Eine Wählerin wirft bei der Stimmabgabe zur Landtagswahl in Sachsen den Wahlzettel in einem Wahllokal in eine Wahlurne.
Die meisten Thüringerinnen und Thüringer haben bei der Bundestagswahl 2025 ihre Zweitstimme der AfD gegeben. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael

Bundestagswahl 2025 Analyse der Wahlergebnisse in Thüringen: Das Land bleibt eine blaue Bastion

24. Februar 2025, 10:30 Uhr

Die AfD erzielt in Thüringen ein besseres Ergebnis als in allen anderen Bundesländern und ist mit Abstand stärkste Kraft – aber nicht überall. Wie Thüringen im Vergleich zum Bund abgestimmt hat, wo die Hochburgen der Parteien liegen und welche Rolle der Ramelow-Effekt in Erfurt spielt: sechs zentrale Erkenntnisse zur Bundestagswahl.

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Bildrechte: David Wünschel

1. Thüringen bleibt eine blaue Bastion

Die AfD ist in Thüringen bei der Bundestagswahl 2025 mit deutlichem Abstand die stärkste Kraft. Mit einem Stimmenanteil von 38,6 Prozent liegt sie laut vorläufigem Ergebnis weit vor der CDU (18,6 Prozent). Die Linkspartei erzielt mit 15,2 Prozent das drittbeste Ergebnis und lässt das Bündnis Sahra Wagenknecht (9,4 Prozent) klar hinter sich. SPD, Grüne und FDP stürzen ab und holen in Thüringen zusammen weniger als jede sechste Stimme.

Die Unterschiede zum deutschlandweiten Ergebnis sind gewaltig. AfD, BSW und Linkspartei erreichen in Thüringen jeweils fast doppelt so hohe Stimmenanteile wie im Bund. Die CDU und die Ampelparteien schneiden hingegen deutlich schlechter ab als in anderen Bundesländern.

Die AfD verbessert sich damit um 5,8 Prozentpunkte im Vergleich zur Landtagswahl im September und um 14,6 Prozentpunkte im Vergleich zur Bundestagswahl vor vier Jahren. Auch die Linkspartei legt gegenüber 2021 um 7 Prozentpunkte zu, die CDU verzeichnet einen moderaten Zuwachs von 1,7 Prozentpunkten.

Die großen Verlierer sind die Ampel-Parteien: Vor vier Jahren holten SPD, Grüne und FDP in Thüringen zusammen noch 39,0 Prozent, diesmal sind es 15,8 Prozent.

Thüringen bleibt somit auch bei der Bundestagswahl 2025 eine blaue Bastion. In keinem anderen Bundesland erzielt die AfD ein besseres Ergebnis.

Die Wahlbeteiligung lag in Thüringen bei 80,7 Prozent und damit deutlich höher als 2021, aber wie schon bei den vergangenen Wahlen etwas niedriger als im Bund.

2. Die Gewinnerkarte: Fast ganz Thüringen ist blau

Färbt man Thüringens Gemeinden nach der Gewinnerpartei ein, dann ist Thüringen ein blaues Meer mit vereinzelten schwarzen und dunkelroten Flecken. In der überwältigenden Mehrheit der rund 600 Gemeinden erzielt die AfD den höchsten Zweitstimmenanteil. Die CDU gewinnt in 21 Gemeinden, die Linke liegt in Jena und in der kleinen Ortschaft Dietzenrode/Vatterode im Landkreis Eichsfeld vorne.

Die Gewinnerkarte sieht damit ganz anders aus als nach der Bundestagswahl 2021. Damals erzielte die SPD in zahlreichen Gemeinden das beste Ergebnis, insbesondere in den Landkreisen Schmalkalden-Meiningen und Nordhausen, aber auch in vielen Städten wie Weimar, Gotha, Jena und Erfurt. Das Rot von damals ist fast überall dem Blau der AfD gewichen. Selbst im katholisch geprägten Eichsfeld, wo bei vergangenen Wahlen meist die CDU dominierte, hat die AfD zahlreiche Gemeinden erobert.

3. Die Hochburgen der Parteien: Große Unterschiede zwischen Stadt und Land

Besonders stark ist die AfD in den ländlichen Regionen im Süden und im Osten Thüringens. Ihr stärkstes Zweitstimmenergebnis holt sie – wie schon bei der Landtagswahl vergangenes Jahr – in Karlsdorf im Saale-Holzland-Kreis (73,3 Prozent). In jeder einzelnen Gemeinde erreicht die Partei mindestens 19 Prozent, selbst im linken Jena. Das heißt: Überall in Thüringen spricht die AfD mittlerweile eine beträchtliche Zahl an Wählerinnen und Wählern an.

Die Hochburgen der anderen Parteien verteilen sich über das Land. Die CDU ist im Nordwesten im Landkreis Eichsfeld traditionell stark, auch diesmal liegt sie dort in einigen Gemeinden bei über 40 Prozent. Im Süden Thüringens landet sie mancherorts hingegen bei nur 5 Prozent. Die Linkspartei erzielt ihre besten Ergebnisse in den Städten und erreicht in Jena, Weimar und Erfurt fast ein Viertel der Stimmen.

Die SPD kommt in keiner einzigen Gemeinde auf mehr als 17 Prozent, in der Ortschaft Teichwitz im Landkreis Greiz holt sie keine einzige Stimme. Die Grünen erzielen lediglich in Weimar, Jena und der Ortschaft Lindewerra im Landkreis Eichsfeld ein zweistelliges Ergebnis.

Beim BSW sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land weniger stark ausgeprägt als bei den anderen Parteien. Im Gegensatz zu SPD, Grünen und FDP holt das BSW in jeder einzelnen Gemeinde ein paar Stimmen, ihr bestes Ergebnis erzielt sie in Kleinschwabhausen im Weimarer Land mit 20,3 Prozent.

4. Riesiger Ramelow-Effekt in Erfurt und Weimar

Bei Bundestagswahlen hat jede wahlberechtigte Person zwei Stimmen: eine Erststimme für einen Direktkandidaten und eine Zweitstimme für eine Partei. Im Wahlkreis 192 (Erfurt – Weimar – Weimarer Land II) klafft eine riesige Lücke zwischen Erst- und Zweitstimmenergebnis.

Während die Linkspartei bei den Zweitstimmen mit 22,1 Prozent hinter der AfD (26,9 Prozent) liegt, entfaltet sich bei den Erststimmen ein Ramelow-Effekt: Thüringens langjähriger Ministerpräsident Bodo Ramelow, der im Rahmen der "Mission Silberlocke" für den Bundestag kandidierte, gewinnt den Wahlkreis mit einem Ergebnis von 36,8 Prozent deutlich vor seinem AfD-Konkurrenten Alexander Claus (26,7 Prozent) und wird aus dem Landtag in den Bundestag wechseln.

Das zeigt zum einen, dass Ramelow in Teilen der Thüringer Wählerschaft nach wie vor sehr beliebt ist – und zum anderen, dass viele Wählerinnen und Wähler im Wahlkreis 192 ihre Erststimme gezielt eingesetzt haben, um ein Direktmandat für die AfD zu verhindern.

In allen anderen Thüringer Wahlkreisen landen die AfD-Kandidaten deutlich vor ihren Mitbewerbern. Selbst im Wahlkreis 189 (Eisenach – Wartburgkreis – Unstrut-Hainich-Kreis), wo der bisherige AfD-Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber nach einem Streit mit seiner Partei als unabhängiger Kandidat antrat, setzt sich sein AfD-Konkurrent Stefan Möller mit 38,5 Prozent der Erststimmen klar durch.

Damit gewinnt die AfD sieben Thüringer Wahlkreise, die Linkspartei einen. Bei der Wahl vor vier Jahren konnte die AfD nur vier Wahlkreise für sich entscheiden. Damals gewann die SPD drei Direktmandate, die CDU eines.

5. BSW: Kein Strohfeuer – zumindest in Thüringen

Das Bündnis Sahra Wagenknecht hat den Einzug in den Bundestag um rund 13.000 Stimmen verpasst. Derzeit ist noch unklar, wie es mit der Partei und ihrer Vorsitzenden weitergeht. Hätten allein die Thüringerinnen und Thüringer entschieden, hätte das BSW die Fünf-Prozent-Hürde locker übersprungen: Mit 9,4 Prozent liegt die Partei zwar deutlich unter ihrem Landtagswahlergebnis vom September (15,8 Prozent), erreicht aber in jedem Kreis mindestens 6,4 Prozent der Stimmen.

Das zeigt einerseits, dass das BSW in Thüringen weiterhin eine große Wählerschaft anspricht. Andererseits bedeutet es, dass ein beträchtlicher Teil der Thüringer Stimmen nun im Bundestag unberücksichtigt bleibt.

6. Friedrichroda stimmt so ab wie der Thüringer Durchschnitt

Die Gemeinde mit den geringsten Unterschieden zum Thüringer Ergebnis ist Friedrichroda im Landkreis Gotha. Hier erzielen alle Parteien fast dieselben Ergebnisse wie im landesweiten Durchschnitt.

Am größten sind die Unterschiede zum landesweiten Ergebnis in Karlsdorf im Saale-Holzland-Kreis: Hier holt die AfD einen Stimmanteil von 73,3 Prozent, CDU und SPD landen bei gerade einmal 5 Prozent, die Grünen holen keine einzige Stimme.

Allerdings ist Karlsdorf eine der kleinsten Thüringer Gemeinden mit eigenem Wahlbezirk, hier gaben nur 60 Menschen ihre Stimme ab.

Anmerkung der Redaktion: Wenn Sie zu den Ergebnissen der Bundestagswahl in Thüringen kommentieren möchten, dann nutzen Sie gern unseren Ergebnis-Artikel zur Wahl. Hier werden die Kommentare gebündelt. Vielen Dank für ihr Verständnis.

MDR (David Wünschel)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 24. Februar 2025 | 19:00 Uhr

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