Namensdiskussion Mohrenstraße und Mohrenhaus - quo vadis Radebeul?
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13. März 2021, 09:30 Uhr
Was tun, wenn eine Straße oder ein Haus umstrittene Namen tragen? Wie zum Beispiel Mohrenstraße oder Mohrenhaus? Darüber diskutieren wäre gut, dachten sich Radebeuler Jugendliche und schrieben erwartungsvoll einen Brief. Dann kam vieles anders, als die jungen Leute erwarteten.
Am kommenden Mittwoch soll der Stadtrat Radebeul vier Grundstücke einer Straße einer anderen Straße zuordnen und damit einen Fehler der Katasterunterlagen aus der Nachwende-Zeit korrigieren. Soweit, so verwaltungstechnisch. Hieße die Straße, zu der die vier Grundstücke kommen sollen, nicht Mohrenstraße und würde die durch die Zuordnung der Grundstücke nicht auch noch verlängert - während in anderen deutschen Städten umstrittene Straßennamen mit kolonialem Kontext längst umbenannt werden. Und gäbe es nicht auch in Radebeul seit Jahresanfang eine Debatte um Rassismus bei Benennungen.
Schülergruppe stößt Debatte an
Ein Dutzend Jugendliche der Gruppe RIKA (Rassimsus ist keine Alternative) Radebeul hatte einen Brief an alle Stadtratsfraktionen geschickt, mit der Forderung, die Umbenennung der Mohrenstraße und des Mohrenhauses zu diskutieren, "da wir den Begriff 'Mohr' als nicht mehr zeitgemäß und rassistisch empfinden", heißt es im Brief.
An den Reaktionen auf unseren Brief haben wir den Eindruck, dass nicht alle im Stadtrat an ehrlichen Gesprächen interessiert sind. Wir hatten mit etwas mehr Offenheit gerechnet, eine öffentliche Auseinandersetzung hat noch nicht stattgefunden.
In nichtöffentlichen Ausschüssen diskutierte der Stadtrat das Thema vor zwei Wochen. Ergebnis nach Angaben der Schülergruppe RIKA Radebeul: Wenn die Corona-Einschränkungen den Alltag weniger begrenzen, will der Stadtrat mit den jungen Menschen sprechen. Das sei vielleicht im Sommer der Fall. Zu Inhalten oder Ergebnissen der nichtöffentlichen Sitzungen kann Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche nichts sagen. Jedoch: "Ich bin für gesellschaftlichen Diskurs. Wir werden das diskutieren, dann gibt es einen Mehrheitsbeschluss und der ist bindend."
Parallel zum Schreiben der Jugendlichen initiierten zwei Bürger Online-Petitionen zum Namen des Mohrenhauses, das in unmittelbarer Nähe zur umstrittenen Straße in Radebeul steht. In einer Petition sprachen sich Teilnehmende für das Beibehalten des Hausnamens aus, in der anderen dagegen.
Karikatur im Amtsblatt mit Folgen
Nun ist in der März-Ausgabe des Amtsblattes eine Karikatur erschienen, in der ein Kind am Mittagstisch mosert, es "hasse Mohrrüben". Die Mutter serviert daraufhin Karotten, um den "rassistischen Begriff" zu umgehen.
"Ist das die Antwort des Oberbürgermeisters auf den Brief einer Gruppe von Schülern?", fragt die zweitstärkste Stadtratsfraktion Bürgerforum/Grüne Radebeul/SPD. Deren Fraktionsvorsitzende Eva Oehmichen empfindet die Karikatur als "völlig daneben" und "Eingriff in die Debatte, die noch gar nicht breit öffentlich geführt wurde".
Erst debattieren, dann entscheiden
Für sie gehöre mehr zur Auseinandersetzung mit Rassismus, als für oder gegen einen Straßennamen zu sein. Oehmichen wünscht sich darüber einen vielfältigen Austausch der Stadtgesellschaft, am liebsten moderiert von einer externen Institution. Erst danach solle über Umbenennungen entschieden werden. "Solange hat auch die Zuordnung der vier Grundstücke zur Mohrenstraße noch Zeit", findet sie. Deshalb will ihre Fraktion am Mittwoch auch einen Antrag zur Vertagung der Grundstückszuordnung einbringen.
Was hat es mit dem "Mohrenhaus" auf sich?
- In der Nähe des denkmalgeschützten Herrenhauses in Radebeul, in dem heute ein Kinderhaus zu finden ist, gab es eine frühneuzeitliche Flurbezeichnung eines der beiden Weinberge auf dem Gebiet namens "Mohrenköpfe". Angeblich, weil zwei unbewaldete Hügel so ausgesehen haben.
- Es gibt eine zweite Vermutung, wonach August der Starke (1670–1733) seinem Leibmohren für treue Dienste den Besitz geschenkt haben soll. Laut OB Wendsche ist das alles aber nicht urkundlich belegt.
- Belegt ist, dass die Straße, die zur Villa führt, erst 1915 zu ihrem Namen kam. "Das geschah in der Zeit in eindeutig kolonialem Kontext", sagt die Schülergruppe RIKA. Der Begriff sei als Bezeichnung für eine rassistische, von Weißen erdachte Karikatur schwarzer Menschen genutzt und zur Kolonialzeit geprägt worden.
Und Oberbürgermeister Wendsche? In die Freiheit des Künstlers, der fürs Amtsblatt Karikaturen zeichnet, mische er sich nicht ein, sagt er. Den Umbenennungsstreit in der Stadt sieht er von der gesamtdeutschen Diskussion um Identitätspolitik von rechts und Cancel Culture von links überlagert. Sprachverbote seien für ihn keine Gesprächsgrundlage. "Wir müssen uns mit Rassismus beschäftigen, anstatt Symbolpolitik zu betreiben", meint der parteilose Kommunalpolitiker.
Quelle: MDR/kk