Ein Rechtsanwalt schlägt in Gesetzesbüchern nach colourbox953266
In vielen Gerichten und in Staatsanwaltschaften türmen sich die Aktenberge. Die unerledigten Verfahren führen auch zu immer mehr Entlassungen von Tatverdächtigen aus der U-Haft. (Archivbild) Bildrechte: colourbox.com

Überlastete Justiz Starker Anstieg offener Straffälle in Sachsen - bundesweit meiste Entlassungen aus U-Haft

12. März 2025, 13:06 Uhr

Die Aufgaben der Justiz in Sachsen sind vielfältig. Ständig kommen neue Verfahren hinzu, die Aktenberge wachsen an vielen Gerichten und bei den Staatsanwaltschaften. Bei der Anklagebehörde dauern Verfahren teils so lange, dass Verdächtige aus der Untersuchungshaft freikommen. Sachsen fällt da besonders negativ auf.

Der Bearbeitungsstau bei den sächsischen Staatsanwaltschaften ist im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Der Deutsche Richterbund berichtet unter Berufung auf das Landesjustizministerium von mehr als 46.000 offenen Verfahren am Jahresende. Das seien gut 4.600 Fälle mehr als Ende 2023. Seit 2021 gebe es einen deutlichen Anstieg der unerledigten Verfahren um 54 Prozent.

Das gilt laut Richterbund nicht nur für liegengebliebene, sondern auch für neue Verfahren. Ihr Anzahl sei von 225.000 im Jahr 2021 auf zuletzt mehr als 301.000 gestiegen.

So viele Verdächtige aus U-Haft entlassen wie sonst nirgends in Deutschland

Eine Folge: Allein 15 dringend Tatverdächtige mussten in Sachsen laut Richterbund 2024 aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Das sind bundesweit die meisten Fälle und ein Viertel aller Fälle. "Die Alarmsignale für einen überlasteten Rechtsstaat häufen sich", sagte Richterbund-Geschäftsführer Sven Rebehn. "Es ist offensichtlich, dass es jetzt ein Sofortprogramm braucht, damit die Strafjustiz nicht zum Flaschenhals bei der Kriminalitätsbekämpfung wird", betonte Rebehn mit Blick auf die anstehenden Koalitionsgespräche von Union und SPD.

Richtervereinigung: Einführung von E-Akte führt zu Mehrarbeit

Ein Grund für die vielen unerledigten Strafverfahren ist laut Neuer Richtervereinigung in Sachsen die Einführung der elektronischen Akte bei den Staatsanwaltschaften des Freistaats. Verbandssprecher Ruben Franzen, Richter am Amtsgericht Eilenburg, sagte MDR SACHSEN, die Einführung der E-Akte koste Ressourcen und bedeute zunächst einen Mehraufwand von etwa 20 Prozent. "Sachsen ist bei der Digitalisierung der Staatsanwaltschaften bundesweit am weitesten."

Auch die Einführung der Online-Anzeigen bei der Polizei führe zu Mehrarbeit bei den Staatsanwaltschaften, so Franzen.

Das Programm «eAkte Justiz» wird während einer Pressekonferenz nach der Einführung der elektronischen Akte an allen Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit präsentiert.
Die elektronische Akte wird seit 2019 in der Justiz schrittweise eingeführt. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Bis 2026 sollen elektronische Akten überall in Sachsens Justiz Standard sein. In anderen Bereichen ist die Einführung schon weiter vorangeschritten, etwa an den Arbeits-, Verwaltungs-, und Sozialgerichten in Sachsen. Auch neue Zivilsachen werden an den Amts- und Landgerichten nur noch elektronisch bearbeitet.

MDR (kbe)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 11. März 2025 | 06:00 Uhr

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