"Museum als Cloud" Dresden: Neuer Chef der Gemäldegalerie Alte Meister will junges Publikum begeistern
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18. März 2024, 13:48 Uhr
Gerade das junge Publikum möchte der neue Direktor der Gemäldegalerie mit den Alten Meistern in Dresden begeistern. Über seine Pläne gab Holger Jacob-Friesen im ersten ausführlichen Gespräch seit seinem Amtsantritt am 1. März 2024 Auskunft. Im MDR-Interview betont er, wie wichtig Museen heute als Schule des Sehens seien, angesichts der Omnipräsenz von echten und gefakten Bildern.
- Junge Menschen für die Kunst und gerade die Alten Meister zu begeistern, das definiert der neue Direktor der Gemäldegalerie in Dresden als besonders wichtige Aufgabe.
- Angesichts der heutigen Omnipräsenz von Bildern sieht Holger Jacob-Friesen im Museum einen wichtigen Ort, um "Bildkompetenz" zu vermitteln.
- Sowohl Einheimische als auch Touristen möchte er mit den SKD-Schätzen anlocken.
Die junge Generation in den Blick zu nehmen, das sieht der neue Direktor der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden, Holger Jacob-Friesen, als vorrangige Aufgabe.
Junges Publikum im Fokus
Ein Museum sei der ideale Ort, um Kunst zum Leuchten zu bringen. Doch sie müsse besonders jungen Menschen auch vermittelt werden, sagte er im Gespräch mit MDR KULTUR. Auch viele Werke der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) ließen sich ohne Wissen über den biblischen Hintergrund, Mythologie oder Historie im Allgemeinen nicht verstehen. Museen müssten deswegen auch Orte der Bildung sein. "Wir wollen dieses Wissen zur Verfügung stellen. Persönlich bei einer Führung im Museum, aber auch digital, also auf ganz verschiedenen Kanälen, das ist unsere Aufgabe."
Museum als Cloud: Bildkompetenz vermitteln
Um bei jungen Menschen Interesse an Kunst, Geschichte und schließlich am Museumsbesuch zu wecken, braucht es Jacob-Friesen zufolge lebensnahe Bezüge. "Wir werden heute geflutet mit Bildern. Wir haben tausende Bilder auf unseren Handys. Auch das Museum ist in gewisser Weise eine Cloud, ein riesiger Bilderspeicher", so der studierte Kunsthistoriker. Nur dass ein Bild im Museum in der Regel das Ergebnis einer langen Beschäftigung mit einem Thema, einer Geschichte sei.
"Es kommt darauf an, sich auf diese Geschichten einzulassen, um zum Kern eines Bildes vorzudringen." So sei es Aufgabe eines Museums, den genauen Blick zu schulen und "Bildkompetenz" zu vermitteln.
Museen sind wie eine Cloud, riesige Bildspeicher. Zugleich müssen sie heute Orte sein, um Bildkompetenz zu vermitteln.
Fasziniert von den Schätzen der italienischen Renaissance in Dresden
Holger Jacob-Friesen ist seit 1. März 2024 Direktor der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister und der Skulpturensammlung bis 1800. Zuvor wirkte er über 25 Jahre in verschiedenen Funktionen an der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, zuletzt als Leiter der Abteilung Sammlung und Wissenschaft, die auch Gemäldegalerie und Kupferstichkabinett umfasst. Am renommierten Karlsruher Institut für Technologie ist er zudem Honorarprofessor.
Nun startet der 57-jährige neu bei den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden. Die Stadt im Osten kennt der gebürtige Kölner aus zahlreichen Besuchen, aber auch durch familiäre Verbindungen. Jetzt sei er dort von einem "hochkompetenten Team" freundlich aufgenommen worden, so Friesen. Er schätze Dresden als lebendige Stadt, liebe das Umland, aber vor allem seine neue Wirkungstätte als zentralen Ort der Kunstgeschichte. Dabei suche er nicht nur den Glanz in Dresden, sondern auch die Abgründe, die eigentlich "deutsche Abgründe" seien.
In Karlsruhe kuratierte Jacob-Friesen zahlreiche Sonderausstellungen, zuletzt die erfolgreiche große Landesschau über den Renaissance-Künstler Hans Baldung Grien. In Dresden freut er sich besonders auf die italienischen Maler der Epoche, die in den SKD mit Werken von Giorgone oder Tizian anders als in Karlsruhe reich vertreten seien. Diese Epoche sei einer seiner Studienschwerpunkte gewesen, die er nun wieder neu aufgreifen und an das Publikum vermitteln könne.
Touristen und Einheimische anlocken
Wobei Friesen auch hier betont, Menschen mit und ohne Vorkenntnisse für die Alten Meister begeistern zu wollen. Sein Anspruch sei es zudem, sowohl Einheimischen als auch Touristen die wertvollen und berühmten Schätze der SKD immer wieder vor Augen zu führen. Gerade entdecke er selber die Skulpturensammlung, die in der Sempergalerie nun mit "herrlichen Bezügen zwischen den Werken wunderbar aufgestellt" sei.
Er blicke optimistisch in die Zukunft, betont Jacob-Friesen im MDR-Gespräch mit Blick auf die nach Corona wieder steigenden Besucherzahlen. Ende Februar zogen die SKD mit 2,1 Millionen Gästen eine positive Bilanz für 2023, damit näherten sich die Zahlen wieder dem Vor-Corona-Niveau. 2019 besuchten 2,6 Millionen Menschen die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Wenn es gelinge, bei jungen Menschen Interesse zu wecken, werde der Effekt äußerst nachhaltig sein.
Quelle: MDR SACHSEN (Andreas Berger), MDR KULTUR (Grit Krause) Redaktionelle Bearbeitung: Katrin Schlenstedt
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 18. März 2024 | 07:40 Uhr