
Sanierungsbedarf Die Brückensorgenkinder des Bürgermeisters in Thallwitz
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21. März 2025, 17:39 Uhr
Vielen Brücken in Sachsens Kommunen geht es schlecht. Bei jeder Brückenprüfung bangen die Bürgermeister, dass eine ihrer Brücken als nicht verkehrssicher oder noch schlimmer eingestuft wird. Denn das hat teure Einschränkungen zur Folge. Das zeigt eine Brückentour in der kleinen Gemeinde Thallwitz bei Leipzig.
In Thallwitz zwischen Wurzen und Eilenburg steht Bürgermeister Thomas Pöge (parteilos) mit seinen mehr als 20 Brücken vor großen Herausforderungen. Seit er 2014 ins Amt gekommen ist, hat er die Brücken auf dem Schirm. Doch mit dem Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden hätten die Brücken auch für die etwa 3.600 Menschen in Thallwitz an Bedeutung gewonnen, sagt er.
Knapp 40 Prozent Sanierungsbedarf
Alle drei Jahre gebe es Brückenprüfungen, und die Ergebnisse zeigten, dass der Zustand der Brücken weiterhin viel Aufmerksamkeit vom Bürgermeister verlangten: "Hier und da verbessern sich die Zustände nicht gerade", sagt Pöge im Gespräch mit MDR SACHSEN.
Basierend auf den von der Gemeinde zugelieferten Daten einer MDR-Recherche zu den Brücken in Sachsens Kommunen sind in Thallwitz knapp 40 Prozent sanierungsbedürftig. Was heißt das konkret?
Flickerei statt große Würfe
Da wäre beispielsweise die Brücke über den Mühlgraben im Thallwitzer Ortsteil Nischwitz. Das Bauwerk halte zwar noch, habe aber laut Pöge nicht mehr "das ewige Leben". Eine neue Brücke hätte 800.000 Euro gekostet, berichtete der Bürgermeister. Stattdessen habe man mehr als 30.000 Euro in die Hand genommen, um die Fundamente zu stabilisieren und die Brücke für die nächsten zehn bis 15 Jahre zu retten.
Die Brücke ist laut Pöge vor allem wichtig für die Landwirtschaft. Die Betriebe mussten einen Umweg von zehn Kilometern hinnehmen, als sie gesperrt war.
Brücken sind mehr als Verkehrswege - Mittelpunkte für Dörfer
Bürgermeister Pöge betont, dass die Bedeutung der kommunalen Brücken über ihre Funktion als Verkehrswege hinausgeht. Nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für das tägliche Leben der Einwohner: "Es sind nicht nur die großen Brücken, die derzeit in den Fokus rücken sollten, auch in den kleinen Kommunen ist das ein Riesenthema. Das sind nicht immer die riesig frequentierten, aber es sind Brücken, die als Verbindungen wirklich wichtig sind", betont Pöge.
Eine seit der Brückenprüfung in diesem Jahr vollgesperrte Fußgängerbrücke in Nischwitz habe kürzlich für einen "Riesenaufschrei" in der Dorfgemeinschaft verursacht. Die Leute möchten aktiv an Lösungen mitwirken und so soll demnächst Kontakt zu einem Brückenbauingenieur aufgenommen werden, berichtet Pöge weiter: "Für die Leute ist das in dem Moment der Mittelpunkt ihres Ortes". Fußgängerbrücken gehörten zur örtlichen Lebenskultur dazu.
Es sind nicht nur die großen Brücken, die derzeit in den Fokus rücken sollten, auch in den kleinen Kommunen ist das ein Riesenthema.
Marodes Geländer macht Einschränkungen notwendig
Eines der aktuellen Brückensorgenkinder steht im Ortsteil Böhlitz. Dort kommt es an einer Bahnbrücke zu Einschränkungen, weil unter anderem das Geländer kaputt und marode ist. Jüngst seien Verkehrsbaken aufgestellt worden, so Pöge. Eine Sanierung des Geländers würde nach derzeitigem Stand mehrere Hunderttausend Euro kosten. Das Geld hat die Gemeinde nicht. Also könne vorerst nur die Straße verengt und die erlaubte Fahrgeschwindigkeit gesenkt werden.
Bürgermeister schwört auf "Brückenbücher"
Es zeigt sich: Bürgermeister Pöge hat seine Hausaufgaben gemacht. Wichtig sind ihm vor allem die Brückenbücher, wie er betont. Diese dokumentieren die Geschichte, den Zustand und den Sanierungsbedarf jeder einzelnen Brücke. Laut Pöge ist auf einer der letzten Sitzungen im Städte- und Gemeindebund deutlich geworden, dass noch nicht alle Kommunen solche Aktenordner über ihre Brücken angelegt haben.
Knapp 200 Jahre alte Steinbrücke
Zwar gibt es in Thallwitz keine Brücke, die aktuell mit der Note "sehr gut" bewertet wird. Dennoch hebt Pöge im Ort Thallwitz die "Schäfereibrücke" als beliebtes Beispiel hervor. Das ist eine vierbogige Natursteinbrücke aus dem Jahr 1828, die trotz ihres stattlichen Alters zuverlässig ist. "Über die Schäfereibrücke sind zu DDR-Zeiten die Panzer drüber gefahren", berichtet Pöge. So eine stabile Brücke neu zu bauen, wäre heutzutage unbezahlbar, ist er sich sicher.
Finanzierungsbedarf für die Brücken in Thallwitz
Um den Status Quo der Brücken in den nächsten zehn Jahren zu erhalten, bräuchte die Gemeinde Thallwitz etwa 1,2 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Gemeinde erhält 100.000 Euro Straßenmittel pro Jahr. Damit würden beispielsweise Schlaglöcher ausgebessert, aber es könnten keine größeren Projekte angeschoben werden.
Der Finanzbedarf bis 2035 ist nach Schätzungen der Gemeindeverwaltung viel höher: "Wenn wir Brücken, die ihr Alter erreicht haben, nach und nach ersetzen, wären wir bei geschätzten Kosten von zehn Millionen Euro. Und das bei einer Kommune von 3.600 Einwohnern“, erklärte Bürgermeister Pöge.
Hoffnung aufs neue Infrastrukturpaket
Er hofft auf das Infrastrukturpaket des Bundes, dem Sachsen am Freitag zugestimmt hat, und dass es auch unter der neuen Bundesregierung bestehen bleibt. Pöge wünscht sich eine kontinuierliche Lösung ohne massive Neuverschuldung und weniger bürokratischen Aufwand: "Man kann die kleinen Orte nicht vernachlässigen", verlangt er. Vor allem hofft der Kommunalpolitiker, dass den Kommunen in Belrin und Dresden zugetraut werde, selbst planen zu können.
MDR (kk)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. März 2025 | 19:00 Uhr