Justiz Richterverein warnt vor erheblichen Personalmangel bis 2030 in Sachsen

02. April 2023, 14:44 Uhr

Aus Sicht des sächsischen Richtervereins werden Gerichte in Sachsen bald ein Altersproblem haben. Bis 2030 könnten fast die Hälfte der Richter und Staatsanwälte in Pension gehen. Das liege laut Verein unter anderem daran, dass die Justiz in Sachsen nach 1990 neu aufgebaut wurde und dadurch damals viele junge Juristen aus Westdeutschland kamen. Das Justizministerium widerspricht und stellt für die nächsten Jahre genügend Neuanstellungen in Aussicht.

An Strafgerichten in Sachsen könnte es in Zukunft an Personal mangeln. Das befürchtet der sächsische Richterverein, der im Zuge einer Umfrage der Deutschen Presseagentur davor gewarnt hat, dass bald viele Richter und Staatsanwälte den Staatsdienst verlassen werden. "Bis 2030 wird fast jeder zweite von ihnen in Pension gehen", sagte der Vorsitzende der Vereinigung, Reinhard Schade.

Insgesamt befänden sich 46 Prozent der Richter und Staatsanwälte nur wenige Jahre vom Ruhestand entfernt. Sollte diese Gruppe wegfallen, befürchtet der Verein, dass viele Strafkammern ihrer Arbeit nicht mehr nachkommen können und Gerichtsverfahren in die Länge gezogen werden. Viele Berufsanfänger einzustellen sei keine Lösung, da sie nicht in der Lage wären, die Lücken auf die Schnelle zu füllen, warnt der Verein. Zudem bestehe die Gefahr, dass Fachwissen verloren gehe.

Justiz in Sachsen wurde nach 1990 neu aufgebaut

Der Grund für die vielen zukünftigen Ruheständler geht auf das Jahr 1990 zurück. Nach der Wende stellte man die Justiz in Sachsen neu auf. Aus Westdeutschland kamen viele junge Studienabgänger in den Freistaat. Heute machen sie einen Großteil der hohen Ämter an Gerichten aus. Das Durchschnittsalter von Richtern liegt bei 52,2 Jahren, während Staatsanwälte im Schnitt 46,5 Jahre alt sind.    

Um den drohenden Personalmangel abzufedern, plädiert der sächsische Richterverein dafür, jetzt mehr erfahrene Richter und Staatsanwälte einzustellen. Zudem sei es ein Fehler gewesen, die Juristenausbildung an der TU Dresden zu beschneiden. Seit 2020 gibt es an der Universität keine eigenständige juristische Fakultät mehr. Zuvor waren bereits einige Jurastudiengänge eingestellt worden.   

Justizministerium sieht derzeit keinen Personalmangel

Das Justizministerium weist auf Anfrage darauf hin, dass derzeit alle Gerichte des Freistaates voll besetzt sind. Seit einigen Jahren stelle man zudem verstärkt Proberichter ein, um Altersabgänge zu ersetzen.

Dadurch sei bereits die personelle Situation an den Gerichten und neuen Strafkammern verbessert worden, was die Dauer der Verfahren verkürzt hätte. Zudem werde versucht, neue Angestellte mit hohen Gehältern, Teilzeit-Jobs und flexibleren Arbeitsbedingungen zu gewinnen. Auch Absolventen anderer juristischer Ausbildungswege würden derzeit angeworben.

Darüber hinaus hat der Bund im Rahmen eines Finanzpakets weitere Stellen im Justiz- und Staatsanwaltsdienst geschaffen, ergänzt das Ministerium. Aktuell sind in Sachsen 1.110 Richter und 401 Staatsanwälte angestellt.

Verbraucherzentrale: Verfahren dauern schon heute zu lange

Nach eigenen Angaben erhalten an der Universität Leipzig im Jahr etwa 250 Juristen und Juristinnen einen Studienabschluss. "Die Absolventenzahlen schwankten in den vergangenen Jahren nur wenig", sagte eine Sprecherin der Uni. Wie viele davon schlussendlich in den Staatsdienst wechseln, könne jedoch nicht gesagt werden.

Die Dauer von Gerichtsverfahren seien jedoch bereits heute ein Problem, meint die Verbraucherzentrale Sachsen, da sich insbesondere Musterfeststellungsklagen oft zu lange hinziehen würden. Möglicherweise können Betroffene dann nicht mehr von einem Gerichtsurteil profitieren, wenn der Sachverhalt mittlerweile verjährt ist. Bei einer Musterfeststellungsklage klagt ein Verbraucherverband statt einer einzelnen Person.

MDR (mad,dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 01. April 2023 | 09:00 Uhr

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