Ein Bus fährt über eine Landstraße
Mit Beginn der Sommerferien hat Nordsachsen Mobil den Fahrplan ausgedünnt. Bildrechte: NOMO/Thomas Malik

Kommunikationsfehler? Arzberg: Stell dir vor, es sind Ferien und es fährt kein Bus mehr

01. Juli 2024, 06:30 Uhr

In Arzberg wurden die Menschen zum Start der Sommerferien von einer plötzlichen Busfahrplan-Änderung überrascht. Gerade die Hort-Kinder und Menschen ohne Auto waren davon betroffen. Das Phänomen von Lücken im Fahrplan dürften aber viele Landbewohner gut kennen: Eine MDR-Fragt-Analyse hat gezeigt, dass deswegen auch die meisten Menschen in den ländlichen Regionen Sachsens unzufrieden mit dem ÖPNV-Angebot sind. Verkehrsexperten und Wissenschaftler sehen aber auch Lösungen für dieses Problem.

"Unsere Hortkinder können leider nicht hierher kommen und kommen von hier auch nicht weg. Wir haben auch Ferienfahrten ins Kino oder den Tierpark geplant und die können wir jetzt nicht wahrnehmen, weil wir hier nicht weg kommen." Was die Erzieherin Tanja Grabein hier beschreibt, ist auch für viele andere Bewohner von Arzberg ein Problem. Zum Beginn der Sommerferien wurde der Busfahrplan unangekündigt geändert. Einige Busse fahren jetzt gar nicht mehr oder zu anderen - zum Beispiel für die Hortkinder - unpassenden Zeiten.

Unsere Hortkinder können leider nicht hierher kommen und kommen von hier auch nicht weg.

Tanja Grabein Erzieherin in Arzberg

Holger Reinboth (parteilos), Bürgermeister der Gemeinde Arzberg.
Holger Reinboth, Bürgermeister der Gemeinde Arzberg, spricht von einem Kommunikationsfehler. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow

Kommunikationsfehler: zu spät informiert

Ein Kommunikationsfehler des örtlichen Verkehrsbetriebs: Das für den Busverkehr zuständige Unternehmen Nordsachsen Mobil hat zu spät über den Fahrplanwechsel informiert, erklärt Arzbergs Bürgermeister Holger Reinboth.

Arzberg sei eine sehr ländliche Gemeinde mit 18 Ortsteilen, also auch mindestens 18 Bushaltestellen die jetzt alle nicht bedient würden: "Es betrifft ja nicht nur die Ferienkinder, sondern alle Einwohner. Zudem haben wir auch in unserer Gemeinde Asylbewerber, Ukraine-Flüchtlinge, die hatten alle auch keine Informationen und sind auf den Bus angewiesen."

Mitteldeutschland: Ein Drittel auf dem Land nicht zufrieden mit dem ÖPNV

Viele Menschen in Mitteldeutschland finden, ihre Region sei eher schlecht ans Bus- und Bahnnetz angeschlossen. Bei einer Befragung des Meinungsbarometers MDRfragt aus 2023 gaben 47 Prozent an, in ihrem Wohnumfeld sei die Versorgung mit öffentlichem Nah- und Regionalverkehr eher schlecht. Dabei haben Menschen, die in ländlichen Regionen leben, deutlich seltener den Eindruck, dass die Bus- und Bahnanbindung gut ist als jene, die in einer Stadt leben.

Statistik zum Thema: Bus- und Bahn-Nutzung
Rund 24.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich an der Umfrage beteiligt, ihre Erfahrungen mit dem öffentlichen Nahverkehr geschildert und ihre Meinung zum bundesweit gültigen Deutschlandticket eingebracht. So entsteht ein breites, wenn auch nicht repräsentatives Stimmungsbild. Bildrechte: Mitteldeutscher Rundfunk

Die Mehrheit der Befragten nutzt den öffentlichen Nahverkehr nicht regelmäßig. Dafür nennen sie mit großem Abstand vor allem einen Grund: Auf den Strecken, die sie alltäglich zurücklegen, gibt es keine sinnvollen Verbindungen. Eine MDR-Analyse der Fahrpläne im März 2023 hatte gezeigt, dass es vor allem abends an Verbindungen mangelt.

Im Erzgebirge 14 Gemeinden ohne nächtlichen Nahverkehr

In Sachsen gibt es beispielsweise im Erzgebirgskreis werktags 14 Gemeinden, die abends ohne ÖPNV-Anschluss sind. In den Landkreisen Bautzen und Zwickau sind es acht beziehungsweise sieben Orte. Eine der besonders abgehängten Gemeinden ist Elterlein im Erzgebirgskreis. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Gemeinden wie Räckelwitz und Crostwitz im Landkreis Bautzen.

Kurzfristige Lösung in Arzberg

Matthias Neumann, Marketingleiter bei Nordsachsen Mobil, räumt mit Blick auf Arzberg einen Fehler in der Kommunikation ein und erklärt: "Wir stehen halt bloß gemeinsam mit unserem Auftraggeber, dem Landkreis Nordsachsen, vor der Problematik, Mittel einsparen zu müssen. Und da gucken wir ganz genau, wo es die wenigsten Leute gibt." Man wolle jetzt aber nochmal prüfen, ob man die Fahrzeiten in Arzberg anpassen könne. Für drei der vier geplanten Kita-Ausflüge will Nordsachsen Mobil einen gesonderten Bus organisieren.

Für weitere Busfahrten in Arzberg gibt es auch noch einen Rufbus, sagt Bürgermeister Reinboth. Da man sich für den Rufbus knapp eine Woche im Vorfeld anmelden müsse, bleibe das Problem in Arzberg aber für kurzfristige Fahrten bestehen: "Es darf nicht sein, dass der ÖPNV, in sowieso schon schlechter aufgestellten Regionen, in der Sommerzeit noch mehr ausgedünnt wird."

Wie kann sich in den ländlichen Regionen etwas ändern?

Ab 2030 könnten vor allem selbstständig fahrende Kleinbusse die Fahrplanlücken auf dem Land ausgleichen, so sieht es zumindest der Nahverkehrsexperte Philipp Kosok im Interview mit MDR WISSEN. Solche neuartigen Rufbusse könnten dem Problem des Personalmangels, Kostensteigerungen und Leerfahrten entgegenwirken. Vereinzelte Pilotprojekte mit solchen autonomen Bussen gibt es bereits in Sachsen, so zum Beispiel seit einem Jahr in Ilmenau.

Laut Kosok müsse aber auch eine deutlich höhere Taktung angeboten werden, damit der Umstieg auf den Bus funktioniert. So sieht es auch der Wissenschaftler Steffen Dutsch von der TU Dresden. Laut Dutsch liegt die Zukunft im Taktfahrplan: "Letztendlich ist das Entscheidende, dass alle Beteiligten aufeinander zugehen. Das heißt, dass zum Beispiel auch Unternehmen oder Schulen bereit sein müssen, ihre Zeiten ein Stück zu schieben, so dass die Wartezeiten für alle überschaubar bleiben."

MDR (lev/dtr)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 24. Juni 2024 | 19:00 Uhr

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