Bauverzögerung Warten auf den Einzug: Firma hält Wohnungskäufer hin

13. Dezember 2023, 12:27 Uhr

Den Traum von einer Wohnung direkt am Zwenkauer See wollte sich das Ehepaar Schott erfüllen. Deshalb kaufte es eine etwa 120 Quadratmeter große Wohnung in einem Neubau – mit zwei Balkonen und Blick auf den See. Ein Einzug sollte eigentlich bereits im Dezember 2021 möglich sein. Doch dieser verzögerte sich immer wieder wegen eines fehlenden Abwasseranschlusses.

Ein fehlender Abwasseranschluss ans öffentliche Netz hat dafür gesorgt, dass Karin und Dieter Schott sowie weitere Betroffene seit mehr als eineinhalb Jahren nicht in ihre gekauften Wohnungen ziehen können. Dabei hatte sich der Bauträger, die "BBNV Bauprojekt GmbH" mit Sitz in Langenwolschendorf bei Gera, im notariellen Kaufvertrag dazu verpflichtet, die Wohnung bis "spätestens zum 31. Dezember 2021 bezugsfertig zur Verfügung und bis spätestens zum 28. Februar 2022 vollständig fertig zu stellen." Eine Odyssee begann.

Trotz Wohneigentum muss Miete für Ersatz-Wohnung gezahlt werden

Die Wohnungen in dem Neubau sind zwar bezugsfertig, aber können nicht wirklich genutzt werden. Neben dem Ehepaar Schott waren noch sechs weitere Eigentümer betroffen, darunter auch Carla Bäßler. "Ich habe die Wohnung gekauft und hätte hier wirklich gut wohnen können, ohne Miete. Und das kann ich jetzt nicht. Ich habe Ausgaben, mit denen ich nicht gerechnet habe", sagt sie "Voss & Team".

Auch Karin und Dieter Schott wohnen zwischenzeitlich provisorisch in einer Mietwohnung. "Wir wohnen jetzt schon seit März 2021 hier. Wir haben eigentlich keine Küche, keinen Abstellraum. Die Wohnung hat nur 53 Quadratmeter. Unsere Möbel sind eingelagert. Wir mussten uns notdürftig behelfen, dass wir hier einigermaßen wohnen", so Karin Schott.

Ein Hin und Her um acht Meter

Auch wenn die Wohnung der Schotts im Februar 2021 bezugsfertig schien, war ein Einzug bisher noch nicht möglich, denn es fehlte am Wasser. Karin Schott erklärt rückblickend, das Wasser habe man zwar anstellen können, aber der Abwasserkanal sei noch nicht fertig gebaut gewesen. Ohne Kanal kann das Abwasser nicht ins öffentliche Netz abgeleitet werden. Zwar wurde das entsprechende Rohr verlegt, es endete aber auf dem Grundstück: rund acht Meter vor dem Anschluss ans öffentliche Netz. Verantwortlich dafür war der Bauträger.

Die Schotts und ihre Nachbarin Carla Bäßler wandten sich an den Bauträger. In den ersten E-Mails seien sie vertröstet worden. Ende September 2022, fast ein Jahr nachdem sie einziehen sollten, bekamen sie eine Antwort. Der Bauträger schrieb: "Wir bedauern die eingetretene Verzögerung bezüglich der Fertigstellung des Bauvorhabens. Sie können versichert sein, dass wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, diesen Termin einzuhalten. Leider wurden wir von ausführenden Handwerkern immer wieder enttäuscht." Die Schotts berichten zudem, dass sie auf Lieferengpässe von Materialien hingewiesen wurden.

Es verging noch mehr Zeit. Bis März 2023, so sagen es die Schotts, bekamen sie keine weiteren Informationen. Da sie glaubten, vom Bauträger weiter nur hingehalten zu werden, nahmen sie sich noch im selben Monat einen Anwalt. Der drohte dem Bauträger mit einer Klage.

Der Bauträger versprach erneut den Abwasseranschluss fertigzustellen. Das Ehepaar vertraute ihm und sah von einer Klage ab. Aber: Die Schotts wurden wieder enttäuscht, denn erneut passierte nichts.

"Höhere Gewalt" als Grund für die Bauverzögerung?

"Voss & Team" wollte vom Bauträger wissen, wie es zur Bauverzögerung kommen konnte. Der führte "höhere Gewalt" an: Für die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und Materiallieferkettenverwerfungen könne er nichts. Zudem hätten einige Firmen ihre Arbeiten nicht ordentlich ausgeführt. Außerdem sei der für das Projekt engagierte Bauleiter krankheitsbedingt längere Zeit ausgefallen.

Muss ein Bauträger bei "höherer Gewalt" haften? "Grundsätzlich ist es natürlich richtig, dass ein Bauträger bestimmte Umstände nicht zu vertreten hat. Hier ist aber das Problem, dass der Bauträger konkret nachweisen muss, warum er bestimmte Leistungen zu bestimmten Zeitpunkten nicht erbringen konnte. Kann der Bauträger nicht nachweisen, dass es tatsächlich zu solchen Verzögerungen in diesem konkreten Fall gekommen ist, dann hat er die Verspätung zu vertreten und sämtliche daraus entstehenden Schäden den Erwerbern zu ersetzen", erklärt Stefan Heiden, Fachanwalt und Spezialist für Bauträgerrecht.

Bauleiter für das Projekt war Timo Armstroff. Der staatlich geprüfte Bautechniker arbeitete bis April 2023 für den Bauträger. Er kündigte den Vertrag, weil er nicht vollständig bezahlt worden sei. "Von Juni bis Ende Juli 2020 bin ich gesundheitlich ausgefallen, das ist korrekt. In der Zeit wurde ich auf der Baustelle vertreten durch drei Mitarbeiter aus meinem Büro: einen zusätzlicher Bauleiter, einen technischen Mitarbeiter und eine Zeichnerin. Und man muss dazu sagen, dass auch der Bauträger während meiner Reha-Phase tagtäglich mit mir in Kontakt stand und somit alle offenen Punkte zeitnah geklärt werden konnte", sagt Armstroff.

Fragt sich also, ob Pandemie, Krieg und Materialengpässe als Gründe für die Verzögerungen infrage kommen. "Die Corona-Pandemie und auch der Ukraine-Krieg haben uns hier auf der Baustelle gar nicht beeinflusst. Die Materialien waren alle da. So wie sie bestellt wurden, konnten die auch geliefert werden", sagt der Bauleiter.

Offene Rechnungen bei Handwerkern

Die noch fehlende Leitung zum Abwasser hätte die Firma von Handwerker Torsten Liebe bauen sollen. "Es fehlen acht Meter Rohr, aber auch drei Übergabeschächte. Die machen die Sache relativ teuer, da es ein Hanggrundstück ist. Diese Kosten wollte uns der Bauträger bis jetzt nicht bestätigen und auch nicht übernehmen", erzählt er. Bei der Summe handele es sich um ca. 12.500 Euro. "Voss & Team" erklärte der Bauträger nicht, warum er die vergleichsweise geringe Summe in Bezug auf die Gesamtkosten nicht investierte.

Auch mit anderen Firmen hatte die "BBNV Bauprojekt GmbH" finanzielle Streitigkeiten. "Wir haben das Projekt vorzeitig verlassen, da die letzte Rechnung nach wie vor offen steht und von einer zeitnahen Begleichung nicht mehr ausgegangen werden kann", schreibt die Elektrofirma Wietfeld an "Voss & Team". Und auch die Firma Dausel, zuständig für Türen und Fenster, bestätigt: "Unsere Bauleistungen wurden nicht vollständig bezahlt." Weitere Recherchen von "Voss & Team" haben ergeben, dass mindestens zwei weitere Firmen noch auf Geld vom Bauträger warten. Anwälte wurden eingeschaltet.

Im Oktober 2023 schließlich erklärte der Bauträger "BBNV Bauprojekt GmbH" gegenüber "Voss & Team", sich wegen bereits mehrerer anhängiger Gerichtsverfahren nicht weiter zum Thema zu äußern. "Wir unterstellen den getätigten Aussagen der befragten Unternehmen reinen Eigennutz und weisen deren Richtigkeit zurück", schreibt BBNV Bauprojekt GmbH".

Ende gut alles gut?

Wenige Tage später meldeten sich die Eigentümer bei "Voss & Team", weil Bewegung in die Baustelle kam. Die Arbeiter bestätigten "Voss & Team" vor Ort, dass sie den noch fehlenden Abwasseranschluss ans öffentliche Netz verlegen. 

"Für uns war das jetzt ein Riesenerfolg, dass sehr viel an der Baustelle vorangegangen ist. Für uns ist das heute fast wie Weihnachten und jetzt kommt der nächste Schritt: die Schlüsselübergabe", sagt Karin Schott. So hoffen die Schotts und alle anderen Eigentümer, jetzt endlich einziehen zu können.

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Voss & Team | 16. November 2023 | 20:15 Uhr

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