Agrarpolitik Bauernproteste in Thüringen fortgesetzt: Größere Kundgebung in Jena, mehrere Blockaden
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10. Januar 2024, 13:11 Uhr
Die Thüringer Landwirte setzen ihre Proteste gegen die Sparpläne der Bundesregierung fort. Schwerpunkt ist am Mittwoch Ostthüringen, aber auch eine Autobahnabfahrt bei Erfurt war betroffen. Autofahrer müssen mit Behinderungen rechnen.
In Ostthüringen protestieren die Bauern den dritten Tag in Folge. Einen Überblick über aktuelle Sperrungen in Thüringen gibt es hier.
Blockaden im Raum Gera und im Altenburger Land
So hat es seit dem frühen Mittwochmorgen zwischen Gera-Hain und Bad Köstritz Behinderungen gegeben, weil mehrere große Fahrzeuge die Straßen blockierten. Wie Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) bei Facebook mitteilte, muss im Norden und Westen Geras zwischen 5 und 14 Uhr mit Verkehrseinschränkungen gerechnet werden.
In der Nacht zu Mittwoch hatten zuvor Unbekannte im Geraer Stadtzentrum einen dampfenden Misthaufen abgeladen. Dieser wurde nach Angaben der Polizei vor dem Parteibüro von Bündnis 90/GRÜNE verteilt. Auch ein Schild wurde dort aufgestellt, was den Angaben nach Bezug auf die aktuellen Proteste der Landwirte nimmt. Die Polizei ermittelt.
Kundgebung auf dem Eichplatz in Jena
Rund 100 Traktoren von Landwirten aus aus dem Saale-Holzland-Kreis sind am Mittwoch auf drei Strecken durch Jena gerollt. Am Morgen waren sie nach Angaben der Organisatoren von den Agrargenossenschaften Schöps, Wechmar, Isserstedt und Königshofen aus gestartet. Sie fuhren mehrmals langsam durch die Innenstadt. Zufahrten würden nicht blockiert, sagte Mitorganisator Tristan Sammer. Laut die Verkehrsgesellschaft JES konnte es trotzdem wegen der Proteste zu Verspätungen bei Bussen und Straßenbahnen kommen. Die Polizei berichtete von nur wenig Verkehrsbeeinträchtigungen bei der Fahrt nach Jena.
Höhepunkt der Proteste am Mittwoch in Jena war eine Kundgebung auf dem Eichplatz. Dort hatten sich zur Mittagszeit mehrere hundert Bauern, Handwerker und Gewerbetreibende aus Jena und anderen Teilen Thüringens versammelt. Der stellvertretende Thüringer Bauernverbands-Präsident Udo Große kritisierte in seiner Rede die Bundesregierung scharf: "Wir Bauern werden im Moment zum Opfer einer desaströsen Wirtschafts-, Finanz- und Energiepolitik der Bundesregierung." Die Darstellung der Bauern als notorische Subventionsempfänger sei ein Skandal.
Handwerker unterstützen Bauernproteste in Jena
Unterstützung für die Proteste der Bauern in Jena kam im Vorfeld von den Handwerkern der Region. Wie die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, Manuela Vogt, MDR THÜRINGEN sagte, brodelt es schon seit langem bei den Handwerkern. Es gehe nicht nur um das Zurückrudern von "ideologiegetriebenen Politik-Erlassen". Der Abbau der "überbordenden und lähmenden Bürokratie" dürfe nicht länger nur ein Lippenbekenntnis bleiben. Zur Kreishandwerkerschaft gehören acht Innungen mit etwa 300 Mitgliedsbetrieben.
Auch im Altenburger Land hatten wieder Bauern gegen die Politik der Bundesregierung protestiert. Auf der B93 war das Zschaschelwitzer Kreuz von 6 Uhr bis zur Mittagszeit blockiert.
Zufahrt zu Gewerbegebiet in Erfurt blockiert
In Erfurt hatten am Mittwochmorgen Bauern mit ihren Traktoren die Zufahrt zum Gewerbegebiet in Stotternheim blockiert. Wie die Polizei mitteilte, hatten zwölf Traktoren sich in den Verkehrskreisel gestellt. Dadurch staute sich der Verkehr bis zur Autobahnabfahrt der A 71 bei Stotternheim. Rettungsfahrzeuge hätten die Straße aber passieren können. Der Bauernprotest dauerte etwa anderthalb Stunden. Gegen 8 Uhr hatten die Bauern ihren Protest wieder aufgehoben.
Warum die Bauern protestieren
Die Proteste der Landwirte richten sich gegen geplante Subventionskürzungen der Bundesregierung. Schrittweise abgeschafft werden soll danach die Steuerbegünstigung auf Agrardiesel. Dass die Ampelkoalition einen Teil ihrer Kürzungspläne zurückgenommen hat, reicht dem Bundesbauernverband nicht aus. Am Montag hatten rund 6.500 Menschen an einer zentralen Kundgebung in Erfurt teilgenommen. Dem deutschen Bauernpräsident Joachim Rukwied zufolge könnten die Proteste länger andauern als geplant.
Neue Kommission für Bauern kein Lösungsansatz
Am Mittwoch hatte der Thüringer Bauernverband (TBV) mit Skepsis auf einen Vorschlag reagiert, für die Landwirtschaft ein der Kohlekommission ähnliches Gremium einzurichten. "Es gab ja zum Beispiel die Borchert-Kommission und die hat aufgehört, obwohl sie gute Arbeit geleistet hat", sagte die Pressereferentin des Thüringer Bauernverbands, Katja Förster, am Mittwoch. Wie zielführend eine weitere Kommission sei, sei also fraglich.
Zuvor hatte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) angesichts der anhaltenden Proteste von Landwirten ein solches Gremium vorgeschlagen. In der "Rheinischen Post" hatte er gefordert, dass der Bund eine Kommission mit relevanten Vertretern zur Zukunft der Landwirtschaft einberufe. Auch der Thüringer CDU-Fraktionschef Mario Voigt schloss sich dieser Idee an. Es brauche jetzt ein "belastbares Format für eine vernünftige Lösung für unsere Landwirtschaft", schrieb Voigt auf der Plattform X.
Die Borchert-Kommission wiederum hatte ihre Arbeit im vergangenen Sommer beendet. Das Gremium um den früheren Bundesagrarminister Jochen Borchert (CDU) erarbeitete Vorschläge für bessere Bedingungen in der Tierhaltung. Die Kommission erklärte aber, dass die Politik jahrelang nicht die - vor allem finanziellen - Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung ihrer Empfehlungen geschaffen habe. Dem Gremium gehörten Vertreter von Wissenschaft, Wirtschaft, Umweltschützern und der Länder an.
Weitere Einschränkungen durch Bahnstreik
Parallel zu den Protesten der Bauern dauert der Streik der Lokführergewerkschaft GDL bei der Deutschen Bahn auch in Thüringen an. Bis Freitag wird mit teils erheblichen Beeinträchtigungen vor allem im Fernverkehr, aber auch im Regionalverkehr der Deutschen Bahn gerechnet. Züge anderer Anbieter wie Abellio, Vogtlandbahn, Südthüringen Bahn oder Erfurter Bahn fuhren hingegen in Thüringen zu großen Teilen weiter und verzeichneten mehr Fahrgäste.
MDR (kabe/co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 10. Januar 2024 | 08:30 Uhr