Zweiter Weltkrieg Dresdner Zeitzeuge: "Ich sah einen brennenden Engel davonschweben"
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12. Februar 2022, 13:52 Uhr
Traditionell wird am 13. Februar der Opfer der Luftangriffe von 1945 gedacht - auch für Hans-Joachim Dietze ein schmerzliches Erinnern, denn er hat den Feuersturm miterlebt. Im Febuar 2022 sprach der damals 92 Jahre alte Dresdner mit MDR SACHSEN über seine Erlebnisse.
Hans-Joachim Dietze hat den Feuersturm im Februar 1945 überlebt. Heute ist er 92 Jahre alt und steht wieder an dem Ort, der sein ganzes Leben geprägt hat - vor dem Dresdner Hauptbahnhof in unmittelbarer Nähe seines ehemaligen Elternhauses. Er legt hier für die Fernsehkolleginnen und -kollegen des MDR SACHSEN ein Mahndepot, eine Art Plakette, frei – insgesamt sind in Dresden etwa 70 solcher Marken in den Boden eingelassen. "Sie erinnern daran, wo in der Zeit des Nationalsozialimus in Dresden schlimme Dinge passiert sind", erklärt Dietze.
Familie rettete sich nach ersten Bombenangriffen
An dem Ort stand er auch am 13. Februar 1945 als 15-Jähriger. Zuvor war in der ersten Bombenangriffswelle bereits das Haus seiner Familie gegenüber am Wienerplatz 2 getroffen worden. Seine Mutter, sein Bruder und er hatten es gerade noch geschafft, nach dem Angriff aus dem Keller zu kommen – umhüllt mit nassen Decken.
Schutz zwischen Panzerschränken
Schutz suchte die Familie in dem wenige Meter entfernten Hotel Hörig hinter dem Hauptbahnhof. Erst später erfuhr Dietze, dass dort im Keller in den Panzerschränken, zwischen denen sie sich versteckten, die Akten zur Judenverfolgung der Gestapo lagen.
Mehrere Bomben haben das Hotel getroffen, sodass wir verschüttet waren. Die Panzerschränke retteten uns vor der Druckwelle, die vielen in dem Keller die Lungen reißen ließen.
Erinnerungen an die Bombennacht
Diese Tragik später zu erkennen, treibt den 92-jährigen bis heute um. Als ein Suchtrupp die Dietzes in der Bombennacht aus dem Keller rettete, durften sie nichts mitnehmen, außer dem, was sie am Leib trugen. Doch der damals 15-Jährige ließ seine Kamera nicht zurück, die er neben wenigen anderen Dingen aus der Wohnung am Wienerplatz gerettet hatte - und er fotografierte drauflos, obwohl das nicht erlaubt war. Andere Erlebnisse sind ihm bis heute schmerzhaft in Erinnerung.
Vor uns wurde eine Mutter herausgehoben mit einem kleinen Kind auf dem Arm. Ich habe noch gesehen, wie der Asphalt brannte, wie sie durch den Feuersturm erfasst und durch die Luft gewirbelt wurde. Sie war verschwunden. Ich habe das später einmal so geäußert: Ich sah einen brennenden Engel davonschweben.
Versöhnung und Gedenken in Dresden
Was Hans-Joachim Dietze damals erlebt hat, kann er bis heute nicht vergessen. Er kennt noch immer die Wege, die er damals gegangen ist und hat sie zwei Monate nach dem Angriff in sein Schulheft notiert. Später, in den 1980er Jahren machte Dietze als Zeitzeuge Stadtführungen zu den Orten seiner Erinnerung.
Dabei hatte er am 27. März 1983 ein Schlüsselerlebnis, wie er erzählt. Am Ende des Rundgangs kam einer der Gäste an der Frauenkirche auf ihn zu und umarmte ihn. Es war einer der Bombenflieger der Royal Air Force, die über Dresden die Bomben abgeworfen hatten. "Für mich war es der Moment, wo ich auf beiden Seiten eine Empfindung des Verzeihens und der Versöhnung spürte." Am 13. Februar gedenkt auch Hans-Joachim Dietze der Toten - zuhause in Dresden, wie er sagt und in stillem Gedenken. "Ich gehe auf keine Demonstration."
MDR (kb/sschw) | Erstmals veröffentlicht am 12.02.2022
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 13. Februar 2022 | 19:00 Uhr