"Die besten Weltuntergänge" Wie ein Kinderbuch für rechte Hetze missbraucht wird
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12. Januar 2024, 15:12 Uhr
2021 erschien im Klett Kinderbuch Verlag Leipzig das Buch "Die besten Weltuntergänge. Was wird aus uns? Zwölf aufregende Zukunftsbilder", Text von Andrea Paluch, Illustrationen von Annabelle von Sperber. Paluchs Ehemann ist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen. Deshalb werden seit etwa drei Wochen aus rechten Kreisen Hassmails an den Verlag und an Plattformen geschickt, die das Buch vorstellen. Ausgangspunkt war ein Text auf der Internetpräsenz des Verschwörungstheoretikers Ken Jebsen. Auch ein Video-Kanal des vom Verfassungsschutz 2021 als "gesichert extremistisch" eingestuften "Compact"-Magazins veröffentlichte ein Video zum Buch, das neurechte Theorien enthält. Darüber haben wir mit der Klett Kinderbuch-Verlegerin Monika Osberghaus gesprochen.
- Das Kinderbuch "Die besten Weltuntergänge" von Andrea Paluch zeigt 12 verschiedene Zukunftsszenarien, gute und schlechte.
- Damit sollen Kinder ihre Fantasie öffnen und darüber diskutieren, in welcher Welt wir leben wollen.
- Jetzt wird das Buch benutzt, um die Grünen zu verunglimpfen.
Hinweis: Das Interview mit Monika Osberghaus wurde im Dezember 2023 geführt. Der Artikel wurde wegen der Ergänzung eines Videos neu veröffentlicht.
MDR KULTUR: Das Kinderbuch ist 2021 bei Klett Kinderbuch erschienen. Wie erleben Sie dieses politisch motivierte Hochkochen gerade?
Monika Osberghaus, Verlegerin: Das hat uns natürlich ein bisschen erstaunt, dass nach zwei Jahren plötzlich Leute merken, von wem das geschrieben wurde und sich deswegen aufregen. Das hat so leise losgebrodelt, vor zwei, drei Wochen fing das an. Was uns dann aber sehr gestört hat, war dieses "Compact"-Video. Darauf haben wir uns gesagt: Wir machen das mal öffentlich. Wir müssen das nach draußen erzählen, wie widerlich das jetzt instrumentalisiert wird.
MDR KULTUR: Eine der vielen Meinungen zu diesem Buch ist, dass die Autorin Andrea Paluch den Kindern Angst mache. Worum geht es genau in dem Buch?
Monika Osberghaus: Das Buch zeigt 12 verschiedene Zukunftsszenarien. Das ist eigentlich gut ausgewogen. Es sind sechs Dystopien, also schlimme, katastrophenähnliche Verhältnisse, Situationen, in die die Welt gerät. Darunter zum Beispiel das letzte Bild, sehr schön anzusehen, aber eigentlich sehr schrecklich: nämlich, dass die Erde ohne Menschen weiterexistiert. Da sieht man, wie die Tiere und Pflanzen sich erholen, man sieht noch ein paar menschliche Behausungen als Ruinen. Es gibt in meinen Augen sehr viele schöne Bilder, in denen man schwelgen kann, großformatige Bilder, Text ist eher wenig.
Aber es gibt auch genauso viele glückliche Szenarien, spannende, schöne, wünschenswerte, zum Beispiel haben wir einige Kinder gefragt: Was wäre das Paradies für euch? Und haben das als Kinder-Paradies-Szenario vorgestellt, ganz wunderschön bebildert. Mein Lieblingsbild ist die Welt ohne Grenzen, eine voll ausgedachte Utopie. So blättert man von einem leuchtenden Bild zum nächsten, Angst macht das in meinen Augen nicht und auch nach unserer gemeinsamen Erfahrung nicht.
Andrea Paluch hat schon etliche Veranstaltungen gemacht mit Kindern, sie sind jedes Mal in angeregte Diskussionen miteinander geraten, das ist, was wir wollten: Die Kinder öffnen ihre Fantasie, ihre Gedanken, und überlegen: Wie hätten wir es denn gerne? Was ist eine Zukunft, die wir uns vorstellen können, was müsste dafür passieren? Da geraten sie in wilde Diskussionen, aber nicht in Angstzustände. Wenn allerdings ein Kind Angst hat, das kann natürlich sein, weil auch schlimme Sachen dabei sind – den Kindern trau ich es eigentlich zu: Die schlagen dann zu und sagen: Das Buch will ich nicht mehr angucken. Kinder sind auch souveräne Leser.
MDR KULTUR: Haben Sie Erfahrung gemacht, in welchem Alter das Buch noch nicht funktioniert?
Monika Osberghaus: Nein. Ich habe sogar von Dreieinhalbjährigen gehört, die es geliebt haben, das hätte ich selber nicht gedacht. Ich würde sagen, ab acht Jahren. Es ist ein Buch für alle, über das man dann spricht, und da sind dann meist Erwachsene dabei, die das Gespräch führen können und die Richtung bestimmen können. Es sind ja nicht Vierjährige, die allein in die Buchhandlung marschieren und sagen: Ich will was über den Weltuntergang erfahren.
MDR KULTUR: Sie wollen – Zitat: "Bücher machen, die ihre Spuren im Alltag hinterlassen und Anlass zum Reden geben". Das haben Sie ja diesmal richtig gut geschafft. Aber auf eine Art und Weise, die Ihnen nicht gefällt, wenn Sie Kommentare bekommen wie bei "X" (ehemals Twitter): "Ich hatte es nicht glauben wollen, aber Habecks Frau (Andrea Paluch) will auch die Welt verändern durch Indoktrination der Kleinsten erinnert mich an meine Kindheit in der DDR, aber selbst die war nicht so größenwahnsinnig wie die grüne Sekte."
Monika Osberghaus: Das Buch wird jetzt benutzt, um auf den Grünen rumzuhacken. Wenn auch immer jemand aufschlägt und mit mir darüber sprechen will, frag ich in der Regel erst, ob sie das Buch überhaupt kennen? Und die kennen das gar nicht. Man muss doch erst das Buch gelesen haben, um darüber zu diskutieren. Das macht sonst keinen Sinn. Ich merke, diesen Stimmen geht es um was anderes, die benutzen das Buch, um die Grünen zu verunglimpfen. Das ist auch das Unfaire daran, dagegen wehren wir uns.
Das Gespräch führte Thomas Bille für MDR KULTUR, redaktionelle Bearbeitung: jb
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 11. Januar 2024 | 19:00 Uhr