Naturismus Mehr als FKK: Nacktwandern in der Sächsischen Schweiz
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17. Juli 2024, 17:05 Uhr
Beim Wandern nimmt man die Natur am besten nackt wahr. Davon sind die Teilnehmer der Sächsischen Naturistentage überzeugt. Mehr als eine Woche wandern sie durch den Nationalpark. Kleidung sieht man an ihnen nur, wenn das Wetter nicht mitspielt.
- Teilnehmer kommen sogar aus anderen Ländern angereist.
- Nackt wandern sei angenehmer.
- Die Gruppe will niemanden belästigen.
Für zehn Uhr am Morgen ist der Start am ersten Wandertag angesetzt. Man merkt, die Truppe möchte sich nicht stressen, sondern das Event genießen. Stück für Stück trudeln ein paar Autos ein und kommen am Waldesrand zum Stehen. Es werden immer mehr und plötzlich reicht der kleine sandige Parkplatz kaum noch aus.
"Ja, ihr könnt euch auch hier hinstellen. Der Bus fährt ohnehin nur an Schultagen." Ein schlanker Mann mit Basecap und Brille weist die ankommenden Fahrzeuge ein. Martin Nitsche ist der Vorsitzende des Nacktwanderfreunde-Vereins. Dieser veranstaltet die "Sächsischen Naturistentage".
Viele scheinen sich schon von letzten Malen zu kennen und begrüßen sich herzlich. Doch dafür, dass hier nackt gewandert werden soll, sind noch ziemlich viele voll bekleidet. Die nasse Wiese und die feuchten Bäume zeugen noch von der regnerischen Nacht. Es ist ein wenig kalt. Ein paar Hartgesottene haben bereits all ihre Kleidung im Auto verstaut, doch grob die Hälfte scheint noch nicht von der Temperatur überzeugt.
Manche Wanderer reisen weit an
Mittlerweile sind alle eingetrudelt und Martin Nitsche ergreift wieder das Wort. Trotz des lockeren Charakters will die Gemeinschaft heute um die zehn Kilometer schaffen. Aber sie sind ja ohnehin zum Wandern und nicht nur Quatschen angereist - aus verschiedenen Bundesländern und teilweise sogar aus Nachbarländern Deutschlands.
Deshalb setzt sich die Gruppe aus über 30 Menschen auch flott in Bewegung. Es geht über Feldwege, auf Trampelpfaden durch den Wald und über alte Stufen einen Berg hinab. Schließlich findet sich die Wandertruppe auf einer mäßig befahrenen Landstraße wieder. Nur ein kleiner Betonstreifen an der Leitplanke bieten ihnen Platz neben der Straße. Auf diesem schlängelt sich die Reihe der Wanderer in FKK die Straße hinab. Die vorbeifahrenden Autos scheinen sie kaum zu stören.
Naturismus und nicht FKK
Ein braungebrannter Mann erklärt: "Ich mag den Ausdruck FKK nicht so sehr. Das klingt immer so althergebracht. International spricht man immer vom Naturismus und das trifft es auch ein bisschen mehr, weil man eigentlich die Verbundenheit zur Natur im Vordergrund hat." Das Nackt-Laufen sei nur ein Aspekt davon. Viel mehr ginge es auch darum, die Natur als Einheit zu betrachten und den Menschen eben als Teil davon. Dazu gehöre auch, möglichst müllarm und ressourcenschonend zu leben.
Ich mag den Ausdruck FKK nicht so sehr. Das klingt immer so althergebracht.
Die Vorteile des Nacktwandern
Die Bewegung hilft offensichtlich, denn immer mehr Kleidungsstücke fallen, dem frischen Morgen zum Trotz. Als dann auch die Sonne herauskommt, schließen sich auch die Letzten in der Gruppe an. Eine gute Entscheidung, denn als Nächstes geht es 850 Stufen zur Brand-Aussicht hinauf. Alle kommen ins Schnaufen. Als die Letzten den Aufstieg hinter sich haben, halten sie kurz inne. Das war anstrengend. Manche ziehen ein Handtuch aus dem Rucksack und reiben sich Tropfen vom Körper. Ein muskulöser Mann stillt seinen Durst, während von seiner dunklen Haut Dampf aufsteigt.
Das würde man mit Kleidung gar nicht so gut wahrnehmen können.
Die Anstrengung wird belohnt. Von hier oben bietet sich der Gruppe ein sonniges Panorama der Sächsischen Schweiz. Es werden freudig Fotos mit der weitläufigen Aussicht gemacht. Einer macht Liegestütze für die Kamera. "Spürt ihr die Wärme?" Eine Teilnehmerin mit großem Strohhut steht auf dunklem glatten Fels. "Die Steine strahlen die Wärme der Sonne richtig zurück. Das würde man mit Kleidung gar nicht wahrnehmen können." Gruppenleiter Nitsche erklärt, dass das der Reiz beim Nacktwandern sei. Man könne seine Umgebung viel besser wahrnehmen. Außerdem sei es eben auch viel angenehmer ohne verschwitzte Kleidung unterwegs zu sein.
Niemand soll gestört werden
Dennoch ist es ein ungewöhnliches Schauspiel, wenn eine so große Gruppe nackter Menschen durch den Wald spaziert. Über die letzten Stunden kamen der Gruppe immer wieder andere Wanderer entgegen, doch die Reaktionen fallen immer erstaunlich gedämpft aus. Es wird nett gegrüßt, vielleicht ein kleiner freundlicher Witz zum Besten gegeben, aber es kommt zu keiner Konfrontation. Das möchte Martin Nitsche auch keinesfalls. Für ihn ist es wichtig, dass sie niemanden stören. An sich ist Nacktsein nicht strafbar, sondern nur das Belästigen anderer Menschen in der Öffentlichkeit. Diese rechtlichen Umstände erklärt der Verein auch auf seiner Webseite. Für den Ausnahmefall hätten die meisten auch eine "Notfallhose" dabei, falls sich wirklich mal jemand empört zeigen sollte.
Ganz ehrlich, die Kinder haben am allerwenigsten Probleme mit Nacktheit.
Das Argument, dass die nackten Wanderer einen schlechten Einfluss auf Kinder haben könnten, findet der Gruppenleiter fehlgeleitet. "Ganz ehrlich, die Kinder haben am allerwenigsten Probleme mit Nacktheit. Es sind dann wirklich die Erwachsenen, die ihre Scham auf die Kinder übertragen." Die Nacktheit der Gruppe habe nichts mit Sexualität zu tun. Darauf würde im Verein geachtet.
Es wird einige Tage gewandert
Nach einer Mittagspause auf dem Plateau möchte die Wandertruppe zügig weiter. Schließlich haben sie noch einiges an Weg vor sich. Doch ein Pärchen möchte kurz noch ein Ständchen zum Besten geben. Mit Handys in der Hand stellen sich die Zwei inmitten der Rastenden auf und stimmen, sogar zweistimmig, ein Lied an. Zur Melodie von "Die Gedanken sind frei" singen sie den leicht abgewandelten Text "Naturisten sind frei". Alle anderen lauschen aufmerksam. Als die letzten Töne ausklingen, wird geklatscht. Einer ruft: "Warum habt ihr nicht vorher Bescheid gesagt? Wir hätten doch alle mitsingen können."
Nun geht es aber wirklich wieder weiter. Heute ist ja schließlich nur der Auftakt. Insgesamt dauert die Wanderung noch über eine Woche.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 17. Juli 2024 | 12:30 Uhr
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