Doris Bertram blickt Richtung Fenster
Doris Bertram bleibt nur der Blick aus dem Fenster. Ohne Fahrstuhl kommt sie mit dem Rollator nicht aus dem Haus. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Wann endlich wieder raus? Fahrstuhl seit Monaten defekt: Gehbehinderte Leipziger sitzen in Wohnungen fest

07. April 2025, 07:00 Uhr

Der Frühling hält mit duftenden Blumen und Farbenpracht Einzug. Doch einige Mieterinnen und Mieter in der Saalfelder Straße 59 und 61 können das nur vom Fenster aus beobachten. Seit mehreren Monaten kommen die teils kranken und gehbehinderten Bewohner wegen des kaputten Fahrstuhls nicht aus dem Haus. Für andere wird der Einkauf zur Tortur. Der Frust gegenüber der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) ist groß. Und es gibt keine guten Nachrichten.

Draußen hält der Frühling Einzug, die Temperaturen steigen und die Natur lädt zu einem Spaziergang ein. Nicht jedoch für Doris Bertram. Die 75-Jährige steckt seit fünf Monaten in ihrer Wohnung fest. Die gehbehinderte Frau ist auf einen Rollator und einen funktionierenden Fahrstuhl angewiesen. Und der sei seit Dezember vergangenen Jahres defekt, erzählt Bertram. "Ich bin seit fünf Monaten hier eingesperrt."

Ich komme manchmal gar nicht mehr aus dem Bett.

Doris Bertram Ist auf ihren Rollator angewiesen
Elke Maier schaut in die Kamera 1 min
Bildrechte: MDR/Philipp Brendel
1 min

MDR FERNSEHEN Sa 05.04.2025 10:29Uhr 01:11 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/video-fahrstuhl-havarie-rentner-rollstuhl-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Bewohnerin depressiv: Komme oft nicht mehr aus dem Bett

Doris Bertram sitzt auf ihrem Sofa und schaut in Richtung Balkonfenster. Ihr Blick ist ernst. Die ganze Situation deprimiere sie sehr: Ich komme manchmal gar nicht mehr aus dem Bett." Die verantwortliche Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) habe ihr zwar angeboten, die Kosten für den Konsum-Lieferdienst zu übernehmen, erzählt die Leipzigerin. Doch der sei zu teuer, so Bertram. Sie nutze derzeit einen anderen Lieferservice, der dienstags kostenfrei sei.

Ihr Sohn wohne in Bremen, arbeite an den Wochenenden und könne nur selten da sein, um zu helfen. Sie sei froh, über die Hilfe anderer Mitbewohner und Leidensgenossen aus ihrem Haus.

Doris Bertram schaut in die Kamera
Sie sei froh über die Hausgemeinschaft, die ihr hilft, sagt Doris Bertram. Ihr Sohn, der in Bremen wohnt, könne ihr nicht helfen. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Das ist hier keine Lebensqualität mehr.

Elke Meier versorgt ihrem Mann, der im Rollstuhl sitzt

Ehemann im Rollstuhl - kein Arztbesuch möglich

So unterstützt Nachbarin Elke Meier die 75-Jährige nach Kräften. Dabei habe sie selbst genug um die Ohren, erzählt Meier. Ihr Mann sitze im Rollstuhl, auch er sei seit Dezember nicht mehr aus der Wohnung gekommen. "Das ist hier keine Lebensqualität mehr", sagt die 73-Jährige.

Das Paar habe sich damals genau wegen des Fahrstuhls für die Wohnung entschieden. Die LWB habe ihr vorgeschlagen, dass sie einen Krankentransport für ihren Mann beantragen könne. Doch das sehe sie nicht ein, dass sie die "Unfähigkeit" der LWB ausbaden solle, betont Meier. Zumal sei für einen Krankentransport erst ein ärztliches Gutachten notwendig.

Und das sei das nächste Problem, erklärt Meier: "Wir können nicht zum Arzt gehen." Der Hausarzt komme zwar nach Hause, aber beim Urologen und Zahnarzt ginge das nicht. Ihr Mann sei zunehmend depressiv, sagt Meier. Ihre zwei Kindern könnten auch nicht helfen, denn: "sie leben in Kanada." Die Rentnerin wirkt im Gespräch gefasst, doch auf die Kommunikation und Hilfe durch die LWB angesprochen, hört sich ihre Stimme enttäuscht und ernst an.

Bewohner der Saalfelder Straße 59/61 reden miteinander in einem Wohnzimmer 1 min
Bildrechte: MDR/Philipp Brendel
1 min

MDR FERNSEHEN Sa 05.04.2025 10:34Uhr 01:05 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/leipzig/video-fahrstuhl-havarie-rentner-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Frust und Ärger: Bewohner beklagen fehlende Kommunikation

Das es mit der Kommunikation mehr als hapere, können weitere Bewohner der Hausnummern 59 und 61 bestätigen, die sich den gleichen Fahrstuhl teilen. Auf E-Mails werde nur sporadisch geantwortet, der letzte Aushang mit aktuellen Infos zum Fahrstuhl sei aus dem Januar - die Bewohner fühlten sich nicht ernst genommen.

Uns musste die Feuerwehr über eine Leiter aus dem Fahrstuhl holen.

Renate Günther wurde mit ihrem Mann aus dem steckengebliebenen Fahrstuhl durch die Feuerwehr gerettet

Mehrmals im Fahrstuhl stecken geblieben: Feuerwehr muss Eingeschlossene retten

Der Ausfall des Fahrstuhls sei ohnehin nicht vom heiteren Himmel gefallen, meinen Familie Günther und Familie Robelt. Bevor dieser komplett den Geist aufgegeben habe, seien sie und ihr Mann mehrmals drin stecken geblieben, erzählt Gudrun Robelt. "Uns musste die Feuerwehr über eine Leiter aus dem Fahrstuhl holen", sagt die 83-Jährige Renate Günther. Und ihr Mann Wolfgang fügt hinzu: "Ich steckte schon mal eine Stunde in dem Fahrstuhl, ohne dass sich beim Notruf jemand gemeldet hat, obwohl ich auch an die Wände klopfte."

Fahrstuhl für Einkäufe wichtig

Für die Mieterinnen und Mieter der Saalfelder Straße sei der Mieterlass von 20 Prozent durch die LWB ein schwacher Trost. Denn alle seien auf den Fahrstuhl allein wegen des Einkaufs angewiesen. "Ich habe Luftprobleme. Ich muss auf jeden Treppenabsatz stehen bleiben", verdeutlicht Wolfgang Günther. Zum Glück habe er eine Tochter, die einmal in der Woche den Einkauf trage, so der 81-Jährige.

Gudrun Robelt, Andrea Hesse, Renate Günther und Wolfgang Günther sitzen auf einem Sofa und schauen in die Kamera
Gudrun Robelt, Andrea Hesse sowie Renate und Wolfgang Günther (v.l.n.r) nutzen den Aufzug für ihre Einkäufe. In den beiden Hauseingängen ohne funktionierenden Fahrstuhl wohnen kaum junge Leute, die helfen könnten. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

LWB kündigt individuelle Lösungen an

Die LWB spricht in Bezug auf den seit Monaten defekten Fahrstuhl von einer "unbefriedigenden Situation" für die Mieter wie für sie als Vermieterin. Auf Anfrage von MDR SACHSEN kündigt das Unternehmen an, individuelle Lösungen für die betroffenen Mieter zu finden. Gespräche mit den Bewohnern sollen dazu stattfinden.

Das Gebäude Saalfelder Straße mit Hausnummern 59/61 von außen
Die Hauseingänge 59 und 61 in der Saalfelder Straße in Leipzig teilen sich einen Fahrstuhl. Der knapp 20 Jahre alte Aufzug war im Dezember vergangenen Jahres komplett kaputt gegangen. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Da die LWB keine Kompromisse bei der Sicherheit eingeht, muss nunmehr statt einer Reparatur der Austausch der gesamten Anlage geplant werden.

Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft

Keine Reparatur möglich: Neuer Aufzug notwendig

Denn einer Hoffnung auf schnelle Instandsetzung des Aufzuges, nimmt die LWB den Wind aus den Segeln. Nach LWB-Angaben sind alle Reparaturversuche seit Ende vergangenen Jahres gescheitert. Der alte Aufzug habe zu große Mängel. Ein neuer Fahrstuhl müsse im Haus installiert werden.

Weil man dabei auf externe Firmen und Lieferzeiten der Hersteller angewiesen sei, könne die LWB noch kein Datum nennen, wann es wieder einen funktionierenden Fahrstuhl gibt. Der Auftrag für ein neues Gerät werde zunächst ausgeschrieben, heißt es.

Endlich wieder unabhängig sein

Im Fall von Doris Bertram teilte die LWB bereits im März MDR SACHSEN mit, dass für die Vermieterin Kontakte zu Hilfsangeboten hergestellt wurden. Zudem habe man ihr die Kostenübernahme für einen Transportdienst angeboten.

Diese habe sie noch nicht in Anspruch genommen, da sie ihre Arzttermine sowieso erstmal verschoben hatte, sagt Bertram. Zudem sei dieses Angebot der LWB erst vor wenigen Wochen im März gekommen, kurz nachdem der MDR eine erste Anfrage an die LWB wegen des Fahrstuhls geschickt hatte. Bertram verweist dabei auf den Email-Verlauf zwischen ihr und dem Vermieter.

Sie wünsche sich endlich wieder unabhängig zu sein und niemanden mehr zur Last zu fallen, betont Bertram.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 07. April 2025 | 05:30 Uhr

Mehr aus Leipzig, dem Leipziger Land und Halle

Schülerinnen auf ihrem Schulweg 3 min
Bildrechte: IMAGO/Michael Gstettenbauer
3 min 07.04.2025 | 12:00 Uhr

Anlass der Untersuchung der Polizei und Universität Halle war eine Welle von Jugendgewalt ab dem Jahr 2022. 71 Prozent der befragten Jugendlichen gaben an, dass Halle ein großes Gewaltproblem habe.

MDR SACHSEN-ANHALT Mo 07.04.2025 14:11Uhr 03:14 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/halle/halle/audio-jugendgewalt-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Mehr aus Sachsen