
Wann endlich wieder raus? Fahrstuhl seit Monaten defekt: Gehbehinderte Leipziger sitzen in Wohnungen fest
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07. April 2025, 07:00 Uhr
Der Frühling hält mit duftenden Blumen und Farbenpracht Einzug. Doch einige Mieterinnen und Mieter in der Saalfelder Straße 59 und 61 können das nur vom Fenster aus beobachten. Seit mehreren Monaten kommen die teils kranken und gehbehinderten Bewohner wegen des kaputten Fahrstuhls nicht aus dem Haus. Für andere wird der Einkauf zur Tortur. Der Frust gegenüber der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) ist groß. Und es gibt keine guten Nachrichten.
- Eine gehbehinderte Leipzigerin kommt seit Monaten wegen eines kaputten Fahrstuhls nicht mehr aus ihrer Wohnung.
- Der Frust der Bewohner ist groß, weil der Vermieter nicht ausreichend mit den Mieterinnen und Mietern rede.
- Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft als Vermieterin kündigt individuelle Lösungen an und plant einen neuen Fahrstuhl. Doch das kann dauern.
Draußen hält der Frühling Einzug, die Temperaturen steigen und die Natur lädt zu einem Spaziergang ein. Nicht jedoch für Doris Bertram. Die 75-Jährige steckt seit fünf Monaten in ihrer Wohnung fest. Die gehbehinderte Frau ist auf einen Rollator und einen funktionierenden Fahrstuhl angewiesen. Und der sei seit Dezember vergangenen Jahres defekt, erzählt Bertram. "Ich bin seit fünf Monaten hier eingesperrt."
Ich komme manchmal gar nicht mehr aus dem Bett.
Bewohnerin depressiv: Komme oft nicht mehr aus dem Bett
Doris Bertram sitzt auf ihrem Sofa und schaut in Richtung Balkonfenster. Ihr Blick ist ernst. Die ganze Situation deprimiere sie sehr: Ich komme manchmal gar nicht mehr aus dem Bett." Die verantwortliche Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) habe ihr zwar angeboten, die Kosten für den Konsum-Lieferdienst zu übernehmen, erzählt die Leipzigerin. Doch der sei zu teuer, so Bertram. Sie nutze derzeit einen anderen Lieferservice, der dienstags kostenfrei sei.
Ihr Sohn wohne in Bremen, arbeite an den Wochenenden und könne nur selten da sein, um zu helfen. Sie sei froh, über die Hilfe anderer Mitbewohner und Leidensgenossen aus ihrem Haus.
Das ist hier keine Lebensqualität mehr.
Ehemann im Rollstuhl - kein Arztbesuch möglich
So unterstützt Nachbarin Elke Meier die 75-Jährige nach Kräften. Dabei habe sie selbst genug um die Ohren, erzählt Meier. Ihr Mann sitze im Rollstuhl, auch er sei seit Dezember nicht mehr aus der Wohnung gekommen. "Das ist hier keine Lebensqualität mehr", sagt die 73-Jährige.
Das Paar habe sich damals genau wegen des Fahrstuhls für die Wohnung entschieden. Die LWB habe ihr vorgeschlagen, dass sie einen Krankentransport für ihren Mann beantragen könne. Doch das sehe sie nicht ein, dass sie die "Unfähigkeit" der LWB ausbaden solle, betont Meier. Zumal sei für einen Krankentransport erst ein ärztliches Gutachten notwendig.
Und das sei das nächste Problem, erklärt Meier: "Wir können nicht zum Arzt gehen." Der Hausarzt komme zwar nach Hause, aber beim Urologen und Zahnarzt ginge das nicht. Ihr Mann sei zunehmend depressiv, sagt Meier. Ihre zwei Kindern könnten auch nicht helfen, denn: "sie leben in Kanada." Die Rentnerin wirkt im Gespräch gefasst, doch auf die Kommunikation und Hilfe durch die LWB angesprochen, hört sich ihre Stimme enttäuscht und ernst an.
Frust und Ärger: Bewohner beklagen fehlende Kommunikation
Das es mit der Kommunikation mehr als hapere, können weitere Bewohner der Hausnummern 59 und 61 bestätigen, die sich den gleichen Fahrstuhl teilen. Auf E-Mails werde nur sporadisch geantwortet, der letzte Aushang mit aktuellen Infos zum Fahrstuhl sei aus dem Januar - die Bewohner fühlten sich nicht ernst genommen.
Uns musste die Feuerwehr über eine Leiter aus dem Fahrstuhl holen.
Mehrmals im Fahrstuhl stecken geblieben: Feuerwehr muss Eingeschlossene retten
Der Ausfall des Fahrstuhls sei ohnehin nicht vom heiteren Himmel gefallen, meinen Familie Günther und Familie Robelt. Bevor dieser komplett den Geist aufgegeben habe, seien sie und ihr Mann mehrmals drin stecken geblieben, erzählt Gudrun Robelt. "Uns musste die Feuerwehr über eine Leiter aus dem Fahrstuhl holen", sagt die 83-Jährige Renate Günther. Und ihr Mann Wolfgang fügt hinzu: "Ich steckte schon mal eine Stunde in dem Fahrstuhl, ohne dass sich beim Notruf jemand gemeldet hat, obwohl ich auch an die Wände klopfte."
Fahrstuhl für Einkäufe wichtig
Für die Mieterinnen und Mieter der Saalfelder Straße sei der Mieterlass von 20 Prozent durch die LWB ein schwacher Trost. Denn alle seien auf den Fahrstuhl allein wegen des Einkaufs angewiesen. "Ich habe Luftprobleme. Ich muss auf jeden Treppenabsatz stehen bleiben", verdeutlicht Wolfgang Günther. Zum Glück habe er eine Tochter, die einmal in der Woche den Einkauf trage, so der 81-Jährige.
LWB kündigt individuelle Lösungen an
Die LWB spricht in Bezug auf den seit Monaten defekten Fahrstuhl von einer "unbefriedigenden Situation" für die Mieter wie für sie als Vermieterin. Auf Anfrage von MDR SACHSEN kündigt das Unternehmen an, individuelle Lösungen für die betroffenen Mieter zu finden. Gespräche mit den Bewohnern sollen dazu stattfinden.
Da die LWB keine Kompromisse bei der Sicherheit eingeht, muss nunmehr statt einer Reparatur der Austausch der gesamten Anlage geplant werden.
Keine Reparatur möglich: Neuer Aufzug notwendig
Denn einer Hoffnung auf schnelle Instandsetzung des Aufzuges, nimmt die LWB den Wind aus den Segeln. Nach LWB-Angaben sind alle Reparaturversuche seit Ende vergangenen Jahres gescheitert. Der alte Aufzug habe zu große Mängel. Ein neuer Fahrstuhl müsse im Haus installiert werden.
Weil man dabei auf externe Firmen und Lieferzeiten der Hersteller angewiesen sei, könne die LWB noch kein Datum nennen, wann es wieder einen funktionierenden Fahrstuhl gibt. Der Auftrag für ein neues Gerät werde zunächst ausgeschrieben, heißt es.
Endlich wieder unabhängig sein
Im Fall von Doris Bertram teilte die LWB bereits im März MDR SACHSEN mit, dass für die Vermieterin Kontakte zu Hilfsangeboten hergestellt wurden. Zudem habe man ihr die Kostenübernahme für einen Transportdienst angeboten.
Diese habe sie noch nicht in Anspruch genommen, da sie ihre Arzttermine sowieso erstmal verschoben hatte, sagt Bertram. Zudem sei dieses Angebot der LWB erst vor wenigen Wochen im März gekommen, kurz nachdem der MDR eine erste Anfrage an die LWB wegen des Fahrstuhls geschickt hatte. Bertram verweist dabei auf den Email-Verlauf zwischen ihr und dem Vermieter.
Sie wünsche sich endlich wieder unabhängig zu sein und niemanden mehr zur Last zu fallen, betont Bertram.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 07. April 2025 | 05:30 Uhr