Debatte Allgemeine Impfpflicht - so denken Sachsens Bundestagsabgeordnete

26. Januar 2022, 05:00 Uhr

Die allgemeine Impfpflicht - Kanzler Scholz will sie, Bundesgesundheitsminister Lauterbach ebenso. Nur einen Gesetzentwurf will die selbsternannte Fortschrittskoalition nicht vorlegen. Nach ihrem Willen sollen die Bundestagsabgeordneten in der medizinethischen Frage liefern. So die Ausgangslage vor der ersten Orientierungsdebatte zur allgemeinen Impfpflicht. Ein durchaus schwieriges Thema gerade für die vielen neuen sächsischen Abgeordneten. Kaum dabei, im Parlamentsbetrieb Fuß zu fassen, sollen sie über die derzeit wohl größte Kontroverse in der Pandemie befinden.

Zum Lager der Befürworter der allgemeinen Impfpflicht gehört der Pirnaer SPD-Bundestagsabgeordnete Fabian Funke. Sein Ziel: bloß nicht noch ein weiteres Pandemie-Jahr. Die Impflücke bundesweit und besonders in Sachsen sei immer noch viel zu groß, so Funke. Es lasse sich aufgrund eventueller neuer Corona-Mutationen nicht ausschließen, dass es nach der Omikron-Welle später wieder zu Lockdowns, Teillockdowns des öffentlichen Lebens kommt. Daher kann Funke auch das Umschwenken seiner Genossinnen und Genossen in der Impfpflicht-Frage nachvollziehen. Obwohl die SPD in der Vorgänger-Koalition mit der Union lange Zeit eine allgemeine Impfpflicht noch ausgeschlossen hatte. 

Wir sehen einfach, dass die Impflücke in Deutschland so groß ist und wir sie unbedingt schließen müssen, um zum richtigen, normalen Leben zurückzukommen, so dass eine allgemeine Impfpflicht jetzt – in der Situation – auch notwendig erscheint.

Fabian Funke SPD-Bundestagsabgeordneter

Dresdner Grünen-Abgeordnete Spellerberg noch unentschlossen

Ähnlich wie Fabian Funke blickt die Grünen-Abgeordnete Merle Spellerberg auf die allgemeine Impflicht. Beheimatet im Kreisverband Dresden, tendiert sie entweder zu einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 Jahren oder eine Impfpflicht für über 50-Jährige in Kombination mit einer Impfaufklärungspflicht. Endgültig entscheiden aber will sie sich erst im Nachgang der Orientierungsdebatte. Für sie steht jetzt schon fest: Der Piks einer Corona-Impfung sei verhältnismäßiger als wochenlange Einschränkungen aufgrund eines überlasteten Gesundheitssystems.

FDP-Politiker Hartewig gegen allgemeine Impfpflicht

In der Ampel-Koalition gehen die Meinungen über die allgemeine Impfpflicht teils weit auseinander. Aus Reihen der Liberalen gibt es schon vor der Orientierungsdebatte Widerstand. So spricht sich der mittelsächsische FDP-Bundestagsabgeordnete Philipp Hartewig zwar klar für das Impfen aus, aber genauso deutlich auch gegen eine allgemeine Impfpflicht.

Hartewig gehört damit wie fast alle sächsischen FDP-Abgeordneten im Bundestag einer Gruppe um Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki an, die einen Gesetzentwurf gegen eine allgemeine Impfpflicht auf den Weg gebracht hat. Für Hartewig war die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch verhältnismäßig, weil es dabei um den Schutz von Risikogruppen ging. Die allgemeine Impfpflicht dagegen lasse sich für ihn nicht in das Korsett eines Gesetzes bringen. Zu viele Fragen in der praktischen Umsetzung blieben ungeklärt: Braucht es etwa eine vierte Impfung? Wie müssten die Abstände zwischen den Impfungen sein? Wie verfahren mit neuen Corona-Mutationen? Wie die Impfpflicht kontrollieren und durchsetzen?

CDU-Abgeordnete: zeitlich befristete Impfpflicht vorstellbar

Viele unbeantwortete Fragen hat auch der Oppositionsführer im Bundestag – die Union. CDU-Bundestagsabgeordnete Christiane Schenderlein sieht die Ampel-Koalition in der Bringschuld, endlich einen Gesetzentwurf für eine allgemeine Impfpflicht vorzustellen. In der Corona-Krise habe sich das Bündnis von SPD, Bündnisgrünen und FDP bislang eher dadurch hervorgetan, die pandemische Lage für beendet zu erklären. Eine Fehleinschätzung, so Schenderlein, bundesweit seien die Inzidenzzahlen noch nie so hoch gewesen wie aktuell. Die Bundestagsabgeordnete aus Nordsachsen hält allerdings eine zeitlich begrenzte Impfpflicht für vorstellbar, um einen weiteren Pandemie-Winter zu verhindern.

Christiane Schenderlein (CDU)
Christiane Schenderlein sieht die Ampel-Koalition in der Bringeschuld. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Derjenige, der vollständig gegen Corona geimpft ist, hat ein geringes Risiko bei einer Infektion auf der Intensivstation zu landen und einer großen Gefahr ausgesetzt zu sein.

Christiane Schenderlein CDU-Bundestagsabgeordnete

AfD lehnt Impfpflicht generell ab

Von der AfD-Fraktion wird die Impfpflicht – egal ob einrichtungsbezogen oder allgemein – abgelehnt. Die mittelsächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Caroline Bachmann bildet dabei keine Ausnahme. Aus ihrer Sicht ist eine Impfung ein körperlicher Eingriff der freiwillig bleiben muss und sie stellt auch die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen das Coronavirus infrage. Bachmann glaubt nicht, dass die Bundesregierung eine Impfpflicht einführen wird, weil damit auch eine Haftungsübernahme für Impfschäden einhergehe.

Zuständig für Impfstoffsicherheit in Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut. Die Behörde bilanziert in ihrem jüngsten Sicherheitsbericht: "Nach derzeitigem Kenntnisstand sind schwerwiegende Nebenwirkungen sehr selten und ändern nicht das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis der Impfstoffe." Aus einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag geht zudem hervor: Im November (1. bis 28.11.) wurden während der Delta-Welle in Sachsen überwiegend nicht vollständig Geimpfte auf einer Intensivstation behandelt.

Linke-Abgeordnete Bünger: Impfpflicht nicht per se verfassungswidrig

Die Linke-Abgeordnete Clara Bünger erklärt, sie halte "eine Corona Impfpflicht nicht per se für verfassungswidrig". Auch andere Impfpflichten seien von den Gerichten als verfassungs- und menschenrechtskonform erachtet worden, sagt sie. "Es wird darauf ankommen, wie die Impfpflicht konkret ausgestaltet ist, unter anderem ob Ausnahmen, Befristung, Evaluation und Haftung vorgesehen sind."

Bundeskanzler Scholz hatte eine allgemeine Impfpflicht gegen das Corona-Virus bis März durchsetzen wollen. Ob es bis dahin zu einem Beschluss tatsächlich kommt – Stand jetzt – unklar. Genauso wie die konkrete Ausgestaltung des Vorhabens.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 25. Januar 2022 | 19:00 Uhr

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