Eine Gruppe Frauen sitzt auf einer Bühne vor zwei dreieckigen Bauten. 4 min
Fünf Mutter-Tochter-Paare erzählen im Theater in Dresden in "Klassenbeste" nach Marlen Hobrack aus ihrem Leben. Mehr im Audio von Wolfgang Schilling. Bildrechte: Sebastian Hoppe

Premiere "Klassenbeste" in Dresden: Mutter-Töchter-Paare hinterfragen ihr Leben

18. Januar 2025, 03:55 Uhr

Die Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden bringt das erfolgreiche Sachbuch "Klassenbeste" von Marlen Hobrack auf die Bühne. Die Autorin aus Bautzen erzählte darin, wie das Aufwachsen in einem bildungsfernen Haushalt sie auf ihrem Weg zur Soziologin beeinflusst hat. Das Staatsschauspiel Dresden hat für das Theaterprojekt Mutter-Tochter-Paare eingeladen, in einem Stück über ähnliche Erfahrungen zu berichten.

Am Anfang war das Buch: "Klassenbeste – Wie Herkunft unsere Gesellschaft spaltet". Darin beschreibt die Autorin Marlen Hobrack anhand der Geschichte ihrer Mutter, welchen Einfluss soziale Herkunft auf die eigene Entwicklungsgeschichte hat und wie sich – gerade prekäre – Vergangenheit ungünstig für die eigene Zukunft auswirken kann.

"Herkunft klebt wie Scheiße am Schuh", hat das Marlen Hobrack mal medienwirksam auf den Punkt gebracht. Okay, Schuhe kann man putzen. Ob das auch mit dem eigenen Leben so funktioniert? Dieser Frage geht die Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden nun mit einem Rechercheprojekt nach.

Buchcover zeigt eine schematische einer Frau mit pinken Box-Handschuhen. Darunter steht: "Klassenbeste" von Marlen Hobrack
Das persönliche Buch von Marlen Hobrack regt zum Nachdenken über die eigene Herkunft an. Bildrechte: Carl Hanser Verlag

Hobracks Buch wird Theater

Deren künstlerische Leiterin Chefin Christiane Lehmann bekam das Buch von Marlen Hobrack in die Finger und es fortan nicht mehr aus dem Kopf. "Ich dachte, das wäre eigentlich der totale Kracher", erzählt Lehmann, "wenn ich es schaffe, Mütter und Töchter auf die Bühne zu bringen und sich damit auseinanderzusetzen, wie ihre Herkunft ihre Mutter-Tochter-Beziehung beeinflusst."

Staatsschauspiel Dresden BürgerBühne Spielzeit 2023/24  Christiane Lehmann
Die Leiterin der Bürgerbühne, Christiane Lehmann, war vom großen Interesse überrascht. Bildrechte: Sebastian Hoppe

Ein entsprechender Aufruf des Theaters hatte ungeahnte Folgen: Zu einem ersten Infotreffen im September 2024 kamen an die 50 Mütter und Töchter, die sich auf dieses Abenteuer einlassen wollten. Darunter auch Viktoria Laucke, die gleich Feuer und Flamme war und ihre Mutter zum Mitmachen überredete. "Ich hatte ja keine Wahl, ich konnte ja nur meine Mutter fragen", lacht sie.

Mütter und Töchter im Theater

Und Margit Laucke, die als Mutter von immerhin vier Töchtern schon die Wahl gehabt hätte, erzählt, wie sehr sie sich darüber gefreut hat, dass ihre jüngste sie darum gebeten hat. "Ich glaube, nicht jede Tochter stellt sich mit ihrer Mutter auf die Bühne."

Vor allem, wenn es darum geht, in aller Offenheit und Öffentlichkeit die eigene Beziehung zu hinterfragen. Wenn man so will, vom persönlichen Eingemachten zum großen gesellschaftlichen Ganzen vorzudringen.

Mehrere Persoenen ziehen an einer Bühne an einem dreieckigen Gebilde mit bläulichen Leuchtstäben.
Die Personen in der Dresdner Inszenierung haben auch dieses Mal kaum Bühnenerfahrung. Bildrechte: Sebastian Hoppe

Intensive Selbstbefragung In Dresden

Herausgekommen ist ein 75-minütiger, intensiver Theaterabend, der in einer Mischung aus Videointerviews und Liveaktionen sehr persönliche Dinge verhandelt und dabei auch den einen oder anderen didaktischen Blick durch die soziologische Brille wirft. Für die fünf Mütter und ihre Töchter ist die Bühne dabei Neuland. Für das auch rein weiblich besetzte Inszenierungsteam ist es das Thema – zum großen Teil jedenfalls. Denn auch wenn sie selbst natürlich Töchter sind, ist keine Mutter unter ihnen.

"Das ist auch wirklich sehr spannend", findet die Regisseurin Christiane Lehmann und beschreibt ihre Arbeit als eine gemeinsame Expedition von Forscherinnen, "die nicht wissen, wie es ist, eine Mutter zu sein."

Zwei Gruppen halten sich von zwei Seiten an einem Bühnenelement fest, dass stufenartig ansteigt.
Die Adaption von "Klassenbeste" versucht auch zu ergründen, was Muttersein bedeutet. Bildrechte: Sebastian Hoppe

Wie DDR und Osten Familie prägt

Dafür wissen die Mütter auf der Bühne ihre Geschichten zu erzählen. Die sind stark von den Veränderungen geprägt, die die Wendezeit gerade für das Leben der Frauen im Osten mit sich brachte. Geschichten, die das Leben und auch die Liebe schrieb, nicht notwendigerweise solche mit Happy End. "Das kuriose ist, dass wir alle Trennungsmütter sind", erklärt Margit Laucke. Für sie ein Grund, dass die Väter im Stück deshalb nicht so die große Rolle spielen. Aber trotzdem Thema werden, etwa wenn eine der Töchter fragt: "Was hättest Du eigentlich gerne anders gemacht, Mama?"

Immerhin der Vater von Viktoria Laucke will sich das Stück ansehen. Aber nicht die Premiere, da sind erstmal ihre Schwestern dran.  

Weitere Informationen

"Klassenbeste"
ein Rechercheprojekt mit Töchtern und deren Müttern
nach dem Buch von Marlen Hobrack

Konzept und Regie: Christiane Lehmann
Bühne und Kostüme: Yuni Hwang
Musik: Zooey Agro
Lichtdesign: Olivia Walter
Mit: Marianne Guratzsch, Nadine Guratzsch, Katja Kranz, Larissa Kranz, Margit Nauck, Viktoria Nauck, Antje Pidun, Lily Pidun, Angela Seeliger, Julia Seeliger

Adresse:
Kleines Haus
Glacisstraße 28
01099 Dresden

Termine:
18. Januar, 20 Uhr (Premiere, ausverkauft)
27. Januar, 20 Uhr (Restkarten)
4. Februar, 20 Uhr (Restkarten)
14. Februar, 20 Uhr (ausverkauft)
21. Februar, 20 Uhr (ausverkauft)
8. März, 20 Uhr
20 März, 20 Uhr

Quelle: MDR KULTUR (Wolfgang Schilling); redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 17. Januar 2025 | 13:10 Uhr

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