Proteste Tausende Sachsen demonstrieren gegen Energiepreise und Corona-Beschränkungen
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20. September 2022, 17:29 Uhr
Am Montagabend sind in zahlreichen sächsischen Städten Menschen auf die Straßen gegangen. Sie haben gegen hohe Preise für Energie und Lebensmittel protestiert. Es ging aber auch um den Krieg in der Ukraine und Corona-Maßnahmen in der bevorstehenden kalten Jahreszeit. Es hagelte Anzeigen, weil nicht alle Veranstaltungen angemeldet waren.
- Breites Themenfeld bei den Protesten.
- Gegenprotest in Chemnitz gegen Vereinnahmung durch Rechtsextreme.
- Särge mit Politiker-Porträts durch Crimmitschau getragen.
- Eine Frau soll von Demonstranten in Radeberg bedroht worden sein.
- Protestforscher warnt vor weiteren Instrumentalisierung.
In zahlreichen sächsischen Städten haben am Montagabend Menschen gegen die hohen Energiepreise und die Politik der Bundesregierung protestiert. Bei den Demonstrationen ging es auch um den Krieg in der Ukraine und mögliche Corona-Beschränkungen, wie etwa Maskenpflicht im bevorstehenden Herbst und Winter. In Chemnitz kritisierten nach Reporterangaben zudem Menschen das System des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks, dem sie Staatsnähe vorwerfen.
Vereinzelte Gegenproteste - etwa in Chemnitz
In ganz Sachsen waren mehrere Tausend Menschen in Groß- und Kleinstädten auf den Straßen - so auch in Auerbach, Dresden, Leipzig und Bautzen. Vereinzelt gab es Gegenproteste, etwa in Chemnitz. Dort haben sich junge Leute hinter einem Spruchband mit der Aufschrift "Egal wofür, egal wogegen - niemals gemeinsam mit Nazis" versammelt.
Initiiert wurden die meisten Proteste von den "Freien Sachsen". Laut Sächsischem Verfassungsschutz weist diese Partei rechtsextremistische Bestrebungen auf. Im Bereich der Polizeidirektion Dresden ergingen mehrere Anzeigen wegen Verstoßes gegen das sächsische Versammlungsgesetz, weil einige Versammlungen nicht angemeldet waren, wie ein Polizeisprecher MDR SACHSEN sagte. An der Spitze des Zugs in Chemnitz wurde ein Banner der rechtsextremen Identitären Bewegung gezeigt. An dieser Demo nahmen laut Beobachtern auch AfD-Stadträte teil.
Sarg mit Scholz-Portrait im Demonstrations-Zug in Crimmitschau
In Crimmitschau hatten nach einem Bericht der "Freien Presse" Demonstranten "einen Sarg mitgebracht, auf dem sich Porträts von Politikern befanden, darunter das von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)". Die Staatsanwaltschaft prüft eine mögliche strafrechtliche Relevanz. Wie die Polizeidirektion Zwickau MDR SACHSEN sagte, wolle man bei zukünftigen Demos genau hinschauen, ob es ähnliche Vorfälle gibt.
In Hohenstein-Ernstthal, der Geburtsstadt Karl Mays, hatten nach Angaben derselben Zeitung Menschen "ein Transparent dabei, das mit der Forderung 'Winnetou bleibt' auf die jüngste Debatte um Karl-May-Bücher anspielte".
Frau in Radeberg soll bedroht worden sein
In Radeberg kam es nach Polizei-Informationen zu einem Zwischenfall und einer Anzeige wegen des Verdachts einer Bedrohung. Dabei waren eine Pkw-Fahrerin und Protestteilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung aneinander geraten.
Einige der Demonstranten sollen sich um das Fahrzeug gestellt, Außenspiegel eingeklappt und gegen die Karosserie getreten haben. Ein Demonstrant soll sich auch auf die Motorhaube des Pkw gesetzt und der Fahrerin einen "knüppelähnlichen Gegenstand" gezeigt haben, teilte die örtliche Polizei mit. Aktuell laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen des Vorfalls.
Protestforscher befürchtet politische Instrumentalisierung
Protestforscher Dr. Piotr Kocyba von der TU Chemnitz beobachtet die Demonstrationsszene im Freistaat schon viele Jahre. Die zahlreichen Montagsdemos im Freistaat überraschten ihn nicht, sagte er im Gespräch mit dem MDR.
"Der Grund dafür liegt darin, dass wir eine gewachsene Protestkultur rechts der Mitte in Sachsen haben. Es gibt Organisatoren und Organisatorinnen bis hin in die kleinsten Ortschaften Sachsens, die teilweise über eine langjährige Protesterfahrung verfügen."
So hätten sich spezifische Protest-Milieus gebildet, die untereinander gut vernetzt sind und identitätsstiftend agieren. Dadurch hätten es andere Gruppen schwer, Demonstrationen mit ähnlicher Ausgangslage aufzustellen, ohne sich dabei von rechten und rechtsextremen Akteuren vereinnahmen zu lassen.
Der Protestforscher erwartet, dass in den nächsten Monaten verstärkt Menschen auf den Straßen zu sehen sein werden, die vorher nicht politisch aktiv waren und sich durch die bestehenden Krisen politisieren. Hier bestehe die Gefahr einer Instrumentalisierung.
"Ich glaube nicht, dass die Proteste von denjenigen getragen werden, die gerade in sehr schwere ökonomische Schieflagen geraten", sagt Dr. Kocyba. "Ähnlich wie bei den flüchtlingsfeindlichen Protesten 2015 oder den Corona-Protesten sind es Menschen, die sich vor allem politisch motivieren lassen."
MDR (lam/mad)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus Leipzig, Dresden und Chemnitz | 20. September 2022 | 05:30 Uhr