Mehrere tausend Euro in Bargeld liegen auf einen Laptop und daneben ein Handy.
In der Hoffnung auf das schnelle Geld sind Menschen in Sachsen Opfer von Internet-Betrügern geworden. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance / Fotostand | Fotostand / K. Schmitt

Cyberkriminalität Millionen an Internet-Betrüger verloren: So geht die Polizei Leipzig gegen sie vor

22. September 2024, 08:00 Uhr

Die Möglichkeiten von Betrügereien im virtuellen Raum sind in den vergangenen Jahren immer größer geworden. Mehrere Millionen Euro haben Menschen allein in Sachsen durch betrügerische Geldanlagen verloren. Das Kommissariat für Cyberkriminalität in Leipzig versucht, den Tätern auf die Schliche zu kommen. Doch den Ermittlungsmöglichkeiten in der virtuellen Welt sind enge Grenzen gesetzt.

Ein summendes Modem, eine sehr langsam ladende Internetseite. Hauptkommissar Höfer erinnert sich noch gut an die Zeit, als er 2002 als zweiter Ermittler im Bereich "Internet-Ermittlungen" in der Polizeidirektion Leipzig angestellt wurde. Heute leitet er das Kommissariat Cyberkriminalität der Polizeidirektion Leipzig.

Die polizeilichen Ermittlungen wegen Internetbetrug, aber auch die Betrügereien selbst, steckten vor 20 Jahren noch in den Kinderschuhen. "Früher hatten wir häufig Fälle von Missbrauch des Internetzugangs einer Person durch andere. Damals hat es noch richtig Geld gekostet ins Internet zu gehen", berichtet Höfer über die ersten Betrugsfälle.

Mit der Expansion des Internets seien auch die Möglichkeiten der Internet-Betrüger gewachsen, mit den Datenmengen seien zudem die Aktenordner dicker geworden, erklärt der Kommissar. "Wenn sie heute ein Handy eines Täters sicherstellen, hat das schon mal ein halbes Terrabyte Datenmenge, die ausgewertet werden müssen. Der Heuhaufen wird immer größer, die Nadel muss trotzdem gefunden werden." Personell sei das oftmals nur noch schwer zu stemmen.

Wenn sie heute ein Handy eines Täters sicherstellen, hat das schon mal ein halbes Terrabyte Datenmenge, die ausgewertet werden müssen. Der Heuhaufen wird immer größer, die Nadel muss trotzdem gefunden werden.

Hauptkommissar Höfer Leiter des Kommissariats Cyberkriminalität der Polizeidirektion Leipzig

Opfer 162 Millionen Euro durch falsche Geld-Anlagen

Heute haben es die 15 Beamten des Kommissariats Cyberkriminalität Leipzig mit einer ganzen Bandbreite an Delikten zu tun, von Beleidigungen im Internet über gehackte Email- oder Social-Media-Accounts bis hin zu Anlagebetrug in Kryptowährungen. "Es gab früher noch keine Kryptowährungen. Das ist heute ein ganz großes Problem", sagt Höfer.

Gerade in der Zeit, als es wenig Zinsen auf Geldanlagen gab, seien viele auf Betrugsmaschen mit der virtuellen Währung hereingefallen. Durch Betrügereien mit Kryptowährungen haben Höfer zufolge Geschädigte allein in Sachsen zwischen 2019 und 2023 etwa 162 Millionen Euro verloren.

Betrogene warten vergeblich auf Riesengewinn

Höfer erklärt die bis heute verlockend-gefährliche Täuschung: Das Internet ist zugepflastert mit dubiosen Werbungen, die mit vielversprechenden Titeln locken, beispielsweise "Wie Dieter Bohlen mit 250 Euro plötzlich reich wurde". Enorme Gewinne werden den potentiellen Opfer auf den Bildschirmen ihrer Computer und Handys angepriesen.

Ein Mann arbeitet an einem Computer.
Bis zu 15 Beamte arbeiten im Kommissariat Cyberkriminalität in der Polizeidirektion Leipzig. Bildrechte: MDR/Philipp Brendel

Diese würden dann oft ohne Bedenken Email-Adresse und Telefonnummer herausgeben. "Dann klingelt auch schon das Telefon und Sie haben irgendein Callcenter und den 'Broker Ihres Vertrauens' an der Strippe. Das sind geschulte Leute, die ihnen das Geld aus der Tasche ziehen und ihnen sogar einen Kredit aufschwatzen", erklärt Höfer.

Die jeweiligen Schadenssummen gingen oft in die Zehntausende, manchmal sogar Hunderttausende, sagt Höfer. "Da sind schnell 50.000 oder 100.000 Euro weg. Wir haben auch Einzelfälle, die im Millionenbereich liegen." Die meisten Opfer bemerken den Betrug erst, wenn sie den erhofften Riesengewinn abschöpfen wollen. "Da wird jedoch nie ein Euro angelegt. So wie der Euro überwiesen wird, ist er in der Tasche des Täters."

Schwierige Ermittlungen im virtuellen Raum

Und da werde es problematisch für die Ermittler, erklärt der Cybercrime-Experte. "Das ist für uns ein Problem im Ermitteln, weil die Tat in der Regel schon Monate zurückliegt." Denn die klassische Polizeischule mit den Straftat-Merkmalen Täter, Opfer, Zeit und Ort greife im virtuellen Raum nicht mehr. "Der Tatort ist in der Regel virtuell und befindet sich irgendwo im Datennetz. Deswegen kann man den Tatort wörtlich gar nicht so festmachen." Da schließe sich auch die Frage an, welche Polizeibehörde für den einzelnen Fall zuständig ist.

Betrugsanrufe aus dem Ausland

Das Kommissariat Cyberkriminalität kümmert sich um Opfer aus dem Raum Leipzig. Die Täter befänden sich jedoch meist nicht in der Region, erklärt Kommissariatsleiter Höfer. "In den seltensten Fällen finden wir Täter aus dem Raum Leipzig, wo wir örtlich zuständig sind. Deswegen geht es immer über Grenzen hinaus", sagt Höfer.

In den seltensten Fällen finden wir Täter aus dem Raum Leipzig, wo wir örtlich zuständig sind. Deswegen geht es immer über Grenzen hinaus.

Hauptkommissar Höfer Leiter des Kommissariats Cyberkriminalität der Polizeidirektion Leipzig

Die Betrüger beispielsweise, die mit Abzocken mit Kryptowährung arbeiten, rufen ihre Opfer von ausländischen Callcentern an. Höfer selbst habe die Durchsuchung eines solchen in Georgien geleitet. Dieses habe sich nicht etwa versteckt in einer alten Industriehalle befunden, sondern auf einer beliebigen Etage eines modernen Büro-Hochhauses inmitten von anderen Callcentern, die legalen Geschäften nachgingen.

Polizei hebt Abzocke-Netzwerke aus

Was die Ermittlungen außerdem kompliziert mache: Es gebe keine Einzeltäter, sondern ganze Netzwerke, erklärt Höfer. Es gibt die Mitarbeitenden im Callcenter und deren Vorgesetzten. Irgendjemanden gehört das Callcenter, ein anderer stellt ein Geldwäsche-Netzwerk bereit. "Den Täter als Einzelperson haben wir nicht, sondern es ist in aller Regel eine Struktur."

Dennoch sei es schon gelungen, solche Betrugsnetzwerke auszuheben, sagt Höfer. Georgien sei da beispielsweise sehr kooperativ gewesen. Aber es gebe auch Länder, mit denen polizeiliche Kooperationen schwierig seien. Diese seien wiederum auch attraktiv für Straftäter: "Als Täter zieht man sich dahin zurück, wo man größtmöglichen Schutz genießt." Höfer nennt Russland oder China als Beispiel.

Bessere Zusammenarbeit unter Bundesländern nötig

Um Internet-Betrüger schneller auszuschalten, brauche es eine bessere und koordiniertere Zusammenarbeit zwischen den Polizeibehörden auf nationaler wie auch internationaler Ebene, meint Höfer. Auf europäischer Ebene funktioniere das immer besser. Die Ermittlungen zwischen den Bundesländern laufen Höfer zufolge hingegen nicht optimal. Die Behörden müssten sich schneller vernetzen und gemeinsam arbeiten. So könnte auch vermieden werden, dass mehrere Polizeidirektionen an ein und dem gleichen Fall aneinander vorbei ermitteln.

Wie hoch sind die Aufklärungsquoten?

Im Interview mit MDR SACHSEN hält sich Polizeisprecher Olaf Hoppe eher bedeckt, was die Aufklärungsquoten bei Internet-Betrügereien wie etwa denen bei Kryptowährungen angeht. Sie sei jedenfalls niedriger als bei Kapitaldelikten, worunter unter anderem Mord und Totschlag zu zählen sind. "Im Netz ist es ziemlich einfach Spuren zu verwischen. Die Aufklärungsquoten sind nicht in dem Bereich liegen wie bei Kapitaldelikten, bei denen wir fast an die 100 Prozent herankommen", sagt Hoppe

MDR (phb)

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