Sächsischer Landtag Minister Schmidt: Sachsen bei Strukturwandel im Zeitplan

09. November 2022, 16:59 Uhr

Sachsens Regionalentwicklungsminister hat erstmals eine umfassende Bilanz seines Hauses vorgelegt und sieht das Land beim Kohleausstieg im Zeitplan. Scharfe Kritik kam hingegen von den Linken. Sie warfen der Regierung vor, den eigenen Staatshaushalt durch die Kohlegelder zu entlasten. Auch die AfD und Koalitionspartner fanden deutliche Worte.

2019 war das Regionalentwicklungsministerium in Sachsen gegründet worden mit dem Ziel, ländliche Regionen weiterzuentwickeln. Aber auch Wohnungswesen, Denkmalpflege, Landesplanung und der Strukturwandel fallen unter die Aufgaben dieses Ministeriums. Beim letzten Punkt sieht CDU-Minister Thomas Schmidt Sachsen aktuell im Zeitplan. "Bis Ende Oktober dieses Jahres wurden bereits 43 Vorhaben mit einem Volumen von 185 Millionen Euro von der Sächsischen Aufbaubank bewilligt. Damit liegen wir gut und teilweise sogar sehr deutlich vor den anderen drei Braunkohleländern", sagte Schmidt.

Schmidt zieht positive Zwischenbilanz

Mehrfach betonte der Minister in dem Zusammenhang den "Bottom up"-Ansatz, also die Bürgerbeteiligung während des Strukturwandelprozesses. Er verwies auf ein Handlungsprogramm, das gemeinsam mit den Akteuren in der Region erarbeitet worden sei und die Regionalen Begleitausschüsse mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Bereiche. "Mit ihrer Hilfe entscheiden die Regionalen Begleitausschüsse, welches Projekt zum Wohl der Region umgesetzt wird", so Schmidt.

Die Sicht von Firmen in der Lausitz - Die mittelständische Wirtschaft in Brandenburg, Sachsen und Berlin hat am Mittwoch von der Politik mehr Beteiligung der Betriebe in der Lausitz beim Strukturwandel verlangt: "Unsere Mitgliedsbetriebe sind äußerst beunruhigt, denn bisher erleben sie die versprochene Beteiligung der kleinen und mittelständischen Wirtschaft als absolut unzureichend", kritisierte der Präsident des Unternehmerverbandes Brandenburg und Berlin am Mittwoch beim ersten Lausitzforum 2038, Burkhardt Greiff.

- Das Forum soll als Plattform den Strukturwandel begleiten und die Interessen für mehr als 22.000 kleine und mittelständische Firmen vertreten.

Insgesamt zog der Minister eine positive Bilanz zur Arbeit seines Hauses. Man müsse als zweitgrößtes Förderministerium in Sachsen allein in diesem Jahr 871 Millionen Euro Fördermittel bewilligen. Dies sei ein Kraftakt, man schaffe das aber "ohne Bazooka und Doppel-Wumms", sagte er als Anspielung auf Formulierungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Gestiegene Baukosten als Risiko für Regionalentwicklung

Schmidt ging auch auf Risiken für die Entwicklung ein, dazu zähle etwa der Fachkräftemangel in der Wirtschaft und in den Behörden. Oft gebe es auch unkalkulierbare Rahmenbedingungen, etwa wenn Förderprogramme endeten. Auch würden Zusagen beim Strukturwandel nicht eingehalten. Nicht zuletzt seien die hohen Energiepreise ein Risiko. "Einige unserer Aufgabenbereiche sind ganz akut von der Energiekrise betroffen." Als Beispiel nannte er gestiegene Baukosten mit Auswirkungen auf den Wohnungsbau.

Problematisch sei zudem, dass das Ministerium noch immer auf drei Standorte verteilt sei. "Schwierig ist auch, dass das Durchschnittsalter im Haus hoch und die Personaldecke klein ist, was vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hohe Belastungen abverlangt, um die Aufgaben zu erfüllen." Ein Drittel der Beschäftigten gehe in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Man wolle daher junge, motivierte und gut ausgebildete Arbeitskräfte für das Ministerium gewinnen und plane neue Stellen für den kommenden Doppelhaushalt.

AfD: Regierung auf Kollisionskurs mit Realität

Entgegen der insgesamt positiven Bilanz sieht der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörg Urban den Freistaat beim Thema Regionalentwicklung auf Kollisionskurs mit der Realität. Er nahm dabei auch Bezug auf die wöchentlichen Proteste in Sachsen.

Jörg Urban (r), Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen
Jörg Urban (AfD) sah den Stand der Entwicklung zum Strukturwandel nicht so optimistisch wie das dafür zuständige Ministerium. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert

Zufriedene Bürger demonstrieren nicht.

Jörg Urban Fraktionsvorsitzender der AfD

Trotz umfangreicher Förderprogramme habe es die CDU in 30 Jahren nicht geschafft den Bevölkerungsschwund zu stoppen, Rahmenbedingungen für einen "ordentlichen ÖPNV" zu schaffen und die ländlichen Regionen finanziell zu stabilisieren. Den zeitlich festgelegten Braunkohleausstieg bezeichnete Urban als falsch. Mit den Strukturwandelfördermitteln würde darüber hinaus äußerst fragwürdig umgegangen. Nach Ansicht der AfD dürfe sich Strukturwandelförderung nur an der Schaffung neuer Arbeitsplätze und Wertschöpfung orientieren. "Die Illusionen der CDU von einer sächsischen Wasserstoffwirtschaft gehören allerdings nicht dazu."

Scharfe Kritik an Fördermitteleinsatz von Linken und Rechnungshof

Kritik an der Strukturwandelförderung kam auch von der Linkspartei. Geld werde wahllos verteilt, um indirekt und direkt neue Arbeitsplätze zu schaffen, meinte die Abgeordnete Antonia Mertsching. Ein Achtel aller Gelder der ersten Förderperiode sei in den Umzug der Landesuntersuchungsanstalt von Dresden nach Bischofswerda geflossen, obwohl die Region vom Kohleausstieg nicht kernbetroffen sei. Der aktuelle Bericht des Landesrechnungshofes bestätige, dass Sachsen seinen Staatshaushalt mit Kohlegeldern entlaste, so der Vorwurf der Linken.

Vorige Woche hatte der Rechnungshof bereits die Verwendung von Bundeshilfen für den Strukturwandel in den Braunkohle-Regionen scharf kritisiert. Zahlreiche Projekte betreffen die öffentliche Daseinsvorsorge, beispielsweise die Sanierung von Kitas und die energetische Sanierung von Rathäusern und Schwimmbädern. Das Ziel, wegfallende Industriearbeitsplätze zu ersetzen, werde nach Einschätzung des Rechnungshofes vielfach nicht erreicht. Bis 2021 wurden Bundeshilfen von rund 1,4 Milliarden Euro für Landesmaßnahmen und kommunale Projekte gebunden.

Ein Viertel der kommunalen Strukturhilfen geht in die Heimatstadt des Ministerpräsidenten, bald auch das Großforschungszentrum.

Antonia Mertsching Abgeordnete der Linken, Mitarbeit im Regionalausschuss

Den "Bottom-Up"-Prozess des Ministers bezeichnete Mertsching als "Pseudo-Beteiligungsprogramm", der allen Beteiligten nur Zeit und Energie abverlange.

Grüne verlangen mehr Bürgerbeteiligung

Ines Kummer ist Grünen-Abgeordnete im Sächsischen Landtag.
Ines Kummer (B'90/Die Grünen), Sprecherin für Landesentwicklung (Archivbild) Bildrechte: Elenor Breusing

Kritik am Beteiligungsprozess kam auch vom grünen Koalitionspartner. "Damit der Strukturwandel gesamtgesellschaftlichen Schwung und Rückhalt bekommt, reicht es nicht aus, wesentliche Entscheidungen in Altherrenrunden zu treffen", kritiserte die Grünen-Abgeordnete Ines Kummer. Noch immer warte man auf eine Bürgerbeteiligungskonzeption im Strukturwandelprozess. Zudem seien unbedingt Maßnahmen notwendig, um die Mobilität in der Fläche etwa durch den ÖPNV zu stärken, nicht zuletzt, weil dies auch ein Standortfaktor sei. "Wenn wir ein Großforschungsprojekt in der Lausitz ansiedeln, sollten wir zukunftsfähige und moderne Mobilität in der Fläche viel stärker mitdenken", meinte Kummer.

SPD: Fachkräftegewinnung wichtiger Faktor

Die SPD-Abgeordnete Juliane Pfeil bemängelte, dass die Themen Demografie und Fachkräftesicherung in der Regierungserklärung zu kurz gekommen seien. Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium habe einen Maßnahmenplan beschlossen, um die Anerkennung ausländischer Studien- und Berufsabschlüsse zu vereinfachen. "Ob im Handwerk, in den kleinen oder mittelständischen Unternehmen – die Fachkräftegewinnung ist bereits jetzt schon ein Faktor für den Erhalt der regionalen Wirtschaft."

Nach Auffassung der SPD müsse zudem der derzeit geltende Landesentwicklungsplan von 2013 überarbeitet werden. Noch in dieser Legislaturperiode wolle man in einem Gutachten die Landes- und Regionalplanung auf den Prüfstand zu stellen.

Projekte zum Strukturwandel im Mitteldeutschen Revier

  • Bei der 4. Sitzung des Regionalen Begleitausschusses in Pegau wurden am Mittwoch weitere Projekte bewilligt: Die größte Summe mit knapp 22 Millionen Euro fließt in die Erweiterung des Gewerbegebiets Schkeuditz-Nord. Dort sollen sich auf einer Fläche von sechs Hektar neue Firmen ansiedeln und etwa 140 Jobs entstehen.
  • Die Gemeinde Jesewitz bekommt 1,3 Millionen Euro für die Erweiterung einer KIndertagesstätte.
  • Die Gemeinde Lossatal 1,2 Millionen Euro für den Umbau der ehemaligen Schule in Thammenhain zum multifunktionalen Dorfzentrum.
  • Die Stadt Bad Lausick erhält 6,3 Millionen Euro für die Weiterentwicklung des Kurstandorts. Geplant sind ein Gradierwerk, ein Raum der Begegnung und ein neues Kurmittelhaus.

MDR (js)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 09. November 2022 | 16:18 Uhr

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