Marion Ackermann 27 min
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Wie geht es weiter für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden? Es gibt viel zu bereden mit Marion Ackermann. Andreas Berger hat mit der Generaldirektorin der SKD gesprochen.

MDR SACHSEN - Das Sachsenradio Mo 18.12.2023 20:00Uhr 26:51 min

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Interview Was die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden für 2024 planen

20. Dezember 2023, 16:22 Uhr

Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben 2023 wieder ähnlich viele Besucherinnen und Besucher gezählt wie vor der Pandemie. Auch 2024 haben die SKD viel vor: Einige Highlights sind der 250. Geburtstag von Caspar David Friedrich, in dessen Rahmen im Sommer der dritte Teil der großen Ausstellung in Dresden eröffnet wird. Im Mai wird das "Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona" als neue Institution sein Domizil im Blockhaus beziehen. Im Kraftwerk Mitte eröffnet im September die Puppentheatersammlung. SKD-Leiterin Marion Ackermann gibt im Interview einen Ausblick.

Wann ist es Ihnen zuletzt so gegangen, dass Sie in einer Ausstellung gesagt haben: Wow, das muss ich jetzt erstmal auf mich wirken lassen?

Marion Ackermann: Das war gerade erst, weil wir ja gemeinsam mit dem Bundespräsidenten in Hamburg die große Trilogie der Caspar David Friedrich-Ausstellung eröffnet haben. Und ich muss sagen, diese Fülle von Werken, die da zusammengekommen sind und zum Teil auch gar nicht so bekannt sind, hat mich tief beeindruckt. Was man bei Caspar David Friedrich immer sieht, dass er Naturdarstellungen verwendet, um etwas Symbolisches auszusagen über die Existenz, die gescheiterte Hoffnung, die große Verblockung dieses Eisbergs, die er vorbereitet in lauter Studien, das kommt eigentlich immer vor, auch bei uns in den Werken im Albertinum. Es gibt immer so was wie ein Hindernis, was den Menschen hindert, in die Ferne zu gehen. Also diese existenziellen Sinnbilder, die bis heute so gültig sind – jedes Mal aufs Neue bin ich tief berührt davon.

Wenn Sie einen Vergleich ziehen zwischen 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, und 2023 – ist man schon wieder im Anschluss an 2019?

Wir sind sehr froh und entspannt, dass wir einfach richtig gute Zahlen haben. Und man sieht es ja auch: Es ist Dezember, die Stadt ist ziemlich voll. Wir werden, so sagt die Prognose, 2,1 Millionen Besucher haben dieses Jahr. Das Spitzenjahr vor der Pandemie, 2019, da waren es 2,6 Millionen. Wir sind auf gutem Wege. Aber natürlich hat sich die Struktur komplett verändert, es fehlen einfach die russischen Besucher, das waren damals 30 Prozent der ausländischen Gäste, und auch aus China sind nicht so viele da.

Dafür haben wir immens viele Besucher aus Polen und Tschechien. Ein bisschen stolz bin ich auch – ich glaube, es ist auch ein Ergebnis unseres eigenen Programms, wo wir mit dieser Wertschätzungsinitiative nach Mittel-Ost-Europa gucken. Das lohnt sich, sie kommen zurück. Auch aus den Niederlanden, aus Italien, Frankreich, Amerika … es gibt auch einen erstarkten nationalen Tourismus, und es kommen auch jüngere Menschen. Von daher sind wir optimistisch.

Ein bisschen stolz bin ich auch – ich glaube, es ist auch ein Ergebnis unseres eigenen Programms.

Marion Ackermann, SKD-Leiterin, über die guten Besucherzahlen ihrer Museen

Im Theater gibt es den Trend zu kurzfristigen Entscheidungen, abends wegzugehen. Bei den Museen auch? Haben sich da die Erwartungen der Besucher verändert?

Das ist in der Tat der Fall, und wir reagieren darauf, indem wir die Öffnungszeiten dynamischer handhaben. Das wird nächstes Jahr ein interessantes Experiment. Wir werden sowohl beim neueröffneten ADA (Archiv der Avantgarden) im Blockhaus wie auch bei der Puppentheatersammlung im Kraftwerk Mitte in die Abende gehen.

Beim Blockhaus denken wir, das kann spannend sein, und in der Puppentheatersammlung hat es mit den Theaterzeiten zu tun. Und wir haben auch eine Abendöffnung am Donnerstag eingeführt. Durch die veränderten Besucherinnen und Besucher sind natürlich auch andere Anforderungen da. Unsere Sammlungen sind unheimlich voll mit polnischen Schulklassen, sie gehen in den mathematisch-physikalischen Salon, wahrscheinlich ist das Teil des Unterrichts, also sollten wir uns darauf einstellen, gucken, dass man auch in den Sprachen Unterrichtsmaterial anbietet. Es ist ein permanenter Prozess der Anpassung.

Rabbiner als Handpuppe, zu sehen in einer Ausstellung im Museum
Rabbiner-Handpuppe aus der Ausstellung "Ausgestopft und Ausgestellt? Versuch einer Begegnung mit Jüdischen Museen" im Grassi Museum Leipzig Bildrechte: Jüdisches Museum Hohenems/Dietmar Walser

Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Das Museum hat immer so den Anspruch, der Third Place, der dritte Platz zu sein in der Gesellschaft, also neben Arbeit und Zuhause: die Kunst. Hat sich das durch diese Zergliederung wieder verschoben?

Absolut. Wir haben bei all den Dingen, die wir uns jahrelang erobert haben, auch Rückschritte erlebt, die einen auch traurig machen. Aber man muss sie als gegeben hinnehmen. Ich sag mal ein paar Beispiele: Mein Vor-Vor-Gänger Martin Roth, für den war Zugänglichkeit das entscheidende Stichwort, Niederschwelligkeit, die Menschen einladen. Inzwischen sind aber so viele Dinge passiert. Es geht nur noch um Sicherheit. Im Grassi in Leipzig haben wir gerade eine Ausstellung, die reflektiert jüdische Museen, da brauchen wir Schutz. Es gibt so viele Gründe, warum wir diese Offenheit gar nicht mehr verfolgen können.

Wir sind mit einer gewissen Naivität da ran gegangen zu sagen: Toll, wir stellen alle unsere Sammlungen online und wurden dann damit konfrontiert, dass unsere Sammlungen einer Weltöffentlichkeit vorzustellen etwas anderes ist, als wenn man sie nur hier in den Räumen hat, wo man die Kontrolle über Kontextualisierungen hat. Das hat dazu geführt, dass wir unsere Datenbanken ganz anders überarbeiten mussten. Wenn man auch noch ein antisemitisches Beispiel nimmt: Wir hatten Kritik eines Journalisten, der recherchiert hat, wieviel antisemitische Werke sich in unseren Sammlungen befinden, und wir mussten dann in der Kontextualisierung nachbessern. All diese Fragen.

Weiteres Thema: Wir haben so viel für die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft gekämpft, aber es gibt im Moment die alte Debatte: Ist die Persönlichkeit oder die Gesinnung, die Einstellung des Kunstschaffenden entscheidend? Oder nur das Werk? Kann man das Werk abspalten? Wenn man in die Kunstgeschichte blickt, da waren große Maler dabei, die waren Mörder, wissen wir alles. Die ethische Komponente ist immer noch mal eine eigene, das ist im Moment wirklich kompliziert.

Das Gespräch führte Andreas Berger für den Podcast "Aufgefallen" von MDR SACHSEN / redaktionelle Bearbeitung: jb

Dieses Thema im Programm: MDR 1 RADIO SACHSEN | 18. Dezember 2023 | 20:00 Uhr

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