Nach einem Monat Frust und Mangel oder wirkt neues Kita-Gesetz in Sachsen schon?
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05. September 2023, 05:00 Uhr
Seit dem 1. August gibt Sachsen mehr Geld fürs Personal in Krippen und Kitas aus. Die Summe entspricht 1.000 neuen Vollzeitstellen insgesamt. In den Einrichtungen soll Personal als Reserve geplant werden. Was ist vom neuen Kita-Gesetz in der Praxis schon angekommen? MDR SACHSEN hat bei Betroffenen nachgefragt.
- GEW: Personalreserve wichtig, aus vielen Gründen nicht machbar, stattdessen: Mangelverwaltung.
- Zu wenig Personal, viel Frust - Leipzig hat angeblich keine Probleme.
- Höhere Landeszuschüsse wirken sich nicht auf Elternbeiträge aus.
Seit mehr als einem Monat gilt in Sachsen das neue Kita-Gesetz. Das Kultsministerium warb für die Veränderungen in der Kinderbetreuung unter dem Titel: "Mehr Erzieherstellen, mehr Geld und mehr Qualität". Was sagen Betroffene dazu, hat sich seit 1. August etwas geändert oder verbessert? "Keinerlei Veränderungen. Immer noch Not an Fachkräften", schreibt eine Instagram-Nutzerin MDR SACHSEN.
Personalmangel. Der Betreuungsschlüssel wird nicht eingehalten.
Eine andere Mutter: "Auch bei meinen Kindern in der Kita konnte ich keine Veränderungen feststellen." Eine Frau aus Hoyerswerda bemängelt: "Krippe mit 16 Kindern und zwei Erzieherinnen. Es fehlt immer noch einer. Und das seit einem Jahr."
Das ist neu im Kita-Gesetz seit 1. August 2023
- für Eltern: Wegfall der Kinderarzt-Untersuchung zur Kita-Tauglichkeit. Es genügt die Vorlage der U-Untersuchungen im gelben Heft oder eine Arztbescheinigung, dass das Kind die notwendigen Früherkennungsuntersuchungen hat.
- Wenn Eltern sorbische Sprachförderung wünschen, können auch außerhalb des Sprachraums Gruppen gegründet werden.
- Personal: Geld für 1.000 neue Erzieher-Vollzeitstellen ab August 2023.
- Regelmäßige Fortbildungen, fachlicher Austausch und Beratung. Die Zeiten dafür müssen die Träger den Fachkräften gewährleisten.
- Aufwertung der Kindertagespflege im Gesetz und mit Fortbildungsangeboten für Tätige in der Kindertagespflege.
- Weiterentwicklung des sächsischen Bildungsplans bis Sommer 2025
- für Kommunen: Erhöhung der Landeszuschüsse pro Kind (+ 218 Euro) und für allgemeine Kosten (+ 200 Euro pro Kind), insgesamt 3.455 Euro Landeszuschuss im Jahr je Kind, das neun Stunden am Tag in der Kita ist.
Die Lage aus Sicht der Erziehungsgewerkschaft
Zwar hat der volle Betrieb an Kitas erst mit Beginn des neuen Schuljahres begonnen, aber die Erziehunsgewerkschaft GEW Sachsen schätzt ein: "Die größten Probleme gibt es nach wie vor bei der personellen Absicherung der Öffnungszeiten."
Laut neuem Kita-Gesetz muss eine Personalreserve von vier Prozent bereitgehalten werden. Die sei ein wichtiger Schritt, sagt der GEW-Landesvorsitze Burkhard Naumann. Aber: "Bei einem bundesweit sehr hohen Krankenstand und in Sachsen von mehr als acht Prozent ist das deutlich zu wenig." In der Erkältungssaison sei der Krankenstand nochmals deutlich höher.
Frust und Mangel in den Kitas
Und noch ein Problem sieht die GEW: "Kitas geraten auch dann an ihre personellen Grenzen, wenn sich pädagogische Fachkräfte fortbilden wollen oder im Urlaub sind. Viele Kita-Leitungen sind jeden Tag mit der bloßen Mangelverwaltung beschäftigt. Die Fachkräfte können ihren pädagogischen Anspruch nicht ansatzweise umsetzen, weil viel zu viele Kinder in einer Gruppe sind. Das ist sehr frustrierend." Für Naumann steht fest: "Daran ändert auch das leicht verbesserte Kita-Gesetz nichts."
Viele Kita-Leitungen sind jeden Tag mit der bloßen Mangelverwaltung beschäftigt.
Sachsen hat Geld für 1.000 neue Vollzeitstellen bereitgestellt. "Doch es gibt nicht genug ausgebildete Erzieherinnen und Erziehern, um die Stellen zu besetzen", konstatiert der GEW-Vorsitzende. Zwar schmücke sich Sachsen "sehr gern mit dem historisch begründeten Kita-Angebot und belegt auch beim neuen Bildungsmonitor 2023 Platz eins bei der Betreuungsquote."
Naumann nennt auch die Kehrseite: "Dass wir nicht genug Personal dafür haben. Deshalb sind wir je nach Studie Platz 15 oder 16 bei der Fachkraft-Kind-Relation." Anders formuliert: "Wie bieten ein sehr umfangreiches Angebot mit zu wenig Personal an." Die Gewerkschaft verlangt einen besseren Personalschlüssel - auch mit Blick auf den einsetzenden Geburtenknick. Denn dann würden wieder genügend Fachkräfte da sein.
Wir müssen vor allem darüber sprechen, was passiert, wenn an Tagen wegen Krankheit, Urlaub oder Fortbildungen tatsächlich zu wenig Personal da ist. Da benötigen wir landesweite Vorgaben.
Leipzig relativiert Fachkräftemangel
Nachfrage bei Sachsens größter Kommune nach einem Monat mit dem neuen Kita-Gesetz. "Uns sind keine Probleme bei der Umsetzung bekannt", heißt es von der Stadt Leipzig. Die Erhöhung des Personalschlüssels entspricht in Leipzig bei kommunalen Kitas und freien Trägern rund 133 Vollzeitstellen. "Das bedeutet allerdings nicht, dass auch die gesamte Summe an Vollzeitkräften neu eingestellt wird, weil der Anteil gerade in kleinen Einrichtungen so gering ist, dass davon keine zusätzliche Person beschäftigt werden kann", erklärt Martina Menge-Buhk. In diesen Fällen arbeiten die bereits tätigen Erzieherinnen mehr Stunden.
Den Fachkräftemangel relativiert die Sprecherin für Leipzig. Denn in einigen Stadtteilen gehe der Kita-Bedarf zurück. "Derzeit gelingt es, ausreichend viele Fachkräfte laut Sächsischem Kitagesetz für die Betreuungsbedarfe der Familien zu beschäftigen."
Fragen zu U-Untersuchungen und gelbem Heft
Einige Fragen hätten aber zur Vorlage der Gesundheitsnachweise der Kinder in Leipziger Kitas beantwortet werden müssen. Die Kinderarzt-Untersuchung zur Kita-Tauglichkeit ist weggefallen. Nun genügt die Vorlage der U-Untersuchungen im gelben Heft oder eine Arztbescheinigung, dass das Kind die notwendigen Früherkennungsuntersuchungen hat. "Es wird nicht selten die Schwierigkeit geschildert, Kinderärzte zu finden, die neue Klienten oder Klientinnen annehmen", sagte die Referentin Martina Menge-Buhk.
Der Entfall der Tauglichkeitsuntersuchung bei Vorlage der jeweils letztmöglichen U-Untersuchung wird allgemein als sinnvoll eingeschätzt.
Höherer Landeszuschuss heißt nicht, dass Elternbeiträge sinken
Manche Eltern bemängelten in ihren Kommentaren bei MDR SACHSEN, dass die Kitabeiträge trotzdem im Sommer gestiegen seien. So schreibt Mutter Anna S., dass bei ihrer Kita im Erzgebirge die Kita-Beiträge um 30 Prozent erhöht worden seien.
"Die erhöhten Landeszuschüsse an die Kommunen bedeuten keine automatische Verringerung der Elternbeiträge." Das hatte Sachsens Kultusministerium bereits bei der Vorstellung des neuen Kita-Gesetzes betont. Vielmehr gehe es um einen Ausgleich allgemeiner Preissteigerungen für Personal- und Sachkosten und um die Gegenfinanzierung von extra Personal. "Die Entscheidung zu den Elternbeiträgen treffen die Kommunen", so das Kultusministerium.
MDR (kk)