02.09.2019 | 18:55 Uhr Sachsen-CDU: Kenia-Koalition nicht der "Optimalfall"
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02. September 2019, 18:55 Uhr
Nach seinem Wahlsieg steht Sachsens Ministerpräsident Kretschmer vor einer schwierigen Regierungsbildung. Dafür bittet er schon mal um Geduld. Die Grünen formulieren klare Erwartungen, sehen aber auch ein Fundament.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) rechnet nach der Landtagswahl mit einer längeren Phase der Regierungsbildung. Vor einer Wahl sage man, mit wem man regieren möchte, nach der Wahl müsse man mit dem Ergebnis umgehen, sagte Kretschmer am Montag in Berlin. Der sächsische CDU-Generalsekretär Alexander Dierks räumte in Dresden ein, eine sogenannte Kenia-Koalition aus CDU, SPD und Grünen - die derzeit als wahrscheinlichste Option gilt - sei nicht der "Optimalfall". Dennoch sollten Demokraten bereit sein, um Kompromisse zu ringen. Nun gehe es zunächst darum, das Wahlergebnis in Gremiensitzungen und im Landesvorstand auszuwerten und die nächsten Schritte zu besprechen. Dann würden die Parteien zunächst intern ausloten, inwieweit man mit anderen in Gespräche einsteige.
Für uns ist es ein gutes Signal, dass diese letzten 18 bis 20 Monate, dieses intensive Zuhören, Verstehen und Anpacken, wirklich zu neuem Vertrauen geführt hat. Das macht uns Mut für die kommenden Jahre, da noch viel mehr zu erreichen, viel mehr Menschen zu erreichen. Auch zu beweisen, dass die Ideen, die Konzepte, die wir haben, am Ende aufgehen und wirklich die Sorgen lösen, die die Menschen uns erzählt haben.
Bei der Wahl am Sonntag war die CDU mit 32,1 Prozent wieder stärkste Kraft geworden, die bisherige CDU-SPD-Koalition hat aber keine Mehrheit mehr. Bündnisse mit der AfD, die mit 27,5 Prozent ihr bestes Landtagswahlergebnis überhaupt einfuhr, hat Kretschmer ausgeschlossen, ebenso eine Zusammenarbeit mit den Linken. Die einzige Dreierkoalition, die damit infrage käme, besteht aus CDU, SPD und Grünen. Kretschmer sagte, das werde eine Weile dauern.
Grüne freuen sich über drei Direktmandate
Die Grünen haben wiederholt erklärt, dass sie sich einer Koalition mit der CDU nicht verweigern würden. Der Bundesvorsitzende Robert Habeck machte am Montag aber deutlich, dass er von der sächsischen CDU in Gesprächen über eine Koalition Entgegenkommen erwartet. Damit diese zu einem "guten Ergebnis" kämen, werde die CDU "einige Aussagen kassieren müssen" und Lehren aus dem Wahlergebnis ziehen, sagte er. Die sächsische Spitzenkandidatin Katja Meier nannte den Ausbau der erneuerbaren Energien, Gemeinschaftsschulen und steigende Mieten vor allem in Dresden und Leipzig als große Themen - aber auch die Arbeit an einer "neuen politischen Kultur" im Landtag. Ihr Tandempartner Wolfram Günther betonte am Montag, mit dem "historisch guten Ergebnis" zufrieden zu sein. "Vor allem dass es gelungen ist in Ostdeutschland Direktmandate zu erzielen und das gleich in zwei Städten." Aus Leipzig ziehen zwei Direktkandidaten und aus Dresden einer in den Landtag ein.
Es gibt ein Fundament und vor allem gibt es auch die Verantwortung: Wir müssen in Sachsen eine stabile demokratische Regierung haben. Wir müssen wichtige Zukunftsfragen angehen und haben alle Verantwortung. Man muss aufeinander zugehen.
Die Grünen in Sachsen wollen vermutlich noch in dieser Woche über die Aufnahme von Sondierungsgesprächen entscheiden. Auf einem Landesparteirat am Samstag in Dresden solle über mögliche Sondierungen abgestimmt werden
SPD will in Sondierungsgespräche gehen
Der sächsische SPD-Spitzenkandidat Martin Dulig machte für das historisch schlechte Abschneiden seiner Partei die Polarisierung zwischen CDU und AfD verantwortlich. Viele Wähler hätten sich taktisch entschieden, um einen noch größeren Rechtsruck zu verhindern, sagte er. "Dass wir das jetzt ausbaden mussten, ist tragisch." Sein Eindruck sei aber gewesen, dass sich nahezu jeder Wähler in Sachsen Gedanken über den Wert seiner Stimme gemacht habe. "Die Sorge, dass ein weiteres Erstarken der AfD möglich war, habe viele Leute dazu gebracht, ihre Stimme anders zu verteilen." Die SPD fiel am Sonntag auf 7,7 Prozent und fuhr damit das bundesweit schlechteste Landtagswahlergebnis ihrer Geschichte ein.
In Sachsen gibt es nur eine realistische Koalitionsmöglichkeit - CDU, Grüne und SPD. Wir werden in Sondierungsgespräche gehen. Auch wenn es rein rechnerisch die einzig realistische Option ist,ist das kein Selbstläufer, weil natürlich auch jeder schaut, dass es passt. ich habe kein Interesse daran, nur eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners zu finden. Ich werde meinem Landesvorstand heute vorschlagen in Sondierungsgespräche zu gehen.
AfD sieht sich in Wahlkampf behindert
Die AfD bekräftigte ihre Ankündigung, mit "allen rechtlichen Mitteln" gegen die gekürzte Landesliste vorzugehen. Zunächst will die Partei einen Untersuchungsausschuss zum Thema im Landtag durchsetzen, zudem soll der Fall dem Wahlprüfungsausschuss vorgelegt werden. Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban sprach auf der Pressekonferenz in Berlin von einem unfairen Wahlkampf. "Wir haben nicht die gleichen Bedingungen, wie andere Parteien", so Urban.
Wir haben einen massiven Widerstand erlebt, nicht nur von den anderen Parteien, sondern von der gesamten Medienlandschaft, von Gewerkschaften, von GEZ-Schauspielern, von Kirchen usw. Das erklärt, warum wir nicht 35 Prozent erreicht haben.
Das Verfassungsgericht Leipzig hatte vor der Wahl entschieden, dass die AfD wegen formaler Fehler nur mit 30 Listenkandidaten und nicht wie geplant mit 61 antreten darf. Die Rechtspopulisten sitzen wegen der Kürzung der Liste mit 38 statt mit 39 Abgeordneten im Landtag.
Stolperte die Linke über Migrationsfrage?
Die Linken zeigten sich vom Ausgang der Wahlen in Sachsen "extrem enttäuscht". Inhaltlich sei die Partei kaum zu den Wählern durchgedrungen, dies müsse aufgearbeitet werde, sagte Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak in Dresden. Fraktionschef Rico Gebhardt sieht in einer ersten Analyse die Frage der Migration als eines der entscheidenden Wahlkampfthemen. Da hätte die Linke aus Sicht der Wähler möglicherweise eine andere Haltung einnehmen sollen. "Aber ich kann nicht durchs Land reisen, wo ich genau weiß, dass bis zum Jahr 2030 in Sachsen 300.000 Arbeitsplätze verloren gehen, nur weil sie nicht besetzt werden können, weil nicht genug Menschen da sind. Wir brauchen Zuwanderung - auch mit nichtqualifizierten Leuten", so Gebhardt am Montag in Dresden.
Die Linke hatte nur noch 10,4 Prozent der Stimmen erhalten - nach 18,9 Prozent im Jahr 2014.
Ein zweiter Punkt gerät manchmal in Vergessenheit. 54 Prozent der Sachsen sagen, dass Kriminalität ein entscheidendes Thema im Wahlkampf für sie ist. Da haben wir als linke Partei schlechte Karten. Uns wird keine Kompetenz zugeschrieben bei dem Thema.
FDP will über personelle Konsequenzen beraten
Für die FDP hat es erneut nicht gereicht, um in den Landtag zu kommen. Sie verfehlte die fünf Prozent-Hürde wie auch schon 2014. Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow zeigte sich in Berlin tief enttäuscht. Es seien wohl viele taktische Wähler gewesen, die der FDP Stimmen gekostet haben. "Trotz alledem haben sie natürlich genau die Partei gewählt, die für das Entstehen der AfD aus meiner Sicht maßgeblich verantwortlich ist und für viele Dinge, die bei uns nicht so gut laufen, auch die Hauptverantwortung trägt." Über mögliche personelle Konsequenzen werde die FDP am Montagabend beraten. Zastrow hatte angekündigt zurückzutreten, sollte es die FDP erneut nicht in den Landtag schaffen.
Ich prophezeie ganz, ganz schwierige Jahre für den Freistaat, was die politische Ausgestaltung betrifft. Denn, dass sieht man jetzt auch an dem Wahlergebnis, wir haben jetzt als Opposition dort nur noch die Ränder und wir haben wahrscheinlich eine Regierung einer CDU, die mit SPD und Grünen Kompromisse machen wird, die in Sachsen keinesfalls auf Zustimmung treffen werden.
Quelle: MDR/dk/dpa/afp
Dieses Thema im Programm bei MDR SACHSEN MDR SACHSENSPIEGEL | 02.09.2019 | 19:00 Uhr
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