Flughafen Leipzig/Halle "Wertschätzung gleich Null": Lufthansa-Bodenpersonal streikt in Leipzig
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24. Oktober 2024, 16:08 Uhr
Am Donnerstag blieben viele Check-in-Schalter am Leipziger Flughafen leer. Grund ist der zweite Warnstreik des Lufthansa-Bodenpersonals. Unter den Streikenden ist der Ärger groß, noch größer aber ist ihre Enttäuschung über das jüngste Angebot ihres Arbeitgebers, der bald ganz auf dutzende Mitarbeiter in Leipzig verzichten will.
- Tarifstreit: Leipziger Lufthansa-Angestellte sehen nur ein "minimales Angebot" der Airline.
- Alleinerziehende Angestellte ist auf Zweitjob und Familie angewiesen.
- Schließung: Etwa 140 Lufthansa-Mitarbeiter in Leipzig und Dresden sollen ihren Job verlieren.
Rund 40 Beschäftigte einer Lufthansa-Tochterfirma sind am Donnerstagmorgen zu einem Warnstreik zusammengekommen. Die Angestellten versammelten sich am Ankunftsgebäude des Flughafens Leipzig/Halle und wiesen mit Plakaten auf ihre Lage hin. Bereits am 2. Oktober hatte es einen Warnstreik gegeben. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sind die Tarifverhandlungen festgefahren. Der Konzern hatte für die Ende April 2024 gekündigten Tarifverträge eine Vergütungserhöhung von drei Prozent zum 1. Februar 2025 und einen Inflationsausgleich von 1.000 Euro angeboten.
"Minimales Angebot" der Lufthansa
Man sei "sehr enttäuscht über das minimale Angebot des Arbeitgebers", sagte eine der Angestellten der Lufthansa-Tochter Airport Service Leipzig, Sylvia Halbach, im Gespräch mit MDR SACHSEN: "Gerade für die schlecht bezahlten alleinerziehenden Kolleginnen und Kollegen hier wird das immer schwieriger. Vor dem Hintergrund einer Inflation von circa 20 Prozent seit 2020 und im Kontrast dazu Milliardengewinne der Lufthansa und Ausschüttungen an Aktionäre, bei immer noch 1.000 Euro Lohnunterschied zwischen Lufthansa-Ost und -West ist das eine Enttäuschung."
Ost-Angestellte: Weniger Geld bei mehr Arbeit
Verdi fordert eine Lohnerhöhung von 850 Euro, einen Inflationsausgleich in Höhe von 3.000 Euro und die Anwendung des Lufthansa-Manteltarifvertrages. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung sollen damit "endlich vergleichbare Bedingungen" für alle Beschäftigten im Lufthansa-Konzern geschaffen werden. Aktuell erhielten Ost-Angestellte zwischen 750 und mehr als 1.000 Euro weniger für vergleichbare Tätigkeiten. Und das trotz längeren Arbeitszeiten von 1,5 Stunden mehr.
Dann suchen Sie sich doch einen Zweitjob, gehen Sie vielleicht putzen.
Das Angebot der Arbeitgeberseite wertet Verdi so: Drei Prozent Erhöhung würden einen erhöhten monatlichen Beitrag zwischen 20 und 100 Euro ergeben. Verdi-Gewerkschaftssekretär Lou Hauser sprach von einer "mehr als angemessenen Forderung".
Alleinerziehende braucht Zweitjob und ihre Mutter als Hilfe
Sylvia Halbach ist seit 1997 dabei. Die studierte Germanistin und Romanistin ist alleinerziehend und kommt mit ihrem Gehalt nicht über die Runden: "Ich werde von meiner Mutter unterstützt und habe einen Zweitjob, um netto auf das zu kommen, was andere im Westen verdienen." Weil sie nicht mehr als 30 Stunden am Flughafen arbeiten durfte, bekam sie zu hören: "Dann suchen Sie sich doch einen Zweitjob, gehen Sie vielleicht putzen." Putzen gegangen ist sie nicht. Die 47-Jährige gibt seit zehn Jahren noch Deutsch-Unterricht. Ihre Tochter studiert und "bekommt zum Glück BAföG". Ihre Mutter ist verwundert, dass eine Lufthansa-Angestellte noch einen Zweitjob braucht. Der Streik nimmt Sylvia Halbach sichtlich mit.
Angebot wird als "Peanuts" empfunden
Der Ärger bei den Streikenden, darunter sind viele Frauen, ist groß. Noch größer ist die Enttäuschung über die Lufthansa, '"weil man nach 35 Jahren qualitativ guter Arbeit so abgefertigt wird", sagt Sabine Rabe. Andere Angestellte hoffen "wenigstens auf einen würdigen Abschied". Die vorgeschlagene Lohnerhöhung von drei Prozent wird als "Peanuts, die sie uns hinwerfen" bezeichnet. "Die Wertschätzung ist gleich null", sagt eine Mitarbeiterin angesichts des Angebots. Verdi-Sekretär Hauser sprach von einer "enormen Frustration".
Angestellte kümmern sich um Check-in, Flugzeuge und Flugausfälle
Auch in Dresden wurde am Donnerstag gestreikt. Dort sind die Beschäftigten bei der Airport Service Dresden angestellt. Die Mitarbeiter der Service-GmbHs sind zuständig für Check-in, Boarding, die Beladung und die An- und Abnahme der Flugzeuge. Außerdem kümmern sie sich um Lösungen bei Flugausfällen oder um verschwundene Koffer.
Lufthansa-Töchter in Leipzig und Dresden vor Schließung
Diese beiden Lufthansa-Töchter mit jeweils rund 70 Angestellten in Dresden und Leipzig sollen demnächst geschlossen werden. Den genauen Zeitpunkt teilte die Lufthansa noch nicht mit. Lou Hauser von Verdi sagt: "Es geht jetzt darum, für die Monate, in denen das Unternehmen noch bestehen bleibt, faire Arbeitsbedingungen herzustellen und danach einen fairen Übergang für die Beschäftigen herzustellen." Dazu gebe es derzeit Verhandlungen zwischen Betriebsräten und der Airline.
Flüge nach Frankfurt, Wien und Düsseldorf ausgefallen
Am Donnerstag kam es in Leipzig zu einigen Flugausfällen. Dies betraf die Lufthansa und ihre Töchter Eurowings und Austrian Airlines. Bis zum Nachmittag waren drei Starts nach Frankfurt, zwei nach Wien und einer nach Düsseldorf abgesagt worden. Zum Streik wollte sich Lufthansa auf Anfrage nicht äußern und schrieb: "Die Lufthansa Group bedauert die entstandenen Unannehmlichkeiten für die betroffenen Gäste."
MDR (cke)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regional-Report | 24. Oktober 2024 | 12:30 Uhr