Nach AfD-Bundesparteitag OB von Riesa kritisiert Demo-Teilnehmer - Verdi und Vereine benennen Polizeiübergriffe
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13. Januar 2025, 17:28 Uhr
Zum dritten Mal hat ein großer Parteitag der AfD in Riesa stattgefunden. Warum eigentlich immer Riesa, fragte am Sonntag ein Journalist bei einer Pressekonferenz der Gegenprotest-Initiatoren. Für einen Vereinssprecher aus Riesa hat das auch mit der Stadtgesellschaft und dem Agieren der Verantwortlichen zu tun. Der OB will sich nach den Ereignissen "überlegen, ob wir für einen Parteitag noch einmal zur Verfügung stehen". Dabei hat der Stadtrat die Halle für politische Veranstaltungen freigegeben.
- Riesaer OB zieht nach Demo-Wochenende gemischte Bilanz.
- Was tut Riesa gegen Vermietung der Mehrzweckhalle an die AfD? Gegenprotest-Organisatoren sehen Verhalten der Stadtführung und Stadtgesellschaft kritisch.
- Städte- und Gemeindetag: Kommunen können Parteitage nicht einfach verbieten.
Die Stadt Riesa will nach dem Bundesparteitag der AfD Konsequenzen ziehen. "Mit den Eindrücken vom Wochenende muss ich sagen, wir werden uns gut überlegen, ob wir dafür noch einmal zur Verfügung stehen", sagte Riesas Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) dem Nachrichtenradio MDR AKTUELL.
Seine Bilanz falle gemischt aus: Einerseits "konnte die Veranstaltung planmäßig stattfinden", erklärte Müller. Zudem habe es auf Seiten der Polizei und der Demonstrierenden nur wenige Leichtverletzte gegeben. Die Polizei sprach von sechs leichtverletzten Beamten, die wieder dienstfähig gewesen seien. Auch habe die Stadt keine Schäden abbekommen.
Elbe-Stadt im Ausnahmezustand
"Anderseits herrschte in Riesa Ausnahmezustand. Die Blockaden haben den Verkehr lahmgelegt", so Müller weiter. Besonders betroffen seien Pflegedienste, Arbeitnehmer und Gewerbetreibende gewesen. Der Oberbürgermeister hatte sich nach eigenen Angaben selbst ein Bild von der Lage in der Stadt gemacht und sei stets mit der Polizei in Verbindung gewesen. Die Polizisten hätten "das besonnen, hochprofessionell und konsequent durchgezogen und stehen immer zwischen allen Fronten und müssen sich dann rechtfertigen", so Müller.
Überregionale Kritik an Polizei
Dieser Einschätzung des OB und auch der Polizei Dresden, wonach man sowohl die Durchführung des AfD-Parteitags als auch die Versammlungsfreiheit gewährleistet habe, widersprechen Augenzeugenberichte, ein verletzter Landtagsabgeordneter der Linken und dessen Mitarbeiter.
Das Kölner Komitee für Grundrechte und Demokratie wirft den Polizei- und Ordnungsbehörden gezielte Gewalt während der Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag in Riesa vor. Teilweise sei unvermittelt und brutal gegen Demonstrierende vorgegangen worden, erklärte das Komitee am Montag in Köln. Etwa 20 bis 30 Menschen seien im Nachgang ärztlich behandelt worden.
Es gab gezielte aggressive Faustschläge in Kopfhöhe und teils ins Gesicht.
Verdi über körperliche Übergriffe von Polizisten gegen Journalisten
Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi übte Kritik am Umgang mit Journalisten. Sie sprach von Einschränkungen der Pressefreiheit und körperlichen Übergriffen. Medienvertreter seien an einer Stelle durch Polizeiketten in die Demonstration gedrückt worden, einige zu Fall gekommen. "Sie wurden Opfer von Tritten, Schlägen und dem Einsatz von Pfefferspray vonseiten der Polizei." Verdi-Sekretär Lucas Munzke kritisierte auch eine Umstellung am Samstagvormittag, die 30 Medienvertreter betroffen habe: Keiner der Beamten habe sich verantwortlich gefühlt, ein Verlassen des Kessels zu ermöglichen – und das für etwa 45 Minuten. Auch später habe es Behinderungen gegeben.
OB kritisiert Demonstranten am Samstagmorgen
OB Müller äußerte dagegen Kritik an einigen Demonstrierenden. Diese hätten sich nicht an die Genehmigungen der Veranstaltung gehalten und ihre Busse schon vor der Stadt verlassen und seien quer über die Bundesstraßen und Felder nach Riesa gekommen. "Ich hätte mir gewünscht, dass man sich an die Regeln hält."
Gegen den AfD-Bundesparteitag hatten am Samstag nach Polizeiangaben mehr als 10.000 Menschen demonstriert. Die Initiatoren des Gegenprotest sprachen von 15.000 Teilnehmern. Es hatte unter anderem Sitzblockaden gegeben. Der AfD-Bundesparteitag begann mit mehr als zweistündiger Verspätung.
"Riesa für alle": Stadtverantwortliche positionieren sich nicht
Der Mitinitator des Gegenprotests, Trong Do Duc von der Initiative "Riesa für alle", fand in seiner Wochenend-Bilanz das deutliche Worte für das Agieren der Stadtverwaltung Riesa, die sich nicht gegen das Vermieten der WT-Arena entschieden habe. Die Mehrzweckhalle wird von der FVG Riesa mbH betrieben, die auch für die Stadthalle, die Stadtbibliothek, das städtische Museum und den Tierpark zuständig ist. In Riesa fanden bereits 2022 ein Bundesparteitag und 2019 ein Europaparteitag der AfD statt.
"Den Verantwortlichen fehlt in dieser Stadtgesellschaft der Rückhalt, sich zu positionieren", sagte Trong Do Duc. Er verwies auf die frühere Oberbürgermeisterin Gerti Töpfer (CDU). Sie habe sich 2010 und später "genau gegen die NPD positioniert".
Den Verantwortlichen fehlt in dieser Stadtgesellschaft der Rückhalt, sich zu positionieren.
Stadtrat hat Arena-Nutzung für politische Veranstaltung angepasst
In einer Mitteilung schreibt die Stadt: "Die Stadt Riesa steht allen Parteien, die nicht verboten sind, als Tagungsstätte offen. Wir würden uns sehr freuen, in Zukunft auch Vertreter aller anderen im Bundestag vertretenen Parteien zu ihren Veranstaltungen in Riesa begrüßen zu dürfen."
Persönlich sehe ich die AfD als politischen Gegner, dessen Ideologie schädlich für unsere Heimat Deutschland ist. Der Kampf dagegen muss über Argumente und konstruktive Sachpolitik überall in der Gesellschaft geführt werden.
Auf Nachfrage von MDR SACHSEN ergänzt der Sprecher der Stadt, Uwe Päsler: "Der Stadtrat hat vor einiger Zeit die Widmungssatzung dahingehend geändert, dass im Sinne der umfassenden politischen Willensbildung auch städtische Einrichtungen – mit Ausnahme der Schulen und des Rathauses – für politische Veranstaltungen genutzt werden können. Dazu gehört auch die Arena." Und weiter: "Außerdem hat sich der Aufsichtsrat der FVG Riesa mbH im Vorfeld mit dieser Vermietung befasst. Im Aufsichtsrat sind alle Fraktionen des Stadtrates vertreten."
Im Stadtrat in Riesa hat die AfD acht von 26 Sitzen. Sie war mit 30,5 Prozent Stimmenanteil bei der Kommunalwahl 2024 stärkste Kraft geworden.
Parteitage lassen sich nicht einfach verbieten
Die Erfahrungen zeigen, dass für Kommunen nicht einfach Parteitage verhindern können. "Für Kommunen sind enge Grenzen gesetzt, eine Parteiveranstaltung zu verhindern", weiß der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindetages (DStGB), Alexander Handschuh. Neben dem deutschen Parteiengesetz greife auch das Parteienprivileg gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Gleicheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Mit anderen Worten: "Solange sich eine Partei auf dem verfassungsrechtlichen Boden bewegt, haben Kommunen kaum Spielraum", sagt Sprecher Handschuh.
Beispiele aus Essen und München
Der Stadtrat Essen hatte sich 2024 vergeblich darum bemüht, den Mietvertrag für die Gruga-Halle mit der AfD zu kündigen. Die Partei sollte nachträglich eine Selbstverpflichtung zum Mietvertrag unterschreiben, dass Nazi-Parolen und Straftaten in der Halle verboten seien. Gerichte erklärten den Passus für unzulässig.
In München berät die Fachstelle für Demokratie die Verwaltung, bevor Vermietungsverträge unterschrieben werden. Die Fachstelle verfolgt das Ziel, "das Problembewusstsein zu schärfen und juristische Handlungsspielräume zu eröffnen. Das Recht ist dabei ein Instrument in der Auseinandersetzung", heißt es auf der Homepage der Stadt München.
MDR (kk)/Mina/epd/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Dresden | 13. Januar 2025 | 07:30 Uhr