergebnis der Bundestagswahl gewachsen.
Das knappe Ergebnis ist bitter.
Das Bündnis Sahra Wagenknecht werde nun einen Plan entwickeln, um in vier Jahren in den Bundestag zu kommen, so Wolf. Der Parteigründerin selbst müsse man die Chance geben, Luft zu holen und gegebenenfalls ihre Rolle auch neu zu definieren. Sie selbst sei überzeugt, dass das BSW maßgeblich mit Wagenknecht verbunden ist, so Wolf.
Grüne mit Wahlergebnis zufrieden
Die Grünen in Thüringen zeigen sich einen Tag nach der Bundestagswahl zuversichtlich. Das Wahlergebnis von über vier Prozent in Thüringen gehe in die richtige Richtung und sei eine deutliche Verbesserung gegenüber der Landtagswahl. Da kam die Partei auf 3,2 Prozent. Das Bundestagsergebnis zeige, dass es gelingen könne, Vertrauen zurückzugewinnen, sagte Landessprecherin Ann-Sophie Bohm. Das Wahlergebnis der AfD bezeichnete sie als besorgniserregend. Man müsse der rechten Ideologie gemeinsam solidarische Politik gegenüberstellen und Demokratieverdrossenheit eindämmen, so die Grünenpolitikerin.
Das Wahlergebnis von über vier Prozent in Thüringen geht in die richtige Richtung und ist eine deutliche Verbesserung.
Die Grünen kamen nach vorläufigem Endergebnis in Thüringen auf 4,2 Prozent. Im Vergleich zur letzten Bundestagswahl hat die Partei Stimmen verloren. 2021 stimmten noch 6,6 Prozent für die Grünen.
FDP scheitert an Fünf-Prozent-Hürde: Kemmerich fordert Aufarbeitung
Für FDP-Chef Thomas Kemmerich spiegeln die Ergebnisse, die Umfragen im Vorfeld wider. Die FDP stehe derzeit bei fünf Prozent. Die Mehrheit habe konservativ gewählt. Die Aufgaben an die zukünftige Regierung seien klar adressiert: das Thema Migration in den Griff kriegen, die gefühlte und tatsächliche Sicherheit wieder herstellen und die Wirtschaft flott kriegen. Der FDP-Landesvorsitzende forderte eine Auseinandersetzung über die inhaltliche und personelle Ausrichtung der Partei beim Bundesparteitag im Mai. Dabei schloss er auch eine Neugründung der Partei nicht aus
Thüringer Wirtschaftsverbände reagieren unterschiedlich auf Wahlergebnisse
Die Wirtschaftsverbände in Thüringen haben unterschiedlich auf das Ergebnis der Bundestagswahl reagiert. Vom Verband der Wirtschaft Thüringens (VWT) hieß es, Politikerinnen und Politiker müssten nun parteiübergreifend als Brückenbauer agieren. VWT-Hauptgeschäftsführer Matthias Kreft sagte, ideologische Interessen hätten im Kampf um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft nichts zu suchen. Es brauche einen Konsens, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen.
Die Industrie- und Handelskammer Erfurt sieht die starke Rechte vor allem als Nachteil für den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland. IHK-Präsident Dieter Bauhaus nannte die Ergebnisse der Wahl ernüchternd, sie zeichneten ein Bild der Unzufriedenheit.
Die Ergebnisse der Wahl sind ernüchternd, sie zeichnen ein Bild der Unzufriedenheit.
Es brauche ein Wirtschaftswunder à la Ludwig Erhard mit Spielräumen für Unternehmen und Leistungsbereitschaft bei den Menschen. Die Regierung müsse mit einem Bundeshaushalt nun Planungssicherheit schaffen. Ludwig Erhard war von 1949 bis 1963 Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland und im Anschluss bis 1966 Bundeskanzler.
Die IHK Ostthüringen forderte unter anderem eine bedarfsgerechte Migrationspolitik ohne unnötige Hürden. Deutschland stecke in einer tiefen Krise, die neue Bundesregierung müsse sofort handeln, sagte Hauptgeschäftsführer Peter Höhne.
Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie zu den Ergebnissen der Bundestagswahl in Thüringen kommentieren möchten, dann nutzen Sie gern unseren Ergebnis-Artikel zur Wahl. Hier werden die Kommentare gebündelt. Vielen Dank für ihr Verständnis.
MDR (dpa/jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. Februar 2025 | 19:00 Uhr